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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Walter Ludwig Samuel
© Bettina Wolf, geb. Samuel

Dr. Walter Ludwig Samuel * 1875

Neuer Wall 32 (ehemalige Anwaltskanzlei) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


gedemütigt / entrechtet
Flucht in den Tod
25.03.1943

Dr. Walter Ludwig Oscar Samuel, geb. 28.9.1875 in Hamburg, in den Tod getrieben am 25.3-1943 in Hamburg

Im Februar 2009 wurde am Neuen Wall 32 ein Stolperstein verlegt, der an den Rechtsanwalt Walter Samuel erinnert. Von 1904 und bis zum Berufsverbot im November 1938 war er in der Hamburger Innenstadt als Anwalt tätig, zuletzt in einer Sozietät mit seinem ältesten Sohn Herbert Walter und Alexander Georg Bachur (geb. 9.9.1883). Seine Enkeltochter Bettina Wolf berichtete über ihren Großvater, dass er ein geachteter und bekannter Bürger der Stadt war: Wenn er zum Beispiel abends aus seiner Anwaltskanzlei kam und eine Droschke am Gänsemarkt bestieg, sagte er nur "nach Hause", und die Droschkenfahrer wussten Bescheid, dass es zum Klosterstieg 4 in Hamburg-Harvestehude ging.
Walter Ludwig Oscar Samuel war am 28. September 1875 als Sohn des jüdischen Ehepaares Siegfried Samuel und Emma Zerline geb. Gutmann in Hamburg zur Welt gekommen. Seine Eltern wohnten in "Pöseldorf, Klosterstieg 7, Anfahrt Mittelweg 113", wie das Hamburger Adressbuch sie seit 1874 verzeichnete. Der Vater Siegfried Samuel, Mitinhaber des 1865 gegründeten Kommissions- und Speditionsgeschäftes Samuel & Rosenfeld, Admiralitätsstraße 22, später Große Bleichen 65 a, war im Fellhandel tätig. Als er um 1893 starb, ließ er seine Familie im eigenen Reihenhaus am Mittelweg 115a gut versorgt zurück.

Walter Samuel schloss ein rechtswissenschaftliches Studium mit anschließendem Referendariat ab. Er war bereits zum Christentum konvertiert, als er am 25. September 1900 die nichtjüdische Amalie Goerz heiratete. Sie war am 10. April 1878 im russischen Berszada (heute Ukraine) bei Kiew geboren worden. Bis zur Heirat hatte sie mit ihren Eltern, dem Geheimen Kommerzienrat Joseph Goerz und Clara Marie Ottilie geb. Lohde, in Berlin-Charlottenburg gewohnt.

Amalie und Walter Samuel zogen zum Eppendorfer Baum 7, wo auch ihr erstes Kind, Sohn Herbert Walter, am 26. Dezember 1901 zur Welt kam. Als sein Bruder Werner Walter am 29. Juli 1904 folgte, wohnten sie bereits am Klosterstieg 4, wo sie die nächsten Jahrzehnte blieben. Im selben Jahr eröffnete Walter Samuel eine Anwaltskanzlei am Gänsemarkt 21/23, die er später an den Neuen Wall 32 verlegte. Walter Samuels jüngster Sohn Werner wurde Kaufmann und wanderte nach Ost-Afrika aus, der ältere, Herbert, entschied sich für den Beruf seines Vaters. Nach Abitur und Studium trat er 1929 in dessen Kanzlei ein.
Am 25. April 1933 wurde Herbert Samuel im Zuge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Zulassung zum Rechtsanwalt entzogen, denn nach nationalsozialistischer Terminologie galt er aufgrund der jüdischen Herkunft seines Vaters und der nichtjüdischen seiner Mutter als "Mischling ersten Grades". Doch weil er früher Angehöriger des Freikorps der "Bahrenfelder Zeitfreiwilligen" gewesen war, erhielt er seine Zulassung am 10. Juli 1933 zurück.

