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Bereits verlegte Stolpersteine



Hans Viktor Meyer, Aufnahme aus der Häftlingspersonalakte
© StaH

Hans Viktor Meyer * 1877

Hammer Straße 38 (Wandsbek, Marienthal)


HIER WOHNTE
HANS VIKTOR MEYER
JG. 1877
VERHAFTET 1941
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Hans Viktor Meyer, geb. 13.6.1877 Berlin, 1941 Zuchthaus Fuhlsbüttel, 10.12.1942 KZ Auschwitz, ermordet

Hammer Straße 38 (früher: Hammer Straße 56)

Hans Viktor Meyer lebte mit Unterbrechungen bis 1935 in Berlin, wo er am 13.6.1877 geboren worden war. Seine Eltern, Siegbert Meyer und Bertha, geb. Oppenheimer, stammten aus gutbürgerlichen jüdischen Familien. Siegbert Meyer schrieb unter seinem Namen und unter dem Pseudonym Siegmey kulturhistorische Romane und komische Literatur. Er starb, bevor Hans Viktor eingeschult wurde, 1883 im Alter von 43 Jahren. Auf diesem familiären Hintergrund besuchte Hans Meyer das französische Gymnasium und wechselte am Ende der Untertertia auf das Realgymnasium in Charlottenburg, wo er seine Schulzeit um 1894 beendete.

Mit dem Abschluss des Einjährigen begann er eine kaufmännische Ausbildung bei der Metall & Galanteriewarenfabrik Hornpasch Gebr. in Berlin, wo er nach beendeter Lehre als Expedient weiter arbeitete. Auf eigenen Wunsch und mit geringem Eigenkapital ausgestattet, übernahm er 1901 in London die Vertretung dieses Hauses und anderer namhafter Firmen für England und seine Kolonien. Geschäftlich wirkte sich der Burenkrieg in Südafrika sehr negativ aus, weshalb Hans Meyer 1904 nach Deutschland zurückkehrte und sich in Berlin als Handels- und Exportvertreter niederließ.

Er betrieb ein Exportmusterlager für mehrere deutsche Firmen, das besonders auf ausländische Einkäufer ausgerichtet war. Sein Sortiment umfasste Schreib-, Galanterie- und Haushaltswaren. Er bereiste für seine Auftraggeber Firmen in Mittel- und Norddeutschland und stellte auf den Leipziger Messen aus. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er vielfältig ehrenamtlich aktiv, z.B. als Vormund und Helfer des Vorstehers seines Berliner Bezirks.

Während des Ersten Weltkrieges wurde Hans Meyer als nur garnisonsverwendungsfähig eingestuft, wegen seiner englischen Sprachkenntnisse beschäftigte man ihn als Schreiber und Ordonnanz in dem englischen Zivilgefangenenlager in Ruhleben. Er strebte jedoch eine Verwendung als Sanitätssoldat an und nahm zur Qualifizierung nebenbei an einem Kursus des Roten Kreuzes teil. Aufgrund von Beziehungen erreichte er einen Einsatz für die Betreuung und Begleitung von Verletzten in einem Feldlazarett bei Arras-Cambrai.

Noch während des Krieges, am 4. Oktober 1917, heiratete er die vierzehn Jahre jüngere Else Margarethe Albertina, geb. Klemmer, in Berlin-Schöneberg. Else, geb. 8.8.1891 in Stettin, stammte aus einer evangelischen Arbeiterfamilie und wohnte zur Zeit ihrer Eheschließung in Berlin-Lichterfelde. Am 24.12.1919 kam ihr Sohn Hans-Georg zur Welt. Er wurde in der evangelischen Kirche getauft und konfirmiert. 1925 wurde er eingeschult und wechselte 1930 auf die Oberrealschule in Schöneberg.

Wenn Hans Meyer nicht auf Reisen war, verlebte die Familie viel Zeit in ihrem Schrebergarten.

