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Bereits verlegte Stolpersteine



Susanne Apteker
© Yad Vashem

Susanne Apteker * 1934

Rieckhoffstraße 8 (Harburg, Harburg)


SUSANNE APTEKER
JG. 1934
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Rieckhoffstraße 8:
Anna Apteker, Editha Apteker, Lisette Apteker, Charles Apteker

Anna Apteker, geb. Rotter, geb. am 26.11.1868 in Flinnatz (heute Otynia, Ukraine), deportiert aus dem Durchgangslager Mechelen (Belgien) nach Auschwitz am 19.4.1943
Charles Apteker, geb. am 13.10.1941 in Schaarbeek (Belgien), deportiert aus dem Durchgangslager Mechelen nach Auschwitz am 19.4.1943
Editha Apteker, geb. Goldmann, geb. am 23.11.1902 in Harburg, deportiert aus dem Durchgangslager Mechelen nach Auschwitz am 19.4.1943
Lisette Apteker, geb. am 16.9.1930 in Harburg, deportiert aus dem Durchgangslager Mechelen nach Auschwitz am 19.4.1943
Susanne Apteker, geb. am 6.11.1934 in Antwerpen, deportiert aus dem Durchgangslager Mechelen nach Auschwitz am 19.4.1943

Stadtteil Harburg-Altstadt, Rieckhoffstraße 8

Anna und Chaim Abraham Apteker (geb.10.4.1857–17.4.1924) gehörten mit ihren vier Kindern – Heinrich (geb. 8.2.1887), Nathan (geb. 3.1.1895), Julius (geb. 1.5.1897) und Robin (geb. 24.6.1899) – zu den jüdischen Familien, die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Ostgalizien (heute Ukraine) nach Harburg gelangt und hier sesshaft geworden waren. Nathan und Julius kämpften im Ersten Weltkrieg in den Reihen des kaiserlichen Heeres für die deutschen Fahnen. Nach seiner Rückkehr an die Elbe heiratete Nathan Apteker die Harburgerin Editha Goldmann, die ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte. Das junge Paar bezog eine Wohnung in der Heinrichstraße 8 (heute: Rieckhoffstraße), in der auch ihre Tochter Lisette aufwuchs. Nach dem Tode seines Vaters nahm Nathan seine Mutter zu sich. Mit Hilfe seines Schwiegervaters eröffnete der junge Ehemann in Harburg sehr schnell ein Strumpfwarengeschäft, von dem er sich in den Jahren der Weltwirtschaftskrise jedoch wieder trennen musste. Zum Glück konnte er als Angestellter bei der KEPA in Harburg ein neues Auskommen finden.

Als Sozialdemokrat und als Jude war Nathan Apteker den nationalsozialistischen Machthabern gleich doppelt suspekt. Bereits am 1. April 1933 erhielt er von seinem Arbeitgeber die fristlose Kündigung.

Da er sich keinen Illusionen über seine Zukunft in einem nationalsozialistischen Deutschland hingab, flüchtete er am 1. September 1933 mit Frau und Tochter nach Belgien. Seine Mutter folgte ihnen zwei Wochen später. Die Flüchtlinge konnten in der fremden Umgebung offenbar schnell Fuß fassen. Nathan Apteker eröffnete mit seinem gleichfalls aus Deutschland geflohenen Schwager Curt-Julius Goldmann bald ein kleines Restaurant in Antwerpen. Mit großer Freude begrüßte die ganze Familie am 6. November 1934 die Geburt der kleinen Susanne Apteker.

Das Glück endete, als deutsche Truppen am 10. Mai 1940 das neutrale Belgien überfielen. Die Familie flüchtete vorübergehend nach Nordfrankreich. In dieser Zeit wurde ihr Restaurant total verwüstet. Nach einigen Wochen kehrte Nathan Apteker mit seiner Familie nach Antwerpen zurück. Aber er durfte weder seine Gaststätte weiterführen noch irgendeine andere feste Beschäftigung gegen Bezahlung annehmen. Wovon sollte er jetzt seine Familie ernähren? Unter diesen Umständen blieb ihm nichts anderes übrig, als die vertraute Wohnung aufzugeben und in eine kleinere zu ziehen. Das Geld, das Nathan Apteker mit Gelegenheitsarbeiten verdiente, reichte kaum für das Allernotwendigste.

Die Situation spitzte sich weiter zu, als in dem Land auf Anordnung der Besatzungsmacht ein Judenrat gebildet wurde, die Association des Juifs en Belgique. Mit seiner Hilfe setzte die deutsche Militärverwaltung des Landes die Entscheidung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) vom Juni 1942 um, zunächst 10000 staatenlose Jüdinnen und Juden aus Belgien in die nationalsozialistischen Vernichtungslager im Osten zu verschleppen. Zum Ausgangspunkt dieser Transporte wurde das Städtchen Mechelen (Malines) in Flandern bestimmt, das für den Zweck ideale Voraussetzungen bot. Es liegt zwischen Brüssel und Antwerpen, den beiden belgischen Städten, in denen damals die meisten Juden lebten.

