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Hugo Rosenberg * 1868

Hammer Landstraße 80 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
HUGO ROSENBERG
JG. 1868
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 14.11.1943

Huo Rosenberg, geb. 12.3.1868 in Hamburg Tod am 14. Nov. 1943 in Hamburg

Am 14. November 1943 starb der jüdische ehemalige Druckerei- und Verlagsinhaber Hugo Rosenberg in einem sog. Judenhaus in der Rappstraße 15 im Grindelviertel im Alter von 75 Jahren, umsorgt von seiner nichtjüdischen Ehefrau Emma. Sie hatten zunächst gutbürgerlich in einer sog. "privilegierten Mischehe" gelebt, bis sich Hugo Rosenbergs Lebenskräfte durch jahrelange Entrechtung, Entwürdigung und soziale Deklassierung erschöpften.

Hugo Rosenbergs Vater, Michaelis Rosenberg, geb. am 30. August 1833 in dem Marktflecken Mirow-Strelitz in Mecklenburg, kam Mitte der 1850er Jahre nach Hamburg. Er hatte seinen Geburtsort verlassen, weil er dort keine Lebensgrundlage als Buchdrucker sah, und absolvierte eine Lehre als Schriftsetzer in Berlin. Nach seiner Übersiedelung nach Hamburg arbeitete er mit großem Erfolg in den Buchdruckereien Menck und Bernstein. Einerseits vervollkommnete er seine Kenntnisse und Fähigkeiten, so dass er sich selbstständig machen konnte, zum andern sparte er 10.000 Mark, die es ihm ermöglichten, die hamburgische Staatsangehörigkeit zu erwerben. 1862 erhielt er den Bürgerbrief und die Mitgliedsbestätigung der Aufnahme in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg.

Hugo Rosenbergs Mutter, Marie, geborene Scherer, war zehn Jahre jünger als ihr Ehemann. Sie stammte aus Fürth, wo sie am 3. August 1843 zur Welt kam. Bekannt sind fünf ihrer Kinder, zwischen 1865 und 1880 geboren: Hermine, genannt Mimi, geb. 4. September 1865, Martin, geb. 17. März 1867, Hugo, ein Jahr später geboren am 12. März 1868; Franziska, kam am 26. Juli 1869 in Altona zur Welt, und als jüngster wurde Ernst geboren, am 14. März 1880 in Mirow, dem Geburtsort seines Vaters. Die Geschwister blieben einander trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege, die jedoch alle durch Hohenfelde führten, hilfreich verbunden.

Michaelis Rosenberg betrieb eine Buchdruckerei in St. Georg, wo er auch wohnte. 1892 war er Hansaplatz 12 gemeldet, zwei Jahre später Lange Reihe 102, 1909 zog er nach Hohenfelde, in den Mühlendamm 12. Im Frühjahr 1914 siedelte er in den Grindelhof 66 über, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Er starb im Alter von bald 83 Jahren am 6. Juli 1916 im Israelitischen Krankenhaus.

Nach seinem Tod zog seine Witwe Marie zu ihrem Sohn Martin nach Groß Borstel in den Holunderweg 7 und 1919 mit ihm in die Hartwicusstraße 8 auf der Uhlenhorst. Im Oktober 1919 meldete sie sich nach Pinneberg ab. Nach ihrer Rückkehr ein Jahr später zog sie zu ihrer Tochter Hermine Danziger in die Rothenbaumchaussee 109. Am 21. Dezember 1921 meldete sie sich nach Niendorf ab, wo sie in der Boltenallee 4 bei dem Postagenten Joachim Spehr zur Untermiete wohnte. Dort starb sie am 28. Oktober 1922.

Die Älteste, Hermine Rosenberg, heiratete den jüdischen Kaufmann und Prokuristen John Danziger aus Hohenfelde. Er starb bereits in den 1920er Jahren. Ihr Sohn Fritz war im Ersten Weltkrieg gefallen, die beiden Töchter Lissie und Elly heirateten und zogen nach Berlin, wo schon ihre Tante Franziska mit ihrer Familie lebte.

Franziska Rosenberg wurde am 24. August 1894 mit dem zehn Jahre älteren Simon Nathan getraut. Sein Vater war Zigarrenfabrikant gewesen, ein Bruder war der Brauerei-Direktor Ludwig Nathan. Simon Nathan war am 29. Januar 1859 in Hamburg geboren worden und wurde Opernsänger. Vermutlich im Zusammenhang damit nannte er sich Siegmund Schwabe (näheres über die Namenswechsel ist wegen des Verlustes der entsprechenden Akten nicht bekannt.).

Er verließ Hamburg, kehrte aber 1892 als lediger Opernsänger, aus Schwedt kommend, zurück und wurde am Familienwohnsitz Bleicherstraße 27 auf der Uhlenhorst gemeldet. Noch im selben Jahr ging er nach Königsberg, vermutlich für ein neues Engagement, und kehrte 1893 besuchsweise nach Hamburg zurück. Im September 1893 zog er, offenbar wieder aus beruflichen Gründen, nach Straßburg, kam aber zur Eheschließung kurzfristig nach Hamburg. Franziska Rosenberg zog mit ihm nach Straßburg, wo der ältere ihrer beiden Söhne, Erwin, am 20. Juli 1895 geboren wurde.

