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Paul Jacobsohn * 1887

Peterskampweg 66 Ecke Marienthaler Straße (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
PAUL JACOBSOHN
JG. 1887
VERHAFTET 1938
1939 FUHLSBÜTTEL
FLUCHT 1940
JUGOSLAWIEN
DEPORTIERT 7.12.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Paul Jacobsohn, geb. 12.1.1887 Prenzlau, inhaftiert 1938/39 und1939/40, deportiert am 7.12.1943 von Triest nach Auschwitz

Peterskampweg 66/Ecke Marienthaler Straße

Paul Jacobsohn kam als Textilkaufmann nach dem Ersten Weltkrieg nach Hamburg und heiratete am 30. August 1919 die gleichaltrige Margarethe Dorothea Else Ahlers, geb. 8.11.1887 in Hamburg. Er war als Sohn des Gerbermeisters Naumann Jacobsohn und seiner Ehefrau Mathilde, geb. Arndt, in Prenzlau in der Uckermark geboren worden. Naumann Jacobsohn führte einen Gerbereibetrieb mit circa 30 Angestellten, durch den er zu einigem Wohlstand gekommen war. Paul wurde mit drei Geschwistern groß: dem älteren Bruder Hugo, geb. 4.4.1884, dem jüngeren Kurt, geb. 10.9.1889, und Margarethe, geb. 7.4.1892, mit der er eng verbunden blieb. Zwei weitere Geschwister waren als Säuglinge gestorben.

Nach dem Abschluss der Volksschule in Prenzlau absolvierte Paul Jacobsohn eine kaufmännische Lehre im Textilfach, Margarethe besuchte die höhere Töchterschule, wurde in der Firma ihres Vaters tätig und absolvierte die Höhere Handelsschule. Naumann Jacobsohn richtete dnn für seinen Sohn Paul in Nürnberg ein Orientteppichgeschäft ein, wo Margarethe mitarbeitete. Es war mit der Verpflichtung verbunden, im Falle von Margarethes Heirat ihr eine Mitgift von 30.000 Mark zu zahlen.

Hugo und Paul Jacobsohn nahmen am Ersten Weltkrieg teil. Als Paul eingezogen wurde, gab er das Geschäft auf. Margarethe kehrte nach Prenzlau und in die Firma ihres Vaters zurück. Als Frontsoldat wurde Paul verschüttet und erlitt einen dauernden Gehörschaden, sein Bruder Hugo starb als Soldat am 20.9.1915 in den Kämpfen bei Ogorodniki in Russland. Was Paul Jacobsohn dann nach Hamburg führte, ist nicht bekannt. Er zog in die Schwarzestraße 30 in Hamburg-Hamm. Das Haus gehörte der Familie Ahlers. Eigentümerin war die ledige Margarethe Ahlers. Außer ihr wohnten dort Wilhelm und Elise Ahlers mit ihrer Tochter Else, die Witwe W. Ahlers und der Kaufmann Walter Ahlers. Die Familie gehörte der evangelisch-lutherischen Kirche an. Wilhelm Ahlers hatte als Schuhmachermeister bis zum Ersten Weltkrieg im Kirchenweg 22 in St. Georg sein eigenes Geschäft trieben und lebte inzwischen von seiner Rente. Bei der Heirat ihrer Kinder nahmen Wilhelm Ahlers und Naumann Jacobsohn ihre traditionellen Rollen als Trauzeugen ein. Die jungen Eheleute blieben zunächst Schwarzestraße 30 wohnen.

Am 29.1.1924 brachte Else Jacobsohn eine Tochter zur Welt, Inge, die ihr einziges Kind blieb. 1925 wurde Paul Jacobsohn in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde mit der Berufsangabe "Vertreter" erstmals als steuerpflichtiges Mitglied registriert. Im Hamburger Adressbuch wurde er als Kaufmann verzeichnet. Er war als Selbstständiger tätig und zahlte 1925 und 1926 jeweils einen Jahresbeitrag von 10 RM an die jüdische Gemeinde, von 1927 bis 1929 nichts. 1928, im Todesjahr Naumann Jacobsohns, machten sich Paul und Else Jacobsohn in der Stoeckhardtstraße 66/68 mit einem Geschäft für Herrenmode selbstständig und zogen auch dorthin. Der Gewinn und das zu versteuernde Einkommen waren gering. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und ab 1933 die der Boykottaufrufe gefährdeten den Bestand des Geschäftes, doch zahlte Paul Jacobsohn 1936 wieder einen geringen und 1937 mit 14,27 RM den höchsten Beitrag überhaupt.
1932 starb die Mutter in Prenzlau. Margarethe hatte sie gepflegt und den Haushalt geführt, 1936 kam sie nach Hamburg und arbeitete als Angestellte im Geschäft ihres Bruders.

Um das wegen seines jüdischen Eigentümers leidende Geschäft zu erhalten und die Ausbildung der Tochter nicht zu gefährden, ließen sich die Eheleute auf Antrag der Ehefrau im Dezember 1938 förmlich scheiden, doch blieben die geschiedenen Eheleute in Kontakt.
Dieses Verhältnis spiegelt sich sowohl in der Kultussteuerkartei der jüdischen Gemeinde als auch auf der Haftkarte wieder, wo Paul Jacobsohn als verheiratet galt. Else Ahlers erhielt das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter. Die Eltern hatten getan, was sie konnten, um Inges jüdische Abkunft zu verbergen. Inge wurde 1938 in der Hammer Kirche getauft und war ebenso wenig wie ihre Mutter in der jüdischen Gemeinde geführt worden, so dass Else Ahlers glaubhaft versichern konnte, ihre Tochter christlich erzogen zu haben. Paul Jacobsohn verzichtete auf das Sorgerecht, gab vor, auswandern zu wollen und nie Einfluss auf seine Tochter ausgeübt zu haben. Er nahm die Schuld am Scheitern der Ehe auf sich, indem er eine außereheliche Beziehung mit einer "deutschblütigen" Frau in Lübeck zugab. Else Jacobsohn nahm ihren Familiennamen Ahlers wieder an und führte als Else Ahlers das Geschäft für Wäsche und Herrenmoden fort.

