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Lola Ulawski * 1934

Stresowstraße 6 (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
LOLA ULAWSKI
JG. 1934
EINGEWIESEN 7.8.1943
’HEILANSTALT’ EICHBERG
ERMORDET 7.9.1943

Lola Ulawski, geb. 13.4.1934 in Hamburg, ermordet am 7.9.1943 in der "Heil- und Pflegeanstalt" Eichberg

Stresowstraße 6 (Stresowstraße 8)

Lola Ulawski wurde als das sechste Kind ihrer Mutter Sophie, geb. Hermann, geboren, auf sie folgte noch ein Bruder. Zur Familie gehörten der alkoholkranke Vater, Helmuth Ulawski, und auch dessen fürsorgliche Eltern. Bis 1932 wohnten die drei Generationen zusammen in zwei Zimmern, dann erhielten Helmuth und Sophie Ulawski eine eigene Wohnung. Als sie am 1. März 1927 heirateten, hatten sie bereits drei Kinder, vier weitere wurden geboren. Die vier älteren Kinder und später das jüngste wuchsen bei den Großeltern auf.

Sophie Ulawski gelang es trotz großer Mühe nicht, Lola und den Haushalt richtig zu versorgen. Zwischenzeitlich verließ sie ihren Mann, kehrte aber wieder zurück.

Helmuth Ulawski lebte von Gelegenheitsarbeit bzw. von Fürsorgeunterstützung. Laut Fürsorgeakte vertrank er das für die Familie ausgezahlte Geld. 1936 schritten "Trinkerfürsorge" und Jugendamt ein und bemühten sich gemeinsam um eine Verbesserung der Situation von Frau und Kindern. Zwei Söhne wurden im Hort untergebracht, Lola kam wegen seelischer und körperlicher Vernachlässigung in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Hier sollte abgeklärt werden, ob sie "nur" einen schweren Pflegeschaden erlitten hatte oder ob eine geistige Beeinträchtigung vorlag. Der Chefarzt, Wilhelm Bayer, diagnostizierte eine angeborene Hirnschädigung, die aber eine Verbesserung ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht ausschloss. Als Lolas Vater sie gegen ärztlichen Rat aus dem Krankenhaus nahm, um nicht auf den Kinderzuschlag verzichten zu müssen, der ihm wegen des Krankenhausaufenthalts seiner Tochter sonst nicht mehr zustand, attestierte Wilhelm Bayer dem Kind sogar einen verbesserten Umweltkontakt.

1936 verfügte das Erbgesundheitsgericht Helmuth Ulawskis Zwangssterilisation. Als weitere Maßnahme wurde er in eine "Trinkerheilstätte" eingewiesen und unter Vormundschaft gestellt, was den Entzug des Sorgerechts für Lola zur Folge hatte. Sophie Ulawski "atmete auf" und gab sich alle Mühe, für Haushalt und Kinder zu sorgen. Dass dennoch am 18. Juli 1936 Lola auf Weisung des Jugendamts in die damaligen Alsterdorfer Anstalten eingewiesen wurde, verstand sie nicht.

Bei ihrer Aufnahme war Lola mit 78 cm verhältnismäßig klein für ihr Alter von zwei Einviertel Jahren und mit 9,6 kg Körpergewicht schwächlich. Sie widersetzte sich der Untersuchung, schrie und strampelte bei jeder Berührung. Während des Jahres 1937 entwickelte sie sich gut. Sie sprach einige Wörter, sang Melodien richtig nach, beobachtete ihre Umgebung, lief allein, spielte und erzählte. Bei der Körperpflege und beim Essen benötigte sie Unterstützung. Von April 1938 bis November 1940 löste eine Infektionskrankheit die andere ab, wodurch sie gerade erworbene Fähigkeiten wieder verlor. 1942 lag sie wegen Scharlachs zwei Monate auf der Krankenstation. Sie wurde zunehmend unruhig und unselbstständig; im April 1943 wurde erstmals erwähnt, dass sie eine "Schutzjacke" hätte tragen müssen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ihre Verwandten sie besuchten oder auf Urlaub nach Hause holten.

Zwei ihrer Brüder lebten inzwischen auch in den damaligen Alsterdorfer Anstalten, Berthold seit dem 15. März 1940 und Richard seit dem 16. Januar 1941. Er verstarb bereits im Juni 1943 an einer "Bauchdrüsen-Tuberkulose", Berthold wurde später in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt.

Am 6. August 1943 wurde Lola Ulawski zusammen mit 27 anderen Kindern mit dem ersten von der Anstaltsleitung zusammengestellten Transport zur "Entlastung" der bombenbeschädigten damaligen Alsterdorfer Anstalten in die "Heil- und Pflegeanstalt Eichberg" im Rheingau deportiert. Der von der "Gemeinnützigen Krankentransport-Gesellschaft" (GeKraT) durchgeführte Transport per Bahn dauerte zwei Tage und kam während eines Fliegeralarms in Hattenheim an. Walter Schmidt, damaliger leitender Arzt, berichtete später: "Das Pflegepersonal war geflüchtet. Man fand die Kinder, denen man rasch ‚Beruhigungsspritzen’ gegeben hatte, übereinander und vollkommen erschöpft im Wagen, die meisten steckten in Zwangsjacken. Sämtliche Kinder fanden auf dem Eichberg den Tod."
Lola Ulawski wurde am 7. September 1943 im Alter von 9 Jahren ermordet. Als Todesursache wurde "Herzschwäche, Verblödung" angegeben.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 13; StaH 213-13, Staatsanwaltschaft Landgericht – NSG, 0018/001; Jenner, Meldebögen; Wunder, Abtransporte; ders., Exodus.

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