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Bereits verlegte Stolpersteine



Magdalene Schütte * 1939

Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik) (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


MAGDALENE SCHÜTTE
GEB. 5.10.1939
ERMORDET 8.1.1943

Weitere Stolpersteine in Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik):
Andreas Ahlemann, Rita Ahrens, Ursula Bade, Hermann Beekhuis, Ute Conrad, Helga Deede, Jürgen Dobbert, Anneliese Drost, Siegfried Findelkind, Rolf Förster, Volker Grimm, Antje Hinrichs, Lisa Huesmann, Gundula Johns, Peter Löding, Angela Lucassen, Elfriede Maaker, Renate Müller, Werner Nohr, Harald Noll, Agnes Petersen, Renate Pöhls, Gebhard Pribbernow, Hannelore Scholz, Doris Schreiber, Ilse Angelika Schultz, Dagmar Schulz, Gretel Schwieger, Brunhild Stobbe, Hans Tammling, Peter Timm, Heinz Weidenhausen, Renate Wilken, Horst Willhöft

Kinderkrankenhaus Rothenburgsort

Im früheren Kinderkrankenhaus Rothenburgsort setzten die Nationalsozialisten ihr "Euthanasie-Programm" seit Anfang der 1940er Jahre um.
33 Namen hat Hildegard Thevs recherchieren können.

Eine Tafel am Gebäude erinnert seit 1999 an die mehr als 50 ermordeten Babys und Kinder:

In diesem Gebäude
wurden zwischen 1941 und 1945
mehr als 50 behinderte Kinder getötet.
Ein Gutachterausschuss stufte sie
als "unwertes Leben" ein und wies sie
zur Tötung in Kinderfachabteilungen ein.
Die Hamburger Gesundheitsverwaltung
war daran beteiligt.
Hamburger Amtsärzte überwachten
die Einweisung und Tötung der Kinder.
Ärzte des Kinderkrankenhauses
führten sie durch.
Keiner der Beteiligten
wurde dafür gerichtlich belangt.



Weitere Informationen im Internet unter:

35 Stolpersteine für Rothenburgsort – Hamburger Abendblatt 10.10.2009

Stolpersteine für ermordete Kinder – ND 10.10.2009

Stolpersteine gegen das Vergessen – Pressestelle des Senats 09.10.2009

Die toten Kinder von Rothenburgsort – Nordelbien.de 09.10.2009

35 Stolpersteine verlegt – Hamburg 1 mit Video 09.10.2009


Wikipedia - Institut für Hygiene und Umwelt

Gedenken an mehr als 50 ermordete Kinder - Die Welt 10.11.1999

Euthanasie-Opfer der Nazis - Beitrag NDR Fernsehen 29.05.2010

Hitler und das "lebensunwerte Leben" - Andreas Schlebach NDR 24.08.2009
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Magdalene Schütte, geb. 5.10.1939 in Hamburg, ermordet am 8.1.1943

Magdalene Schütte wurde unehelich geboren. Ihre Mutter arbeitete als Haushaltshilfe. Sie gehörte der baptistischen Freikirche an. Bei der Geburt ihrer Tochter war sie 19 Jahre alt.

Der Vater, von Beruf Landarbeiter und später Soldat, war drei Jahre älter und lebte als Untermieter im Haushalt der Großeltern.

Im Alter von 2 1⁄4 Jahren, am 7. Januar 1942, wurde Magdalene Schütte als "idiotisches Kind" in den damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen, wo Gerhard Kreyenberg ein Erbgesundheitsgutachten erstellte. Danach waren alle Verwandten des Kindes gesund. Magdalene wurde nach ca. fünf Monaten auf Veranlassung des Jugendamtes in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort verlegt. Wer die Einweisung nach "Alsterdorf" und die Verlegung veranlasste, ist nicht bekannt.

Magdalene war ein so genanntes Liegekind, das sich nicht altersgemäß bewegen konnte und unselbständig war. Sie konnte nicht sprechen, spielte auch nicht mit Spielsachen, beobachtete aber ihre Umgebung, schien einiges zu verstehen, wenn sie angesprochen wurde, und reagierte mit Lachen darauf.
Sie wurde offenbar im September 1942 entlassen, kehrte aber nicht nach Alsterdorf zurück. Über diese beiden stationären Aufenthalte liegen keine Unterlagen vor. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie offenbar noch nicht dem "Reichsausschuss" gemeldet worden.

Am 25. November des Jahres brachte die Mutter ihre Tochter Magdalene wieder nach Rothenburgsort. Sie meinte, Magdalene könne jetzt etwas besser sehen, womit "fixieren" gemeint sein dürfte. Sie schlucke aber beim Essen schlecht, reiße Papier entzwei, werfe alles auf die Erde, sei aber ruhig und eher ängstlich. Bei der Aufnahmeuntersuchung stellte die Ärztin Lotte Albers fest, dass es kaum Unterschiede zum "damaligen" Befund gäbe. Körperlänge und -gewicht lägen unter der Norm, aber Magdalene setze sich nun etwas besser auf und setze beim Stehen die Beine an, sei jedoch äußerst verkrampft. Außerdem habe sie einen wunden Rücken, spiele und spreche nicht. Sie stellte die Diagnose "Little‘sche Erkrankung", die damalige Bezeichnung für spastische Lähmungen.

Während des sechswöchigen Aufenthalts im Kinderkrankenhaus wurden "Blutzuckerkurven", vermutlich Tagesprofile, erstellt und Zuckerbelastungstests – bei Möhren-Kartoffel-Suppe – durchgeführt. Ob sie eine diagnostische oder therapeutische Rolle für Magdalene spielten oder nicht vielmehr Wilhelm Bayers Forschungen zur Verbesserung der Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern dienten, ließ sich nicht klären.

Am 4. Dezember 1942 wurde ein Encephalogramm durchgeführt (s. o. Erklärung). Magdalene überstand die Untersuchung, die lediglich eine mäßige Verbreiterung der Haupthirnkammer zeigte.

Nach einem Vermerk vom 30. Dezember 1942 machte sie keinerlei Fortschritte. Auf Gespräche mit der Mutter über die "Behandlung" gibt es keine Hinweise. Lotte Albers spritzte Magdalene das hoch dosierte Luminal, wobei diese von der Stationsschwester, Margarethe Rieckmann, festgehalten wurde.
Magdalene starb am 8. Januar 1943. Sie wurde drei Jahre und drei Monate alt.

Ihre Großmutter Johanna Schütte zeigte den Tod am folgenden Tag beim Standesamt Rothenburgsort an. Die Todesursache lautete "Little’sche Erkrankung, Krämpfe".

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv V 274; Erbgesundheitskartei; Wunder, Kreyenberg; StaH 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht – NSG, 0017/002; 332-5 Standesämter, 1187+30/1943; AB 1943.

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