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Bereits verlegte Stolpersteine



Margarethe Hemmerdinger * 1905

Hasselbrookstraße 68 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
MARGARETHE
HEMMERDINGER
JG. 1905
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Hasselbrookstraße 68:
Ida Hemmerdinger

Ida Hemmerdinger, geb. Igersheimer, geb. am 19.2.1872 in Heilbronn, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Margarethe Hemmerdinger, geb. am 22.2.1905 in Straßburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Hasselbrookstraße 68

Ida Hemmerdinger, geborene Igersheimer, und ihr Ehemann Nathan hatten ein bewegtes Leben im Raum Baden und Elsass-Lothringen hinter sich, bevor sie sich in Hamburg niederließen. Beide stammten aus jüdischen Familien und hatten drei Töchter, Auguste, geboren am 6. Dezember 1896, Erna, geboren am 6. Februar 1898, und Margarethe, geboren am 22. Februar 1905.

Ida Hemmerdinger war die Älteste der drei Kinder des Kaufmanns Hermann Igersheimer und seiner Ehefrau Hanna, geborene Levi aus Heilbronn. Fünf Jahre nach ihr wurde die Schwester Bertha geboren, zwei Jahre später ihr Bruder Otto.

Idas Ehemann, Nathan Hemerdinger, war am 6. Juni 1864 als Nathan Hemerdinger in Eichstetten am Kaiserstuhl in Baden zur Welt gekommen. Er war das zehnte der elf Kinder des Synagogendieners Maier Hemerdinger und seiner Ehefrau Auguste, genannt Guddel, geborene Ullmann. Deren Vorfahren stammten aus dem Elsass. Die Spuren der Familie Hemerdinger in Eichstetten verlieren sich vor der Jahrhundertwende. Guddel Hemerdinger starb nach 50 Ehejahren 1895, ihr Mann Maier überlebte sie um drei Jahre.

Ihre Tochter Ida und der sieben Jahre ältere Nathan Hemmerdinger heirateten im Februar 1896, vermutlich in Karlsruhe.

Ob Nathan Hemmerdinger schon vor der Heirat in Luxemburg lebte oder erst danach dorthin zog, ist nicht bekannt, jedenfalls befand sich das Ehepaar dort, als 1896 ihr erstes Kind, Auguste, geboren wurde. Zwei Jahre später kam die Tochter Erna ebenfalls in Luxemburg zur Welt. Um die Jahrhundertwende zog die Familie nach Straßburg, wo Margarethe geboren wurde.

Als nach dem Ersten Weltkrieg und dem Abschluss der Versailler Verträge das Elsass französisch wurde, optierte Nathan Hemmerdinger für Deutschland und verließ das Gebiet. Die Familie fand zunächst Unterkunft in Heilbronn bei Ida Hemmerdingers Verwandten.

Margarethe, die in Straßburg geborene Tochter, hatte dort bis zur Ausweisung durch die französischen Behörden im Jahr 1919 die Höhere Töchterschule besucht. Ob sie ihre Schulbildung in Heilbronn fortsetzte, ist nicht bekannt. Erna, die mittlere Tochter, erhielt eine Ausbildung als Zahntechnikerin.

Nathan Hemmerdinger begab sich auf Stellen- und Wohnungssuche nach Hamburg. In der Gneisenaustraße 29 in Hoheluft-West fand er eine Wohnung, holte seine Familie nach und machte sich mit einer Schuhwaren-Agentur selbstständig. Bei seinem Eintritt in die Deutsch-Israelitische Gemeinde am 6. Dezember 1922 zahlte er noch für den laufenden Monat 300 RM Gemeindebeitrag. Für das folgende Jahr wurde er mit 2000 RM veranlagt, jedoch Mitte des Jahres erließ man ihm die Zahlung, weil ihm als elsässischer Flüchtling sein Vermögen beschlagnahmt worden sei, er jedoch noch keine Entschädigung vom Reich erhalten habe. Margarethe arbeitete in der Firma ihres Vaters mit und zahlte, als Nathan Hemmerdinger die Probleme der Inflationszeit überwunden hatte und 1925 das Geschäft gefestigt war, regelmäßig Beiträge in die Angestelltenversicherung ein. Danach entrichtete Nathan Hem­merdinger nur noch einen einmaligen Beitrag an die Jüdische Gemeinde; er starb am 5. Juli 1926 im Alter von nur 62 Jahren. Mit seinem Tod erlosch die Firma, und die Tochter Margarethe musste sich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen. Sie fand ihn bei Unger, einem jüdischen Geschäft für Modewaren und Schuhe in den Alsterarkaden, und unterhielt fortan die Familie mit ihrem Gehalt. Ihr ordentliches Einkommen lässt sich auch aus ihren Kultussteuerzahlungen an die Jüdische Gemeinde ablesen.

