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Julius Schultz * 1912

Bleicherstraße 46 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


verhaftet 1936
KZ Fuhlsbüttel
Emslandlager
ermordet 06.11.1942
KZ Neuengamme

Julius Karl Hans Schultz, geb. 26.12.1912, inhaftiert 1936, 1937, gestorben am 6.11.1942 im KZ Neuengamme

Bleicherstraße 46 (Bleicherstraße 42)

Julius Schultz wurde 1912 als Sohn von Emilie Schultz unehelich in Altona geboren. Über seinen Vater erfuhr er nur, dass dieser "etwas Besseres gewesen" sei. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr wuchs Schultz bei seiner Großmutter in Altona auf. 1927 wurde er aus der Volksschule entlassen. Eine Schlosserlehre musste er abbrechen, da er 1000 RM entwendet hatte. Ein ehemaliger Lehrer wurde zu seinem Vormund ernannt; dieser brachte ihn in eine Erziehungsanstalt.

Bereits als 13-Jähriger suchte Julius Schultz, der sich später im Polizeiverhör als "normal" bezeichnete, Bordelle auf. Als Koch und Schiffsjunge fuhr er zur See. 1929 wurde er wegen Entlaufens vom Schiff bestraft. Fortan lebte er von der Unterstützung seiner Großmutter bzw. von Wohlfahrtsunterstützung. 1930 war er häufig Gast in dem Homosexuellen-Lokal "Zur Sonne", Kohlhöfen 42. Dort entdeckte er die Möglichkeit, durch Prostitution an Geld heranzukommen. Für 5 bis 10 RM ließ er sich mit Freiern auf gleichgeschlechtliche Handlungen ein. 1931 lernte er Marie Pagels, seine spätere Ehefrau, kennen. Im Dezember 1935 überwarf er sich mit ihr, sodass seine Frau in ihren Heimatort Büsum zurückkehrte.
Zwischen 1934 und 1936 stand Julius Schultz mehrmals wegen Diebstahls und Steuerhinterziehung vor Gericht. Nachdem er in einer Fabrik mit dem Vorarbeiter in Streit geraten war, gab er es auf, durch legale Arbeit Geld zu verdienen. Wegen seiner zunehmenden wirtschaftlichen Notlage betätigte er sich als Strichjunge.

Männerbekanntschaften machte er überwiegend in der Bedürfnisanstalt am Millerntor. Jeden Freitag und Samstag ging er dort anschaffen und nahm die Freier mit zu sich in die Wohnung. Als seine Ehefrau im August 1936 wieder zu ihm zog, arbeitete Schultz nur noch samstags, wenn er allein in der Wohnung war. Sein Verdienst pro Freier lag zwischen 2 und 5 RM.

Am 7. Dezember 1936 um 22 Uhr geriet Julius Schultz in der Bedürfnisanstalt am Grevendamm in eine Polizeirazzia. Da er für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt war, wurde er von der Gestapo wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr in "Schutzhaft" genommen. Bis zum 16. Januar 1937 war er im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.

Am 6. März 1937 wurde er vom Landgericht Hamburg zu vier Jahren Zuchthaus wegen Vergehen nach § 175 RStGB alter Fassung und wegen gewerbsmäßiger Unzucht nach § 175 a Ziffer 4 RStGB verurteilt. Außerdem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre aberkannt. Seine Ehefrau Marie Schultz, die ihn unterstützt hatte, indem sie die Anwesenheit der Freier in ihrer gemeinsamen Wohnung akzeptierte, erhielt eine sechsmonatige Gefängnisstrafe wegen Kuppelei nach § 180 RStGB.

Am 28. August 1937 fand ein weiteres Verfahren gegen Julius Schultz statt, dieses Mal vor dem Amtsgericht Altona. Die ihm zur Last gelegten Straftaten hatten 1932 stattgefunden. Schultz war an schweren Diebstählen in Lebensmittel- und Wäschegeschäften in Altona und St. Pauli beteiligt gewesen. Der Richter verhängte eine 15-monatige Gefängnisstrafe, wobei er die damalige soziale Notlage und Arbeitslosigkeit des Angeklagten als strafmildernd ansah. Das Gericht bildete mit der vorherigen Verurteilung eine Gesamtstrafe von vier Jahren und neun Monaten Zuchthaus unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre.

Seine Freiheitsstrafe verbüßte Julius Schultz zunächst bis zum 11. Juni 1938 in Hamburg. Dann wurde er ins Strafgefangenenlager VII Esterwegen transportiert (Ankunft am 14. Juni 1938). Am 10. September 1938 erfolgte seine Einlieferung in das Zuchthaus Münster/Westfalen, von dort ging es elf Tage später wieder zurück ins Strafgefangenenlager VII Esterwegen. Bereits am 3. Dezember 1938 wurde er ins Strafgefangenenlager I Börgermoor bei Papenburg eingeliefert, von dort kam er am nächsten Tag ins Zuchthaus Amberg und am 12. April 1939 ins Strafgefangenenlager III Brual-Rhede.

Gut vier Monate später, am 28. August 1939, wurde Julius Schultz ins Strafgefangenenlager II Aschendorfermoor eingeliefert und am 7. Dezember 1940 ins Zuchthaus Straubing. Am 9. September 1941 wurde er an die Hamburger Kriminalpolizei überstellt und im Polizeigefängnis Hütten inhaftiert. Von dort ist eine Karteikarte "Polizeiliche Planmäßige Überwachung" erhalten geblieben. Im Oktober 1941 wurde er als Zugang unter der Häftlingsnummer 6439 im KZ Neuengamme eingetragen. Dort wurde er am 6. November 1942 ermordet.

Julius Schultz’ Odyssee durch die Emslandlager und mehrere Zuchthäuser steht exemplarisch für zahlreiche Homosexuelle, die ihre Strafe an mehreren Orten verbüßen mussten.

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 a; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 2415/37 und 8/41; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13 und 16.

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