1932 starb Else Meyer in Nowawes bei Potsdam an den Folgen einer langwierigen schweren Krankheit. 1934 verließ Hans-Georg mit der Obertertia die Schule und begann eine Drogistenlehre bei der Firma F. Reichelt A.G. in Berlin. Bis 1935 hielt Hans Meyer neben seiner Wohnung noch das Musterlager bei.

Wegen seiner jüdischen Herkunft verlor er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme seine Hauptlieferanten. Die ihm verbliebenen Vertretungen reichten zur Deckung des Lebensunterhalts nicht aus. Ein Hamburger Geschäftsfreund bot ihm an, nach Hamburg überzusiedeln und für ihn zu arbeiten. Er hatte dort eine weitere Anlaufstelle, den Rechtsanwalt Paul Oppenheimer, einen Bruder seiner Mutter Bertha (www.stolpersteine-hamburg.de, Alice Oppenheimer).

Im August 1935 zog Hans Meyer also mit seinem Sohn nach Hamburg und arbeitete selbstständig für den Geschäftsfreund. Hans-Georg beendete seine Lehre bei der Hamburger Filiale seiner Lehrfirma. Im August 1938 musste Hans Meyer seinen Betrieb einstellen.

Es gibt keine Hinweise auf Auswanderungsabsichten Hans Meyers und seines Sohnes. Sie blieben in der Hammer Straße 56 bei Ahmling gemeldet.

Hans-Georg Meyer, nach nationalsozialistischer Einstufung "Mischling ersten Grades", leistete seinen Arbeitsdienst in Basbeck an der Oste ab und wurde im August 1939 zum Heeresdienst einberufen. Er machte erst den Feldzug im Westen mit, kam dann nach Russland und wurde, wegen seines "rassischen Status" als "Mischling" im November 1941 aus der Wehrmacht entlassen. Zu dieser Zeit befand sich sein Vater bereits in Untersuchungshaft.

Hans Meyer hatte sich zum Arbeitseinsatz gemeldet, wurde aber wegen seines Leidens an Knochenschwund als untauglich für schwere körperliche Arbeit erklärt. Die Vermittlungsstelle fand jedoch auch keine leichte Beschäftigung für ihn. Nahezu eineinhalb Jahre lang bemühte er sich vergeblich um eine Anstellung, um nicht auf Fürsorgeunterstützung angewiesen zu sein. Sein Sohn unterstützte ihn, soweit es ihm möglich war. Auf ein Gesuch bei der Deputation für Handel und Schifffahrt hin erhielt Hans Meyer aus dem Büro des Reichstatthalters Bescheid, dass gegen eine Beschäftigung keinerlei Bedenken beständen.

Er arbeitete nun selbstständig mit früheren Kunden, die nichts von seiner jüdischen Herkunft wussten, und er fügte seinem Namen kein "Israel" bei.

Am 23. Mai 1941 wurde Hans Meyer verhaftet. "Sein Verbrechen", so hieß es in der Anklageschrift, "bestand im Verstoß gegen § 1 der Tarnungsverordnung vom 22.4.38 in Tateinheit mit fortgesetztem Vergehen gegen §§ 3,4 I der 2. Verordnung über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5.1.38."

In seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft am 12. März 1942 gab er Einnahmen von 7000 RM aus den Provisionen seiner Tätigkeit in den zehn Monaten von April 1940 bis Februar 1941 an. Er zeigte weder Schuldgefühle noch Reue, denn er habe so gehandelt, "weil jeder im wirtschaftlichen Leben dringend gebraucht würde und weil er auch seinerseits zum Siege hätte beitragen wollen". Ihm wurde vorgehalten, dass er offenbar den Sinn der Judengesetzgebung nicht verstanden habe. Seine "Hartnäckigkeit (sei) durch harte Strafe zu brechen".

