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Bella Speyer (geborene Heckscher) * 1867

Hinrichsenstraße 29 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
BELLA SPEYER
GEB. HECKSCHER
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 30.12.1942

Bella Speyer, geb. Heckscher, geb. 9.2.1867 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Tod dort am 30.12.1942

Hinrichsenstraße 29 (Baustraße 29)

Aus der Putzarbeiterin Bella Heckscher wurde nach ihrer Heirat die Modistin Bella Speyer. Ihr Ehemann, der Commis Anton Speyer, geb. 12. Mai 1870 in Hamburg, war später Kaufmann im florierenden Lotteriegeschäft Speyer & Brager. Die Familien Speyer und Heckscher lebten in der Schlachterstraße 47 in der Neustadt. Bella Heckscher und Anton Speyer heirateten am 24. Juli 1896, traditionell mit ihren Vätern, dem Boten David Speyer und dem Privatmann Wolf Heckscher, als Trauzeugen. Ihre Mütter, Pauline Speyer, geb. Bauer, und Lea Heckscher, geb. Behrend, waren ebenfalls noch am Leben.

Bella und Anton Speyers erstes Kind, die Tochter Ruth, wurde am 8. Juli 1897 geboren, der Sohn Herbert David am 1. November 1900. Anton Speyer gehörte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und dem Synagogenverband an. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs lebte die Fa­mi­lie in der Dillstraße 3 in bescheidenen Verhältnissen. Auf eine berufliche Tätigkeit Bella Spe­yers zu dieser Zeit gibt es keine Hinweise, über die Ausbildungen der Kinder ist nur bekannt, dass Herbert Speyer ab 1919 Medizin studierte. Er begann sein Studium in Breslau und setzte es in Freiburg und schließlich in München fort, kehrte zwischendurch aber immer wieder nach Hamburg zurück, wo er bei den Eltern wohnte, die inzwischen in den Grindelhof 43 ge­zogen waren. Zu Beginn des Jahres 1924 ereilte die Familie die Nachricht, dass Herbert, inzwischen Kandidat der Medizin, am 31. Januar nachmittags um drei Uhr auf dem Jüdi­schen Friedhof in Ohlsdorf tot aufgefunden worden sei. Die näheren Umstände seines Todes sind nicht bekannt.

Am 10. August 1923 heiratete Ruth Speyer Martin Starke, geboren am 22. Dezember 1899 in Harburg, einen Angestellten ihres Vaters, und blieb mit ihm bei ihren Eltern wohnen. Diese Wohngemeinschaft dauerte bis 1935. Am 18. Mai 1924 kam die erste Enkeltochter Bella Speyers, Sulamith Starke, zur Welt. Ihr folgten am 19. Ja­nu­ar 1928 Vera und schließlich am 14. Februar 1937 Irene Antoinette.

Bella Speyer verlor ihren Mann vermutlich ebenfalls durch einen unnatürlichen Tod. Seine Leiche wurde am 9. September 1932 auf der Rückseite der Häuser in der Heilwigstraße 29 bis 35 ge­funden. Auch in diesem Fall blieben die Hintergründe unbekannt. Ihr Mann hinterließ seine Witwe unversorgt. Ob sie im Alter von 66 Jahren ohne die antijüdischen Maß­nah­men ab 1933 wieder hätte erfolgreich erwerbstätig werden können, lässt sich nicht sagen. 1935 löschte das Finanzamt die Steuerforderungen an sie wegen Belanglosigkeit. Die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg hörte ebenfalls auf, Steuerbescheide zu erteilen. Bella Spe­yer suchte ihr Auskommen vermutlich in ihrem erlernten Beruf als Modistin und gab die Fami­lien­wohnung auf.

Was sie veranlasste, das Grindelviertel zu verlassen und in die Hinrichsenstraße 29 nach Borg­felde zu ziehen, bleibt im Dunkeln. Sie teilte die dortige Wohnung mit den beiden Jüdinnen Marta Dederichs, geb. Levinson, und Augusta Costa. Marta Dederichs lebte in einer "Misch­ehe", und Augusta Costa emigrierte kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Groß­britannien, wodurch beide überlebten.

Ruth und Martin Starke erhielten mit ihren Kindern 1935 eine Unterkunft im Keller der Ver­waltungsstelle des "Jüdischen Religionsverbands" in der Beneckestraße 2, wo Martin Starke als Hauswart angestellt wurde. Nach ihrer Rückkehr ins Grindelviertel lebte Bella Speyer zu­nächst als Untermieterin bei Juden, dann in dem "Judenhaus" Rutschbahn 25a. Von dort trat sie am 19. Juli 1942 den Transport in das Getto von Theresienstadt an.

Für den fälligen "Heim­einkauf" standen ihr keine Mittel zur Verfügung. Verarmt wie sie war, erhielt sie am 27. No­vember 1941 1000 RM von Marcus Cohen. Die Summe wurde von der Wohlfahrts­stelle des "Jüdi­schen Re­ligions­ver­bandes" verwaltet und ihr in monatlichen Be­trägen von 50 RM ausgezahlt; hinzu ka­men einmalig 40,15 RM an das Elektrogeschäft W. C. Wolff für elektrische Installationen, vermutlich im Zusammenhang mit ihrem Einzug in die Unterkunft in der Rutschbahn. Bei ihrer Deportation blieb ein Restguthaben, das auf das Konto ihres Schwie­ger­sohns Martin Starke übertragen wurde. Martin Starke wurde aufgrund einer Denun­zia­tion im November 1942 verhaftet. Ob Bella Speyer davon erfuhr, ist nicht bekannt. Sie starb am 30. Dezember 1942 im Krankensaal im Getto von Theresienstadt an einem Darmkatarrh.

Ihre Tochter Ruth mit den Enkelinnen Sulamith, Vera und Irene wurde einem kleinen Trans­port von 24 Personen zugeteilt, der der Stapoleitstelle Berlin am 12. Februar 1943 zur Eva­kuierung nach Auschwitz überstellt wurde, wo inzwischen auch Martin Starke angekommen war. Im Gegen­satz zu seiner Frau und den Töchtern überlebte er.

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; StaH, 332-5 Standesämter, 2869+823/1896, 8779+448/1923, 1926+8/1924, 8114+69/1932; 332-8 Meldewesen, K 7001; 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Bd. 5; Abl. 1993, 42, Bd. 2, Teil 2.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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