Inge Ahlers begann am 1. April 1940 eine dreijährige Lehre als Verkäuferin. Um den Lehrvertrag zu unterschreiben, wurde vom Amtsgericht ihr Onkel Walter Ahlers als Pfleger bestellt; sie trat auch der DAF, der deutschen Arbeitsfront, bei.

Paul Jacobsohn wurde wegen "Rassenschande" angeklagt. Das Verfahren gegen ihn nahm seinen Anfang mit seiner Einlieferung am 2. November 1938 in das UG Fuhlsbüttel, von wo er drei Wochen später, am 24. November 1938, als Untersuchungshäftling ins Marstallgefängnis in Lübeck verbracht wurde. Das Landgericht Lübeck verurteilte ihn am 6. Januar 1939 zu einer Zuchtshausstrafe von zwei Jahren. Zum Strafvollzug wurde er am 14. Januar 1939 zurück nach Hamburg gebracht und dem Zuchthaus Fuhlsbüttel überstellt. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 30 Tagen wurde das Haftende auf den 9. November 1940, 7.30 Uhr, festgesetzt. Aus seiner Haftkarte geht hervor, dass er ein Mann von 171 cm Körpergröße war, braune Augen und graue Haare, eine spitze Nase und dazu ein ovales Gesicht hatte.

Am 8. November 1940 wurde Paul Jacobsohn aus der Haft zur Polizeibehörde und am 19. Dezember in die Freiheit entlassen, jedoch mit der Auflage, das Deutsche Reich innerhalb von sechs Tagen zu verlassen. Die jüdische Gemeinde brachte ihn wenige Tage in ihrem Obdachlosenheim in der Westerstraße 27 unter. Er floh mit Unterstützung der Gemeinde am 24. Dezember 1940 über die grüne Grenze nach Jugoslawien. Auf seiner Steuerkarte wurde am 3. Januar 1941 sein "Ausscheiden nach Jugoslawien" vermerkt.

Bis 1943 schickte Paul Jacobsohn regelmäßig eine Nachricht an seine Frau und ihre Tochter, die letzte aus Brod na Kupi Anfang September. Er schloss sich den Partisanen an und geriet Anfang November in Slowenien in deutsche Gefangenschaft. Ein 1947 in Zagreb lebender ehemaliger Kamerad berichtete seiner Schwester Margarethe von diesem Schicksal. Im Wiedergutmachungsverfahren ging das Amt für Wiedergutmachung 1954 auf Grund dieses Briefes davon aus, dass er als Partisan getötet worden sei.
Else Ahlers hatte das Geschäft bis zu seiner Zerstörung im Feuersturm im Juli 1943 fortgeführt. Danach baute sie es in der Hansastraße 58 als Laden mit Wohnraum wieder auf. Bei ihrem Tod im Jahre 1949 wusste sie noch nichts vom Schicksal ihres Mannes, der tatsächlich nicht als Partisan getötet worden war, sondern am 7. Dezember 1943 von Triest aus nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden war.

Als das ursprünglich gemeinsame Geschäft auf Else Ahlers überging, war auch Margarethe Jacobsohn ausgeschieden. Sie verdingte sich dann als Hausdame, bis sie 1940 dienstverpflichtet und in einem Heim für Evakuierte in der Rothenbaumchaussee 217 eingesetzt wurde, wo sie auch lebte.
Dort erhielt sie die Aufforderung zur "Aussiedlung in den Osten" am 6. Dezember 1941. Der Transport führte nach Riga. Obwohl bei ihrer Deportation bereits 49 Jahre alt, überlebte sie das KZ Kaiserwald und wurde im Juli 1944 vor der heranrückenden Roten Armee in Thorn eingesetzt. Dort erfroren ihr beim Arbeitseinsatz in Schnee und Kälte im Januar 1945 vier Zehen, die ihr im Krankenhaus in Bromberg amputiert wurden. Es folgte eine Beinoperation, so dass sie das Kriegsende dort erlebte. Im Oktober 1945 kehrte sie nach Hamburg zurück.

In Paul Jacobsohns Geburtsort Prenzlau erinnert in der Neubrandenburger Straße 7a ein Stolperstein an ihn.

Stand November 2015

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 8 (dort Name des Vaters falsch); Hamburger Adressbücher; VVN Totenbuch 1968; StaH 232-5 Vormundschaftswesen, 836; 242-1 II, Abl. 13 und Abl. 16; 242-II, 17770 – Fotoarchiv 741-4, A 256; 332-5, 1160-14/1942; 3349-761/1919; 351-11, 9899; 522-1, 390; Stadtarchiv Prenzlau, Geburtsregister 1889, dank freundlicher Mitteilung von Dr. Eckhard Blohm; "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e.V. (VVN-BdA), Landesvereinigung Hamburg, Aktenbestand des Komitees ehemaliger politischer Gefangener", Komitee-Akte Inge Jacobsohn; http://www.prenzlau.eu/cms/detail.php/land_bb_boa_01.c.370837.de
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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