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Leo Jacobsohn * 1888

Wetternstieg 4 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
LEO JACOBSOHN
JG. 1888
DEPORTIERT 1945
THERESIENSTADT
TOT 26.5.1945

Leo Jacobsohn, geb. am 31.7.1888 in Altona, am 14.2.1945 deportiert nach Theresienstadt, dort am 26.5.1945 verstorben

Stadtteil Harburg-Altstadt, Wetternstieg 4

Als Leo Jacobsohn geboren wurde, waren seine Eltern Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Altonas. Hier verlebte er seine frühe Kindheit. Doch schon bald rückte die benachbarte Hansestadt Hamburg stärker in sein Blickfeld. Zunächst besuchte er die Talmud Tora Schule an den Kohlhöfen und dann absolvierte er eine kaufmännische Lehre bei der Großhandelsfirma J. Markus (Bijouterie und Lederwaren) im Großen Burstah. Danach folgten weitere Jahre im Dienste dieser Firma.

1913 heiratete Leo Jacobsohn im Alter von 25 Jahren Frieda Mehrens, die aus einer nichtjüdischen Familie stammte. Am 22.8.1914 wurde ihre Tochter Ursula geboren. Die junge Familie bezog eine gutbürgerlich eingerichtete Wohnung in der Alardusstraße in Hamburg-Eimsbüttel, in der sie 25 Jahre lang Freud und Leid miteinander teilten.

Im Ersten Weltkrieg kämpfte Leopold Jacobsohn in den Reihen des deutschen Heeres für Kaiser und Vaterland. Als er 1919 heimkehrte, wagte er einen beruflichen Neustart. Er gründete eine Vertretung für Offenbacher Lederwaren, die flächenmäßig Hamburg und Umgebung umfasste. Sein monatliches Einkommen inklusive Provisionen schwankte je nach Konjunkturlage zwischen 600 und 750 RM. Regelmäßig reiste die Familie in diesen Jahren im Sommer an die Ostsee, um sich in Grömitz für mehrere Wochen zu erholen.

Das Blatt wendete sich schnell nach 1933. Leo Jacobsohns Einkommen sank rapide, als einer seiner wichtigsten Geschäftspartner 1934 auswanderte und seine Firma einem "arischen" Inhaber überließ, der an einer Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht interessiert war. Weitere Umsatzeinbußen folgten, als Leo Jacobsohn 1938 jede berufliche Betätigung außerhalb Hamburgs verboten wurde.

Obwohl Frieda Jacobsohn nicht unmittelbar von den antijüdischen Maßnahmen der Nationalsozialisten betroffen war, erschwerten diese doch ihr Leben, vor allem, als ihr Mann während des Pogroms im November 1938 verhaftet wurde und die nächsten acht Wochen im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und im KZ Sachsenhausen bei Berlin verbringen musste.

Nach seiner Freilassung bemühte Leo Jacobsohn sich intensiv um eine Ausreise in die USA. Schritt für Schritt versuchte er, die bürokratischen und finanziellen Hürden zu nehmen, die die NS-Regierung inzwischen aufgebaut hatte. In diesem Zusammenhang kündigte er auch die Wohnung in der Alardusstraße. Die Familie musste den Großteil ihrer Möbel und ihres Hausrats zu Spottpreisen verkaufen oder gar verschenken. Es ist nicht bekannt, woran die Auswanderung dann im allerletzten Augenblick scheiterte. Die zuständige Polizeidienststelle hatte in ihren Akten bereits vermerkt, sie habe sich nach Antwerpen abgesetzt. Doch das stimmte nicht: Leo Jacobsohn zog mit seiner Familie noch 1939 zur Untermiete in ein Haus in der Heinrich-Barth-Straße ein.

Nachdem einzelne "Nichtarier", die Wohlfahrtsunterstützung erhielten, in Hamburg bereits seit 1935 zu Zwangsarbeiten herangezogen worden waren, wurde diese Form des Arbeitseinsatzes von Juden zu Beginn und ganz besonders im Verlauf des Zweiten Weltkriegs weiter verschärft. Am 4. März 1941 erließ der Reichsarbeitsminister eine Anordnung, nach der sich alle 15- bis 65-jährigen Juden zum Arbeitseinsatz zu melden hätten. Ab Juni 1942 hatte Leo Jacobsohn für die Firma Semmelhack & Wulf im Grindelhof Zwangsarbeit zu leisten, die mit einem Wochenlohn von 27,36 RM vergütet wurde. Ein "Arier" erhielt mindestens doppelt, wenn nicht dreimal so viel.

Als die Wohnung in der Heinrich-Barth-Straße bei den schweren Luftangriffen auf Hamburg im Juli 1943 völlig zerstört wurde, bekam Leo Jacobsohn eine Unterkunft zunächst am Reeseberg und dann am Lerchenweg 4 (heute: Wetternstieg) in Hamburg-Harburg zugewiesen.

Am 14. Februar 1945 gehörte er zu dem 161 Männern und 115 Frauen, die mit "deutschblütigen" Ehepartnern" verheiratet waren und zum "auswärtigen Arbeitseinsatz" nach Theresienstadt abkommandiert wurden. 82 Personen kamen der Aufforderung nicht mehr nach. Sie hatten sich frei- oder zurückstellen lassen, ärztliche Atteste besorgt oder sich einfach irgendwo versteckt.

Der Zug brauchte insgesamt neun Tage für die Fahrt von Hamburg nach Theresienstadt. Mehrfach musste er auf offener Strecke oder in Bahnhöfen – nicht selten stundenlang – anhalten, um das Ende eines Luftalarms abzuwarten oder kriegswichtige Transporte passieren zu lassen.

In Theresienstadt trafen in den folgenden Wochen laufend weitere Züge und Marschkolonnen mit Tausenden von halb verhungerten und völlig erschöpften Menschen aus den ge­räumten Konzentrationslagern im Osten ein. Die Lage geriet Ende April 1945 außer Kon­trol­le, als das Getto von einer Flecktyphusepidemie heimgesucht wurde. Mit einer Quarantäne, die über dem gesamten Bereich der alten Garnisonsstadt verhängt wurde, unterband die Rote Armee nach der Befreiung des Gettos ein Übergreifen der Epidemie auf andere Orte. Sie konnte allerdings nicht verhindern, dass innerhalb des ehemaligen Gettos noch viele Überlebende nach Kriegsende umkamen. Obwohl Ärzte und Sanitäter praktisch rund um die Uhr im Einsatz waren, konnten sie keine Wunder vollbringen. Auch Leo Jacobsohns Leben war in jenen Tagen nicht zu retten. Er starb, obwohl schon befreit, am 26. Mai 1945.

© Klaus Möller

Quellen: 1; 2 (FVg 3790, R 1941/62); 5; 7; 8; StaH, 351-11, 10932; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Synagoge; Gottwaldt/Schulle, "Judendeportationen", S. 467f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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