Am 9. Juli 1942 wurde Hans Viktor Meyer rechtskräftig wegen "Tarnung eines jüdischen Geschäfts" zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 10 Monaten verurteilt. Als Entlassungstag wurde der 27. Mai 1944 festgesetzt.

Er wurde im Zuchthaus Fuhlsbüttel inhaftiert und als Papierarbeiter, d.h. mit Tütenkleben, beschäftigt. In seinem Führungsbericht heißt es: gute Führung; klebte in 23 ½ Tagen 29 Pensen, sauberer Kleber. Arbeitslohn: 10 Pfg. per Pensum.
Strafe "vom 9.7.42 – 10.12.42 teilweise verbüßt. Am 10.12.42 wurde die Strafvollstreckung auf Anordnung des Reichsministers der Justiz unterbrochen". Was so positiv klingt, war sein Todesurteil, denn dahinter stand der Erlass des Polizeichefs Himmler vom 17. September 1942, Gefangene direkt und ohne Verfahren an die SS zu überstellen, denn deutsche Gefängnisse, Zuchthäuser und Konzentrationslager sollten "judenfrei" gemacht werden. "Uberstellen" bedeutete den Transport ins Vernichtungslager.

Hans Viktor Meyer wurde am 10. Dezember 1942 nach Auschwitz verlegt. Sein genauer Todestag ist nicht bekannt.


Zurückgekehrt ins Zivilleben, war Hans-Georg Meyer als Expedient bei der Drogen-Großhandelsfirma Hilmer Brauer tätig. Über mögliche Kontakte zu seinem Vater in dessen Haftzeit ist nichts bekannt.

Im April 1943 wurde Hans-Georg Meyer dienstverpflichtet und in einem Rüstungsbetrieb eingesetzt, der Phönix A.G. in Harburg. Aufgrund einer Denunziation durch einen Mitarbeiter – er habe sich zum Lesen zurückgezogen und geschlafen – nahm ihn die Hamburger Stapo am 28. Juni 1943 wegen Sabotage in Haft. Sie überstellte ihn am 22. März 1944 als politischen Häftling in das KZ Buchenwald, wo er die Häftlingsnummer 3197 erhielt. Bei seiner Aufnahme gab er als Angehörige seine Tante Grete Weese, Schwester seiner Mutter, an, die noch in Berlin lebte, und später die Tante Pauline Krasko aus Klaistow, Kreis Belzig, in Brandenburg.
Auf seiner Akte wurde "Dikal"– Darf in kein anderes Lager – vermerkt. Der Hintergrund hierfür ist aus den überlieferten Akten nicht ersichtlich.

Hans-Georg Meyer litt monatelang unter Phlegmone (Entzündung des Bindegewebes) und wurde nur zu leichter Arbeit eingesetzt. Nach der Evakuierung des Lagers am 19. Februar 1945 gelangte er in das KZ Flossenbürg, im Juni 1945 wurde er befreit und kehrte nach Hamburg zurück.

Am 27. September 1956 wurde das Urteil gegen Hans-Viktor Meyer "gemäß Verordnung über die Gewährung von Straffreiheit vom 3.6.47" aufgehoben.

Stand: August 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 5 digital; StaHH 213-11_65472 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen; 242-1 II_2470 Häftlingspersonalakte (Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 18, Meyer, Hans: neue Signatur 242-1 II_2470 Gefangenenpersonalkate Hans Viktor Meyer, geb. 13.6.1877, 1941-1942 (1957-1960)); 351-11 Wiedergutmachung, 42068; https://portal.dnb.de/opac.htm?method=showFullRecord¤tResultId=%22Meyer%22+and+%22Siegbert%22%26any¤tPosition=16; https://www.zvab.com/buch-suchen/autor/siegmey-siegbert-meyer/#top; https://collections.arolsen-archives.org/archive/6618650/?p=1&s=meyer%20hans-Georg&doc_id=6618652; https://collections.arolsen-archives.org/G/SIMS/01010503/0660/53195269/001.jpg, Abrufe
24.6.2020.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen."

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