Auch sein Vater Walter Samuel durfte erst einmal weiter praktizieren, denn er war aufgrund seiner frühen Zulassung im Jahre 1904, so sah es das Gesetz vor, noch von den Berufsverboten ausgenommen. Doch der Entzug der Approbation erfolgte nur später: am 30. November 1938.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn bereits die Patriotische Gesellschaft in Hamburg ausgeschlossen. Vor vielen antijüdischen Maßnahmen schützte auch die "privilegierte" Mischehe nicht: So wurde Walter Samuel am 20. Mai 1941 zu einer Geldstrafe von 20 RM verurteilt, da er es versäumt hatte, dem Hamburger Adressbuch die Änderung anzuzeigen, dass er nun den zusätzlichen Zwangsnamen "Israel" führen und überall eintragen lassen musste. Walter Samuel war zwar durch die Ehe vor der Deportation geschützt, doch sollte er auf Anordnung der Gestapo die Wohnung im eigenen Haus räumen. Daraufhin verließ er am 24. März 1943 nachmittags zwischen 17 und 18 Uhr den Klosterstieg und kehrte nicht zu seiner Familie zurück. Sein Sohn erstattete am nächsten Tag bei der Polizei eine Vermisstenanzeige.

Am 25. März um 12.30 Uhr bemerkten zwei Arbeiter auf einer Dienstfahrt unter der Krugkoppelbrücke, dicht am Anlegerponton, dass die Leiche eines Unbekannten im Wasser trieb. Sie wurde geborgen und ins Hafenkrankenhaus gebracht, wo festgestellt wurde, dass auf den Toten die Beschreibung des vermissten Walter Samuel zutraf. Aus Abschiedsbriefen ging hervor, dass Walter Samuel den Freitod gewählt hatte, um seiner Frau das Leben zu erleichtern. Einen Umzug in ein "Judenhaus" hatte er ihr nicht zumuten wollen.

Beide Söhne Walter Samuels überlebten das NS-Regime. Wie andere "Jüdisch Versippte" und "Mischlinge" musste Herbert Samuel körperlich schwere Zwangsarbeit leisten: Vom November 1944 bis Januar 1945 wurde er im "Sonderkommando J" zu gefährlichen Aufräum- und Bergungsarbeiten bei der Bauverwaltung zwangsverpflichtet.

Nach dem Krieg war Herbert Samuel Mitbegründer der FDP und von 1953 bis 1966 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Der Träger des Emil-von-Sauer-Preises starb am 16. April 1982 in Hamburg.
Ein zweiter Stolperstein für seinen Vater Walter Samuel wurde am Klosterstieg 4 verlegt.
An Walter Samuels langjährigen Sozius, den Rechtsanwalt Alexander Georg Bachur, erinnert ein Stolperstein in der St. Benedictstraße 5. Er wurde nach dem Tod seiner nichtjüdischen Ehefrau am 25. Oktober 1941 ins Getto von Lodz deportiert, wo er am 9. Oktober 1942 starb.

Stand Juli 2015
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 331-5 Polizeibehörde unnatürliche Sterbefälle, 2 Journale 1943, 628/43 Samuel; StaH 351-11 AfW 3751 (Samuel, Amalie); StaH 351-11 AfW 25023 (Samuel, Herbert); StaH 232-5 Amtsgericht Hamburg Vormundschaftswesen 1814; StaH 332-5 Standesämter 8185 u 184/1943; StaH 332-5 Standesämter 13619 u 3059/1901; StaH 332-5 Standesämter 8603 u 435/1900; Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg, Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Band 1,Hamburg 2013, S. 30, 73, 126, 168–169; Gesche-M. Cordes, Stolpersteine und Angehörige, Herzogenrath 2012, S. 162.
(Diese Biographie entstand im Projekt "Stolpersteine in Hamburg – biographische Spurensuche", siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

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