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Willy Unger * 1908
Schenkendorfstraße 30 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)
HIER WOHNTE
WILLY UNGER
JG. 1908
VERHAFTET 1939
EMSLANDLAGER
FLUCHT IN DEN TOD
22.1.1943
Willy Erich Georg Unger, geb. 19.9.1908, inhaftiert 1938–1940, Selbstmord am 22.1.1943 in Hamburg
Schenkendorfstraße 30
Mit "wechselseitige Onanie im Mittelmeer" beginnt eine Aufzählung von Sexualpraktiken, die das Landgericht Hamburg dem knapp 30-jährigen Willy Unger auf seinen zum Teil drei Jahre zurückliegenden Fahrten als Steward der Levante-Linie und der HAPAG vorhielt. Ausgelöst wurden die umfangreichen Nachforschungen in seinem Privatleben durch eine Anzeige seines letzten Vorgesetzten, dem Kapitän des HAPAG-Dampfschiffes "Ionia", im April 1938 bei der Hamburger Polizei. Dieser hatte von den "homosexuellen Umtrieben" des 1.Stewards mit jugendlichen Besatzungsmitgliedern Kenntnis erhalten. Am 3. Mai 1938 wurde Unger in Untersuchungshaft genommen.
Der am 19. September 1908 in Hamburg als Sohn des Wilhelm Unger und der Frida, geb. Hopp, geborene Willy Unger begann 1923 zunächst eine kaufmännische Lehre in einem Ex- und Importgeschäft und fuhr dann für ein Jahr als Küchenjunge zur See. Bis 1930 war er dann als kaufmännischer Angestellter in Hamburg tätig. Danach fuhr er erneut zur See, nunmehr als Steward auf dem Dampfer "Ruhr" auf Ostasienfahrt, später dann als 1. Steward für die HAPAG auf dem Dampfer "Ionia" im Mittelmeer.
Seine Verurteilung wegen versuchten und vollendeten Verbrechens nach §175 a Ziffer 3 in vier und wegen Vergehens nach §175 in sechs Fällen führte im September 1938 zu einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren, die er in Fuhlsbüttel und ab Ende Februar 1939 in verschiedenen Emslandlagern wie dem in Börgermoor absitzen musste. Nach seiner am 1. Mai 1940 erfolgten Freilassung arbeitete er als Kellner in Hamburg.
Möglicherweise geriet Willy Unger Anfang 1943 wieder ins Visier der Hamburger Kripo, denn am 22. Januar 1943 nahm er sich in seinem Zimmer in der Schenkendorfstraße 30, wo er im 3. Stockwerk zur Untermiete wohnte, mithilfe von Gas das Leben. Als nach seinem Tode zu benachrichtigenden Personen wurde neben seiner Schwägerin Erna Unger auch sein Freund Max Paustian genannt, der sich seinerseits 1940–1941 wegen des §175 in Haft befand.
© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann
Quellen: StaHH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 10587/39; StaHH, 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 337/43; StaHH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 e; StaHH, 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 und 16; Staatsarchiv Osnabrück, Rep. 947 Lingen II Nr. 7227; B. Rosenkranz/U. Bollmann/G. Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969, S. 263. Auskünfte Rainer Hoffschildt, Hannover und Christian-Alexander Wäldner, Ronnenberg-Weetzen, aus 2009 und 2010.