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Bereits verlegte Stolpersteine



Stolperstein für Franziska Müller
© Wolfram Becker

Franziska Müller (geborene Oppenheimer) * 1867

Ohlendorffstraße 5 (Hamburg-Mitte, Hamm)

1940 Gurs / Frankreich
Rivesaltes
ermordet 28.04.1942

Weitere Stolpersteine in Ohlendorffstraße 5:
Emilie Müllner, Rosa Müllner, Ivan Müllner

Emilie Müllner, geb. Horwitz, geb. 9.1.1858 in Hamburg, deportiert am 9.6.1943 nach Theresienstadt, Tod am 31.12.1943
Ivan Müllner, geb. 18.11.1887 in Hamburg, deportiert am 22.10.1940 nach Gurs/Frankreich, weiter deportiert nach Rivesaltes, Tod am 7.3.1942
Rosa Müllner, geb. 29.4.1889 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Franziska Müller, geb. Oppenheimer, geb. 17.11.1867 in Alsheim bei Worms
deportiert am 22.10.1940 nach Gurs/Frankreich, weiter deportiert nach Rivesaltes, Tod am 28.4.1942

Emilie Müllner wurde am 9.1.1858 als Emilie Horwitz in Hamburg geboren und heiratete am 25. November 1886 Moses Levy Müllner, gen. Abrahamson, geb. 1.6.1852 in Kelm/Kellmy in Russland. Ihr Vater, Wulff Horwitz, war von Lübeck zugezogen und betrieb ein Lotteriebüro, später ein Kommissionsgeschäft. Auch ihre Mutter, die fünfzehn Jahre jüngere Bertha, geb. Bieber, war keine gebürtige Hamburgerin; sie stammte aus Eisleben/Südostharz. Die Großeltern mütterlicherseits blieben in Eisleben, während die Großeltern väterlicherseits ebenfalls nach Hamburg übersiedelten. Als Emilie drei Jahre alt war, kam ihre Schwester Ernestine zur Welt, 1868 wurde ihr Bruder Martin geboren.

Moses Levy Müllners Vater war Lehrer und hieß Izick Abramowitz Müllner, wovon der Namenszusatz "gen. Abrahamson" abgeleitet wurde. Über seine Mutter ist nichts bekannt. 1886 kam Moses Levy Müllner, gen. Abrahamson, der die preußische Staatsangehörigkeit besaß, nach Hamburg. Bereits drei Jahre später ließ er sich einbürgern. Die finanzielle Voraussetzung dafür bot seine gut bezahlte Anstellung als Reisender bei der Firma Gebrüder Nagel, die mit Öl- und Fettwaren handelte und russisches Rohöl importierte, wobei vermutlich seine Sprachkenntnisse zum Tragen kamen. Mit ihm erhielten seine Frau Emilie und die beiden Kinder Ivan (18.11.1887) und Rosa (29.4.1889) die Hamburgische Staatsangehörigkeit. Am 25. Juni 1890 erließ der Senat einen Beschluss, wonach sich Moses Levy nur noch Müllner nennen durfte. Die Tochter Selma wurde am 15.8.1890 schon als Hamburgerin geboren. Die Familien Müllner und Horwitz waren Mitglieder der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg.

Nach mehreren Umzügen in den ersten Ehejahren, die sich durch die Geburtseinträge der Kinder nachvollziehen lassen, erscheint Moses Levy Müllner erstmals 1891 mit einem eigenen Eintrag im Hamburger Adressbuch in der Seilerstraße 25 auf St. Pauli und mit der Berufsbezeichnung "Stadtreisender". Dort, in St. Pauli, kam 1891 ihr viertes Kind, Sarah (11.12.1891), zur Welt. Als Jüngster wurde auf den Tag genau zwei Jahre später Alexander geboren.

Auch Emilies Geschwister heirateten. Ernestine ging die Ehe mit dem siebzehn Jahre älteren Schuhmacher Samuel Mecklenburg ein, für den es die zweite Ehe war. Sie blieb kinderlos. Martin Horwitz heiratete 1899 Gertrud Feibel. Sie hatten vier Kinder: Edith (1899), Adolf (1904), Leonie (1908) und Hugo, der 1916 geboren wurde. Um die Jahrhundertwende zog Familie Müllner ins Grindelviertel, wo auch Emilies Eltern und Geschwister wohnten. Ihr Vater, Wulff Horwitz, starb 1912 hoch betagt, ihre Mutter Bertha im folgenden Jahr mit 79 Jahren. Sie wurden auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt.