1896 nahm die Familie ihren Wohnsitz für die nächsten fünf Jahre in Hamburg, auf der Uhlenhorst (zunächst Arndtstraße 20, dann Zimmerstraße 35). Damit fielen der Berufswechsel zum Kaufmann und eine Rückkehr zum Geburtsnamen zusammen.
Am 2. November 1897 kam der Sohn Paul Michel zur Welt. Am 23. März 1901 meldete sich Simon Nathan mit seiner Familie nach Berlin ab, wo er vor Beginn der Judenverfolgung starb.

Die drei Söhne bzw. Brüder gingen Ehen mit nichtjüdischen evangelischen Frauen ein, als erster Martin. Martin Rosenberg führte bis zur Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre ein Bankgeschäft in der Mönckebergstraße 15. Seinen Wohnsitz hatte er bis 1917 in Groß Borstel im Holunderweg 7.

Nach seiner Heirat mit der 18 Jahre jüngeren Ida Heitfeld zog er auf die Uhlenhorst in die Hartwicusstraße 8. Die beiden Kinder, Edith, geb. 30. Oktober 1911, und Gert oder Gerd, geb. 22. Juni 1915, gehörten wie ihre Mutter der evangelischen Kirche an. 1937 trat Martin Rosenberg auch zum Christentum über, und die Familie zog nach Hohenfelde in die Armgartstraße 30. Infolge der antijüdischen Maßnahmen hatte Martin Rosenberg das Bankgeschäft ganz aufgegeben und versuchte, sich als Makler durchzuschlagen, aber ohne nennenswerten Erfolg. Der Religionswechsel verhinderte nicht, dass er bei der Volkszählung 1939 mit seinen Kindern als "Jude" erfasst wurde. In seinem Haushalt aufgeführt wurde außerdem ein neunjähriger Junge aus Stockelsdorf bei Eutin. Das weitere Ergehen der Familie ist noch zu erforschen.

Der jüngste Bruder, Ernst, heiratete (am 25. August) 1911 die sieben Jahre jüngere Erna Maria Hundt. Ihr Vater war von Haus aus Buchbinder und hatte ins Kaufmännische gewechselt. Ihre beiden Kinder, die Tochter Alix, geb. 9. September 1912, und der Sohn Fred, geb. 13. Februar 1914, wurden evangelisch erzogen. Die Familie wohnte in Hohenfelde, zunächst Mühlendamm 47, danach Mundsburger Damm 35 und schließlich Ifflandstraße 86. Wann Ernst der jüdischen Gemeinde beitrat, ließ sich nicht ermitteln; erst 1920 wurde er besteuert. Während er in der Inflationszeit keine finanziellen Einbußen erlitt, erreichte er in den folgenden Jahren nie wieder ein nennenswertes Einkommen.

Die Familie wurde vermutlich ausgebombt und in den Harz evakuiert. Dass Erna Rosenberg am 14. November 1943 in Bad Harzburg starb, ließe sich mit der Evakuierung dorthin erklären. Mit ihrem Tod verlor Ernst den immerhin geringen Schutz der "privilegierten Mischehe". Nach seiner Rückkehr nach Hamburg musste er in das "Judenhaus" Bornstraße 22 ziehen. Dort erreichte ihn der Aufruf zur Deportation in das Getto von Theresienstadt am 30. Januar 1945, wohin er mit dem Transport I/122 von Berlin am 3. Februar gelangte. Ernst Rosenberg wurde befreit, kehrte nach Hamburg zurück und starb am 13. Mai 1960 im Alter von 80 Jahren.

Hugo Rosenberg folgte als einziger der Söhne beruflich seinem Vater und übernahm am 1. Juni 1900 die Druckerei Max Täschner Nachfolger. Mit der Sanierung des Gängeviertels verlegte er den Betrieb von der Jacobi Passage 6 zum Besenbinderhof 71/72 und von dort in die Spaldingstraße 64-68 in Hammerbrook. Er wohnte noch einige Zeit Lange Reihe 102 bei seinen Eltern in St. Georg, bevor er nach Hamm zog, in den unterhalb des Geesthangs gelegenen Teil "Unten Hamm". Während der Kriegs- und Inflationszeit hatte er größte Mühe, seinen Steuerpflichten nachzukommen. Danach jedoch wuchsen sein Einkommen und Vermögen.