Die politischen Umwälzungen nach der Machtübergabe an Adolf Hitler machten sich für Ida Hemmerdinger und ihre Töchter drastisch bemerkbar, insbesondere als die Firma Unger "arisiert" wurde. Ob ihr Umzug in die Hasselbrookstraße 68 damit zusammenhing, ließ sich nicht klären. Margarethe fand erneut eine Anstellung, diesmal als Schuhverkäuferin bei Salamander und, als sie dort entlassen wurde, bei Loeb & Co., ebenfalls einem Schuhgeschäft in Barmbek, bis sie 1936 arbeitslos wurde. Sie hatte am 26. Dezember 1934 eine Tochter zur Welt gebracht, die sie ebenfalls Margarethe nannte. Offenbar sorgte ihre Mutter für die Enkelin. Ida Hemmerdingers älteste Tochter, Auguste, hatte 1935 eine Stellung als Angestellte bei der Firma A. Frank & Co., einem Geschäft für Damen- und Kinderkonfektion in der Hamburger Straße 85, inne, die ihr ein geringes Einkommen sicherte.

Als erste der Töchter Ida Hemmerdingers emigrierte am 7. Februar 1935 die mittlere, Erna. Sie war zuvor nach Berlin gezogen und ging von dort nach Lissabon.

1937 schien es für kurze Zeit einen Lichtblick in Ida Hemmerdingers Leben zu geben: Aus der Erbschaft eines Bruders, der nach Chicago emigiert war, erhielt sie ca. 500 $, jedoch wurden diese direkt an die Reichsbank in Berlin überwiesen und dort einbehalten, so dass sie von der Erbschaft keinen Vorteil hatte.

Im Juli 1939 wanderte Auguste nach Großbritannien aus, im selben Jahr gelangte ihre vierjährige Nichte Margarethe, die Tochter ihrer Schwester Margarethe, nach England. Nach Kriegsbeginn gab es keinen Kontakt mehr zur Mutter bzw. zur Schwester in Hamburg. Auch die noch bestehende kleine Wohngemeinschaft von Ida Hemmerdinger und ihrer Tochter Margarethe in der Hasselbrookstraße 68 endete. Ida Hemmerdinger quartierte sich für zwei Monate bei Lina Lippmann ein, die ebenfalls aus Baden stammte und verwitwet war, in der Straße Saling 10 in Hamm (s. Stolpersteine in Hamburg-Hamm) und danach bei dem Kaufmann D. Philip im Grindelhof 68. Margarethe wohnte als Untermieterin bei der Witwe Margarethe Michelson in der Rothenbaumchaussee 99 und lernte in einer jüdischen Pension kochen. Mit diesen Kenntnissen ausgestattet, hatte sie verschiedene Stellungen in jüdischen Haushalten inne, bis sie 1940 zur Pflichtarbeit in einer Spinnerei in Wandsbek herangezogen wurde. Im Herbst desselben Jahres zogen Mutter und Tochter wieder zusammen und wohnten bei Kurt Salomon in der Rappstraße 18. Von Umzug zu Umzug und zur Deckung des Lebensunterhalts veräußerten die Frauen Teile des Haushalts, bis nichts mehr zu verkaufen übrig blieb. Ida Hemmerdinger erhielt ab Januar 1941 Wohlfahrtsleistungen und reiste im April in ihre Heimatstadt Heilbronn, wo sie bis zu ihrer Rückkehr nach Hamburg am 18. November 1941 bei ihren Geschwistern Berta, verwitwete Sternfeld, und Otto wohnte. Otto Igersheimer war bereits im April 1933 aus seiner Stellung als Direktor des "Heilbronner Bankvereins" durch die neuen Machthaber und einen Mob vertrieben worden, wonach er in der Jüdischen Gemeinde als Gemeindepfleger tätig wurde. Beide Geschwister wurden 1943 in Auschwitz ermordet.

Margarethe Hemmerdinger wurde am 4. Dezember 1941, mit der Berufsangabe Spinnereiarbeiterin, zum Transport nach Riga aufgerufen. Sie war 36 Jahre alt, galt als arbeitsfähig und damit geeignet, am vorgeblichen "Aufbau im Osten" mitzuwirken. Ihre Mutter Ida, 69 Jahre alt, ohne Beruf, kam dafür nicht mehr in Betracht, doch sie meldete sich freiwillig zur "Evakuierung" zusammen mit ihrer Tochter. Der Transport von 753 Personen verließ Hamburg am 6. Dezember 1941. Von beiden Frauen fehlt seither jede Spur.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 6; 9; StaH 314-15 OFP Oberfinanzpräsident – Devisenstelle, Abl. 1998, H 792, FVg 5133; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1760, 30116; 552-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Band 3 Deportationslisten; Stadtarchiv Heilbronn, B 11-79.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link Recherche und Quellen.

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