Am Rande des mittelalterlichen Stadtkerns befand sich eine nach dem General Dossin benannte Kaserne aus dem Jahre 1756. Sie bot eintausend Menschen Platz und verfügte über einen eigenen Bahnanschluss. Am 27. Juli 1942 wurde dieser Standort seiner neuen Bestimmung übergeben. Acht Monate später traf Nathan Apteker am 7. April 1943 mit seiner Familie im Sammellager Mechelen ein. Die Namen der sechs Familienmitglieder wurden unter den laufenden Nummern 1390–1395 in die Aufnahmeliste eingetragen.

Bis dahin hatten bereits 19 Deportationszüge mit 18492 Jüdinnen und Juden das Sammellager in Richtung Auschwitz verlassen. Da Kinder und alte Menschen keineswegs davon verschont geblieben waren, wuchsen bei den im Lager Internierten schnell die Zweifel an der offiziellen Version, dass die Menschen im Osten in Arbeitslager gebracht würden. Fluchtversuche aus den Transporten nach Auschwitz waren durchaus keine Seltenheit.

Am Abend des 17. April 1943 erfuhren die inzwischen über 1500 Internierten des Durchgangslagers Mechelen, dass der 20. Transport in ein Arbeitslager in Polen für Montag, den 19. April, geplant war. Am Morgen des besagten Tages rollte ein Güterzug in das Sammellager. Es dauerte den ganzen Tag, bis alle Wagen beladen waren. Eine Überlebende erinnert sich an diese Stunden vor der Abfahrt: "Die Angst der Menschen war an diesem 19. April fast körperlich zu spüren. Wir wussten nicht, was uns erwartete. Würde es sich zum Besseren wen­den? Vielleicht ginge es tatsächlich zur Arbeit. Oder würde es noch schlimmer werden?"

Um 22 Uhr verließ der Zug Nr. 801 mit 30 Waggons, wie geplant, das Lager Mechelen. Eine Stunde später wurde er zwischen Hacht und Boortmeerbeek von Joura Livchitz, einem jüdischen Studenten, mit einer roten Signalleuchte, die der Zugführer für ein Haltesignal hielt, gestoppt. Nachdem der Zug zum Stehen gekommen war, stürmten seine beiden Freunde Jean Franklemon und Robert Maistriau im Schutz der Dunkelheit auf den Bahndamm, um die Schiebetüren möglichst vieler Güterwagen zu öffnen. Das Wachpersonal merkte nicht gleich, dass es sich bei den Angreifern nur um drei Personen handelte, und eröffnete erst nach einigen Minuten das Feuer auf die Studenten und die ersten Flüchtlinge, die aus einem der Wagen befreit werden konnten. Insgesamt ergriffen 17 Transportteilnehmer an diesem frühen Abend die unverhoffte Chance zur Flucht. Trotz der anschließend stark verschärften Sicherheitsvorkehrungen flohen in den folgenden Nachtstunden noch weitere 214 Personen aus diesem Todeszug nach Auschwitz. 23 von ihnen starben im Kugelhagel des Begleitschutzes, die anderen überlebten dank vieler mutiger Belgier, die ihnen halfen.

Nathan Apteker und seine Familie gehörten nicht zu den Geretteten. Ihr Zug traf am 22. April in Auschwitz ein. Nach der Selektion wurden 245 Frauen und 276 Männer als Häftlinge in das Lager eingewiesen, während die übrigen 879 Menschen sofort in den Gaskammern getötet wurden. Zu ihnen gehörten auch Anna, Charles, Editha, Lisette und Susanne Apteker. Am 28. März 1949 wurden sie vom Amtsgericht Harburg auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Mit nur 14 anderen seines Transports überlebte Nathan Apteker die schwere Lagerzeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er als gebrochener Mann nach Antwerpen zurück. Er fand dort zunächst eine Anstellung als Betreuer in einem Heim für jüdische Waisenkinder und gründete später noch einmal eine Familie.

© Klaus Möller

Quellen: 4; 5; 8; StaH, 351-111, Abl. 2008/1; AfW, 030195; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Syna­goge; Kändler/Hüttenmeister, Friedhof; http://www Het Joods Museum van de Deportatie Verzet, E-Mail: jmdv@telenet.be v. 14.12.2009; Schreiber, Rebellen, S. 64ff; Gespräch des Verfassers mit Mario Goldmann vom 25.9.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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