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Bereits verlegte Stolpersteine



Kurt Hirsch * 1906

Schmuckstraße Talstraße 47 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
KURT HIRSCH
JG. 1906
VERHAFTET 1936
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Kurt Hirsch, geb. 9.2.1906, inhaftiert 1936 und 1938, gestorben nach dem 8.11.1941 in Minsk

Talstraße 47 (Schmuckstraße 6)

"Am 18.8.1936 teilte mir der Geschäftsführer von der Firma Lindloff, Hamburgerstr. Ecke Bachstr. mit, dass gegenüber von seinem Geschäft ein Mann wohnt, der anscheinend homosexuell ist. Der Mann ist von ihm und seinem Personal schon mehrfach beobachtet worden, wie er junge Leute mit in seine Wohnung nahm. Das Personal und der Geschäftsführer der Firma Lindloff haben an dem Tun und Treiben des Mannes Ärgernis genommen. Der Geschäftsführer bittet, dass von zuständiger Stelle sich diese[r] Angelegenheit angenommen wird. Der Geschäftsführer ist bereit, Näheres über diesen Mann mitzuteilen", heißt es im Protokoll des Kriminalanwärters Benz vom 20. August 1936. Die Opfer des Denunzianten waren der pensionierte Bankbeamte Heinrich Buck (geb. 3.2.1876 Hamburg, gest. nach dem 6.12. 1941 in Riga; Stolperstein: Telemannstraße 39/Eimsbüttel) und sein Freund Kurt Hirsch.

Kurt Hirsch wurde 1906 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren. Nach dem Besuch der Talmud Tora Schule ging er in eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Bote, als Hilfsmonteur bei der Reiherstieg-Werft und zwischen 1930 und 1933 als Zeitungswerber. Ab 1933 war er erwerbslos.

Ende 1933 lernte Hirsch bei einem Mittagstisch in der Schäferkampsallee 27 Heinrich Buck kennen, der ebenfalls jüdischer Herkunft war. Die beiden pflegten bis zum Sommer 1936 eine lockere sexuelle Beziehung. Buck unterstützte seinen mittellosen Partner durch Geldbeträge oder Geschenke wie Kleidung.

Am 7. Dezember 1936 fand der Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg statt. Richter Dr. Günther Riebow verurteilte Kurt Hirsch zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen fortgesetzten Vergehens nach § 175 RStGB alter und neuer Fassung. Riebow in seinem Urteil:

"Der Angeklagte hat sich ausserordentlich schweinisch benommen. Er hat nur um Geld zu verdienen, seinen Körper dem geilen, alten Manne zu den gemeinsten Perversitäten zur Verfügung gestellt. Sein Handeln war das einer männlichen Hure. ... § 175 a StGB Ziffer 4 ist nicht gegeben, obgleich das Motiv der Handlungen des Hirsch Geldverdienen war und nichts anderes. Die Rechtsprechung verlangt für den Begriff der Gewerbsunzucht aber den Verkehr mit mehreren Partnern. Die Gemeinheit und Ehrlosigkeit der Handlungen des Angeklagten mussten aber in dem aus § 175 StGB zu entnehmenden Strafmaß zum Ausdruck kommen."

Kurt Hirsch hatte das Pech, dass mit Riebow ein besonders willfähriger NS-Richter das Vefahren leitete; Riebow konnte in der Bundesrepublik an seine Karriere in der NS-Zeit anknüpfen. Im April 1954 wurde er zum Landgerichtsdirektor ernannt. In der Begründung stützte man sich auf seine gute Beurteilung aus der NS-Zeit und darauf, dass er, "wenn er nicht 1939 aus seinem Richteramt auf Antrag entlassen worden wäre, inzwischen längst Landgerichtsdirektor geworden" wäre. 1939 verließ Günther Riebow den Staatsdienst, um mit Paul de Chapeaurouge in Hamburg ein Notariat zu betreiben. Er starb 1980 in Hamburg.

Am 10. Februar 1937 fand die Berufungsverhandlung unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Otto von Bargen vor dem Landgericht Hamburg statt. Dieser reduzierte das Strafmaß um sechs Monate auf zwei Jahre Gefängnis. Von Bargen war der Auffassung, dass sich Hirsch in einer "wirtschaftlichen Notlage befunden habe, [deshalb] könne die Tatsache, daß er geldliche Unterstützungen von Buck angenommen habe, nicht strafschärfend verwertet werden".

Sein Gnadengesuch um Verkürzung der Haftzeit wurde von Günther Riebow mit den Worten abgelehnt, es "handelt sich um einen ganz besonders schweinischen Fall. Ich bitte, keinesfalls zu begnadigen."

Anfang November 1938 stellte Kurt Hirsch einen Antrag auf Auswanderung; angeblich wollte er nach Paraguay, weil er einen Bruder in Argentinien hätte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Auswanderung an Geldmangel scheiterte.

Am 8. November 1941 wurde Kurt Hirsch vom Hannoverschen Bahnhof in das Getto Minsk deportiert, wo er zu Tode gekommen ist. Sein Sexualpartner Heinrich Buck wurde rund einen Monat später, am 6. Dezember 1941, ebenfalls vom Hannoverschen Bahnhof aus nach Riga deportiert, wo er zu Tode kam.

© Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann

Quellen: 1; 4; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 1637/37; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16; StaH Oberfinanzdirektion (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) FVg 3807.

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