Ivan und Alexander Müllner wurden Kaufleute wie ihr Vater, die Töchter Kontoristinnen. Ivan Müllner stieg in den Handel mit Häuten ein. Bis er 1915 zum Heeresdienst eingezogen wurde, arbeitete er bei der Firma Bachrach & Loeb, Cremon 11/12. Während der Kriegsjahre summierten sich seine Beitragsrückstände an die jüdische Gemeinde, die 1918 nach seiner Rückkehr aus dem Felde gestrichen wurden. Auch Alexander nahm am Ersten Weltkrieg teil und kehrte nach Hamburg zurück, erkrankte jedoch an Scharlach und starb am 27. August 1918 im Alter von 24 Jahren im Lazarett. Er wurde ebenfalls auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beerdigt. Zwei Monate später starb Moses Levy Müllner, 66 Jahre alt. Vermutlich wurde er auf dem jüdischen Friedhof Langenfelde beigesetzt. Emilie Müllner war damals 60 Jahre alt, keines ihrer Kinder war verheiratet; sie blieben in der Grindelallee 23. Ab 1919 führte sie die Deutsch-Israelitische Gemeinde als "Privatiere".

Es folgten weitere Schicksalsschläge: der Tod der Tochter Sarah im Jahr 1921, der ihres Bruders Martin mit nur 54 Jahren 1922 und der ihrer Schwester Ernestine 1924, die Trennung von Selma durch deren Auswanderung nach New York 1923. Es gibt Hinweise auf eine Erwerbstätigkeit Emilie Müllners, die sich jedoch nicht konkretisieren ließen.

Ihr Sohn Ivan wurde Prokurist bei Aaquist & Gottlieb, ebenfalls einer Firma für den Import von Häuten. Er heiratete die ebenfalls jüdische Else Müller, geb. 18.11.1887 in Dortmund. Deren Vater, Albert Müller, lebte dort als Kaufmann, ihre Mutter, Franziska Müller, geb. Oppenheimer, geb. 17.11.1867, war aus Alsheim bei Worms, hinzugezogen. 1925 wurde Else und Ivan Müllners einziges Kind, Kurt Alexander, geboren.

Emilies Tochter Rosa blieb ledig und arbeitete als Stenotypistin und Korrespondentin. Ivan Müllner mietete 1927 eine Wohnung in der Ohlendorffstraße 5 in Hamburg-Hamm, Teil des 1910 erbauten Ensembles der Nummern 3 – 11. Mit ihm und seiner Familie zogen seine Mutter und die Schwester Rosa dort ein. Ihre Nachbarn waren Kaufleute und Lehrer.

Samuel Mecklenburg starb im Jahr 1928 im Altenheim der jüdischen Gemeinde in der Sedanstraße 23, Gertrud Horwitz und ihre Kinder waren nach dem Tod ihres Mannes und Vaters Martin Horwitz in der Isestraße 67 geblieben.

Bis zum Beginn der NS-Herrschaft verfügte Ivan Müllner über ein gutes Einkommen, doch dann wurde er erwerbslos und fand keine neue Erwerbstätigkeit. Rosa Müllner war 1932 ausgezogen und wechselte danach mehrfach die Wohnung. Wie ihr Bruder wurde sie zunächst ebenfalls entlassen, fand jedoch im Gegensatz zu ihm nach jeder weiteren Entlassung eine neue Anstellung.

Zum 1. Januar 1935 verließ Ivan Müllner mit seiner Familie Hamburg und zog nach Mannheim. Gründe für diesen Umzug sind nicht bekannt. Emilie Müllner blieb im Alter von 77 Jahren allein in der Wohnung zurück, doch gesellte sich bereits einige Tage später Franziska Müller, die 68 Jahre alte Schwiegermutter ihres Sohnes, aus Dortmund kommend, zu ihr. Am 29. März 1935 reiste auch sie nach Mannheim ab und blieb offenbar bis zum Ende ihres Lebens mit ihrer Tochter und deren Familie zusammen.

