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Hans Wiese * 1908

Dithmarscher Straße 31 (Hamburg-Nord, Dulsberg)


HIER WOHNTE
HANS WIESE
JG. 1908
VERHAFTET 1937
KZ FUHLSBÜTTEL
TOT 3.5.1945
NEUENGAMME

Friedrich Wilhelm Gustav Hans Wiese, geb. am 18.4.1908 in Hamburg, in den 1930er Jahren mehrfach inhaftiert,1939 KZ Fuhlsbüttel, 1941 KZ Neuengamme, gestorben vermutlich am 3.5.1945 beim Untergang der "Cap Arcona"

Dithmarscher Straße 31

Hans Wiese kam 1908 als Sohn des Buchdruckers Gustav Wiese und der Dora, geb. Germen, in Hamburg zur Welt, er hatte eine jüngere Schwester und einen jüngeren Bruder. Der Vater galt im Ersten Weltkrieg seit 1916 als vermisst. Bis 1923 besuchte Hans Wiese die Seminarschule an der Wallstraße in Hohenfelde, danach absolvierte er eine viereinhalbjährige Werkzeugmechanikerlehre, fand danach jedoch nur kurze Zeit eine Stellung als Geselle. Seit 1928 war sein Berufsleben durch Arbeitslosigkeit und geringfügige Beschäftigungen als Bote und Platzanweiser geprägt, bis er 1935 eine Beschäftigung im Schiffbau bei den Deutschen Werken erhielt.

Bereits zum Ende der Weimarer Republik kam Hans Wiese, der sich selbst als homosexuell bezeichnete, aufgrund seiner Veranlagung mit dem Gesetz in Konflikt. 1932 wurde er wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" zum ersten Mal bestraft. Der § 183 kam vor allem vor der Verschärfung des § 175 durch die Nationalsozialisten im Jahre 1935 zur Anwendung, wenn der Austausch von Zärtlichkeiten oder sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit beobachtet wurden. Zur Ermittlung solcher "Delikte", legten sich Polizeistreifen bereits in der Weimarer Republik in der Dunkelheit an einschlägigen Treffpunkten auf die Lauer.

Eine weitere Verurteilung nach § 183 zu einem Monat Gefängnis erhielt Hans Wiese im September 1934 vom Hamburger Amtsgericht. Er gab später an, im September 1936 erneut festgenommen worden zu sein, aktenkundig wurde ein Zugang vom 11. Dezember 1936 wegen des Vorwurfs der "widernatürlichen Unzucht" in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt. Das Schöffengericht des Amtsgerichts Hamburg verurteilte ihn daraufhin im Januar 1937 nach § 175 zu einem Jahr Gefängnishaft, die er bis Dezember 1937 in Männer­gefängnis Fuhlsbüttel absaß.

Die polizeiliche Vernehmung eines Sexualpartners brachte die Kripo im April 1939 erneut auf die Spur von Hans Wiese, der im Mai 1938 in der Staatsoper Freundschaft mit einem 22-jährigen Friseurgehilfen geschlossen hatte. Die Folge war eine erneute Verhaftung durch das für homosexuelle Delikte zuständige 24. Kriminalkommissariat und zunächst vom 13. bis 22. Mai 1939 eine Inhaftierung im KZ Fuhlsbüttel. Bei seiner Überstellung in die reguläre Untersuchungshaft wurde auf der Karteikarte "Selbstmordgefahr" notiert. Während der in dieser Zeit durchgeführten umfangreichen Verhöre gab Wiese schließlich neun Kontakte mit Männern zu, darunter auch mit dem gleichaltrigen Karl Lüdemann, mit dem er, wie im Urteil des Amtsgerichtsrats Julius Fedder im Juni 1939 betont wurde, "ein regelrechtes Verhältnis" unterhielt und sich "alle 8–10 Tage" traf.

"Den Namen des L. hätte er bis zuletzt verschwiegen, da dieser sein bester Freund sei". Bedeutsam für sein weiteres Schicksal waren die abwertenden Zuschreibungen im Urteil, wonach er sich "niemals ernstlich um Arbeit bemüht, sondern in den Tag hinein gelebt" habe. Aus diesen Gründen wurde er wegen "fortgesetzten Vergehens gegen § 175" nunmehr zu einer zweijährigen Gefängnishaft verurteilt, die er von Juli 1939 bis 12. Mai 1941 im Strafgefängnis Wolfenbüttel absaß. Sein im Oktober 1940 ge­stelltes Gnadengesuch um vorzeitige Entlassung und Einsatz an der Kriegsfront wurde nicht befürwortet, weil "der Strafzweck ... ohnehin nicht voll erreicht werden" würde. So verwundert es nicht, dass er nach der Entlassung aus der regulären Strafhaft am 12. Mai 1941 für die Kripo Hamburg in "polizeiliche Vorbeugungshaft" genommen wurde. Am 12. Juli 1941 ist sein Zugang im KZ Neuengamme als Befristeter Vorbeugungshäftling, "B.V. Homo", mit der Häftlingsnummer 5812 aktenkundig. In den in der Gedenkstätte Neuengamme überlieferten Laboruntersuchungsbüchern wurde er in vom Februar 1942 bis Januar 1944 mehrfach erwähnt. Die vom Sommer bis Herbst 1944 als Lochkarten erstellten Karteikarten des SS-Wirtschafts-Hauptamtes führten Hans Wiese als "Mechaniker" auf.

Nach dem Krieg getroffene Zuschreibungen, u. a. auf der "Totenliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter 1933–1945", weisen ihn mit dem Verfolgungsgrund "Vorbereitung zum Hochverrat" und dem Todesdatum 3. Mai 1945 auf der "Cap Arcona" aus. Nur Letzteres ist wohl als wahrscheinlich anzunehmen, da auch der Neuengamme-Überlebende Heinz Dörmer ausgesagt hat, Hans Wiese sei erst nach der Evakuierung im April 1945 ums Leben gekommen.

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 213-8 (Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung), Abl. 2, 451 a E 1, 1 d; StaH 242-1II (Gefängnisverwaltung II), Ablieferungen 13 und 16; StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht –Strafsachen), 5116/39; Bundesarchiv, NS 3/1755; Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann/Gottlieb Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969, Hamburg 2009, S. 267; KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Auskunft Dr. Reimer Möller, Dezember 2008.

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