Wie seine Urenkelin sagte, war Hugo Rosenberg ein Hagestolz und heiratete erst im Alter von 46 Jahren. Die Hochzeit fand am 19. März 1914 statt. Seine Frau, Emma Bartels, geb. 21. Mai 1877, war die Tochter eines Ewerführers und brachte zwei Söhne mit in die Ehe, Walther und Andor. Beide Partner wohnten damals Pröbenweg 30 in Hamm. Während bei den Eheschließungen der Geschwister, wie traditionell üblich, Michaelis Rosenberg und seine Entsprechung auf der angeheirateten Seite als Trauzeugen fungierten, waren es bei Hugo und Emma Rosenberg ein junger Bahnarbeiter aus der Nachbarschaft am Pröbenweg und ein Sattlermeister vom Hammer Deich. Emmas Eltern waren bereits beide verstorben, und Michaelis Rosenberg war vermutlich bereits zu gebrechlich; zwei Jahre später starb auch er.

Nach der Heirat zog die Familie in die Hammer Landstraße 71, die sonnige Hangseite der Straße, und von dort in die Nr. 80. Hugo Rosenberg erwarb als Alterssicherung zwei Grundstücke in Hamm, 1925 das eine Diagonalstraße 21/23, Ecke Droopweg gelegen, für einen Kaufpreis von 44.000 RM, drei Jahre später (1928) das andere Hammer Weg 35, für 58.500 Goldmark. Der Familie ging es materiell gut, auch noch, nachdem aufgrund der antijüdischen Maßnahmen die Geschäfte rückläufig waren und Anfang 1936 die Firma erlosch. Es blieben Hugo Rosenberg Rücklagen und Mieteinkünfte.

Der Novemberpogrom 1938 bedeutete eine weitere Eskalation der Entrechtung und Ausplünderung der Juden. Hugo Rosenberg überschrieb daraufhin am 26. November 1938 die Grundstücke an seine Ehefrau. Sie konnte keineswegs darüber frei verfügen, denn der Oberfinanzpräsident unterwarf die Eheleute gemeinsam einer Sicherungsanordnung, die das gesamte Vermögen der beiden betraf. Emma Rosenberg zahlte aus der Schenkung die Judenvermögensabgabe und Sühneabgabe, zehn Jahre Hauszinssteuer im Voraus etc. etc., was bedeutete, dass sie die Grundstücke mit Hypotheken belasten musste. Dem Ehepaar wurde ein monatlicher Freibetrag von 500 RM zugestanden, der ihnen die Weiterbeschäftigung einer Haushaltshilfe gestattete. Sie unterstützten zudem die Schwester Hermine Danziger, den Bruder Martin Rosenberg und den Sohn Walther Bartels. Emma Bartels weigerte sich, dem Druck der Gestapo nachzugeben und sich scheiden zu lassen.

Hermine Danziger wohnte ab Oktober 1935 für einige Monate bei ihnen, bevor sie 1936 zu ihren Töchtern nach Berlin zog. Von dort wurde sie am 24. August 1942 zusammen mit ihrer Schwester Franziska Nathan in das Getto von Theresienstadt deportiert wurde. Franziska starb dort am 29. November 1942 im Alter von 73 Jahren, Hermine drei Wochen später, am 20. Dezember, 77 Jahre alt.

Nach Einführung der Kennzeichnungspflicht am 13. März 1942 für Wohnungen, in denen Juden lebten, mussten Emma und Hugo Rosenberg ihre Wohnung aufgeben. Sie bezogen zwei Zimmer in der Grindelallee 153, konnten dort aber auch nicht lange bleiben und kamen in der Bornstraße 22, einem "Judenhaus", unter. Schließlich quartierte die jüdische Gemeinde sie in einem Zimmer in der Rappstraße 15 ein. Hugo und Emma Rosenberg erlebten dort die Zerstörung Hamburgs durch die Luftangriffe im Juli/August 1943, wobei auch ihre Mietshäuser in Hamm durch den Feuersturm total zerstört wurden. Am 14. September 1943 starb Hugo Rosenberg in dem einen Zimmer, das ihm und seiner Frau geblieben war.

Epilog

Emma Rosenberg besaß zwar nach dem Ende des Krieges zwei Grundstücke, doch waren sie als Trümmergrundstücke lange Zeit wertlos. Sie lebte in Armut und starb am 24. Februar 1956 in Hamburg.

© Hildegard Thevs

Quellen: BA, Volkszählung 1939; Gedenkbuch; StaH, 332-4 Aufsicht über die Standesämter, IV B 2, Band 1; IV B 3 k 559/III 18/1894V B 3 d 1927; Meldewesen; 332-5 Standesämter, 749-603/1916; 2143-2853/1880; 2321-116/1893; 2352-1104/1894; 2736-599/1889; 2827-808/1894; 3250-130/1914; 4635-494/1960; 6364-2973/1897; 6482-386/1911; 8327-38/1922; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 39567; 522-1 Jüdische Gemeinden, Kultussteuerkartei; 992 e 2 Bd 5; Handelsregister Abt. A 11555; div. AB; Duckesz, Eduard, Familiengeschichte des Rabbi Lase Berlin in Hamburg, Hamburg 1930; Theresienstädter Gedenkbuch.

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