Emilie Müllner gab die Wohnung in der Ohlendorffstraße auf und zog als Untermieterin bei dem Kaufmann Peter Jacob in der Grindelallee 165 ein. Ihre Nichten Edith und Leonie und ihr Neffe Adolf Horwitz emigrierten. Ab 1939 lebte Emilie Müllner drei Jahre lang im Altenheim der jüdischen Gemeinde in der Grünestraße 5 in Altona, vom 14. Juli 1941 an von der "Kommission für die Wohlfahrt" der jüdischen Gemeinde unterhalten.

Franziska Müller wurde zusammen mit ihrer Tochter Else, ihrem Schwiegersohn Ivan und ihrem Enkelsohn Kurt Müllner am 22. Oktober 1940 aus Mannheim nach Südfrankreich deportiert. Ohne Absprache mit der Vichy-Regierung veranlassten die dortigen Gauleiter den Transport von ca. 6500 Juden und Jüdinnen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich im unbesetzten Teil Frankreichs, unter ihnen allein ca. 2000 Personen aus Mannheim. Während in Berlin die Deportationszüge geplant wurden, erfuhr die jüdische Bevölkerung von der bevorstehenden Aktion nichts. Den Deportierten blieben oftmals weniger als zwei Stunden bis zum Abtransport, bei dem die Mitnahme von 50 kg Gepäck erlaubt war.

Das Lager Gurs war auf die Aufnahme der Deportierten nicht vorbereitet und wurde auch in den folgenden Monaten weder mit Nahrung noch Heizmaterial und medizinischer Versorgung ausreichend ausgestattet. Nachdem Franziska Müllner und ihre Familie trotz aller Widrigkeiten den Winter überlebt hatten, wurden sie in das Internierungslager Rivesaltes weiter deportiert, wo Franziska Müller am 14. März 1941 registriert wurde. Ein Jahr später, am 28. April 1942, starb sie. Auch Ivan Müllner überlebte das Lager nicht, er starb am 7. März 1942. Else und ihrem inzwischen etwa 17-jährigen Sohn Kurt Müllner gelang die Flucht. Sie lebten bis zur Befreiung von der deutschen Besatzung illegal in Frankreich.

Rosa Müllner wohnte zuletzt in Hamburg in der Brahmsallee 13. Dort erhielt sie die Aufforderung zum Transport "zum Aufbau im Ostern" am 25. Oktober 1941 nach Lodz. Damit verliert sich ihre Spur. Gertrud und Hugo Horwitz wurden mit dem nächsten Osttransport am 8. November 1941 nach Minsk deportiert (S. Stolpersteine in der Hamburger Isestraße), wo sie unter nicht bekannten Umständen umkamen.

Alt und allein blieb Emilie Müllner zurück. Als das Heim in der Grünestraße in Altona im September 1942 aufgelöst wurde, quartierte die jüdische Gemeinde sie in der Beneckestraße 6, ihren Gemeinderäumen, ein. Von dort wurde sie am 9. Juni 1943 in das Getto Theresienstadt deportiert, wo sie Silvester 1943, fast 85jährig, starb.



© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5, 7; BA GB, VZ; div. AB; StaH, 332-5, 940+198/1928; 2158+5496/1887; 2198+1852/1889; 2262+5024/1891; 8011+139/1912; 8015+88/1913; 8068+235/1922; 8077+304/1924; 9766+2786/1918; 9767+3357/1918; 332-7, B III 35067; 332-8, K 4367, 6286; 522-1, o. Sign. Mitgliederzählung 1928; 390; 391; 922 e 2 Bd. 5; jfhh; Stadtarchiv Mannheim, E-Mail, 14.2.2013; Stadtarchiv Dortmund Geburtsregister; ITS Arolsen, E-Mail 2.4.2013; de.wikipedia.org/wiki/Wagner-Bürckel-Aktion, 3.4.2013; Christa Fladhammer/Maike Grünwaldt, Stolpersteine in der Hamburger Isestraße, Hamburg 2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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