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Bereits verlegte Stolpersteine



Hermann Philipp * 1870

Wandsbeker Chaussee 81 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
HERMANN PHILIPP
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
2.11.1941

Weitere Stolpersteine in Wandsbeker Chaussee 81:
Herbert Philipp, Elsa Philipp

Hermann Philipp, geb. am 15.6.1870 in Anklam/Vorpommern, 2.11.1941 (Suizid)
Elsa Philipp, geb. Laski, geb. am 19.8.1878 in Hamburg, 2.11.1941 (Suizid)
Johann Herbert Philipp, geb. am 16.2.1903 in Hamburg, 4.11.1941 (Suizid)

Wandsbeker Chaussee, Hochhaus gegenüber Nr. 91 (Wandsbeckerchaussee 71/73)

"Am 2.11.41, 10.10 Uhr, wurde dem 50. Polizeirevier von dem Einwohner E.-F. D. des Hauses Wandsbeckerchaussee Nr. 73 mitgeteilt, dass die Familie Philipp, wohnhaft W. 73 II, Selbstmord durch Gasvergiftung verübt habe." (aus dem Bericht der Kriminalpolizei).

Es handelte sich um den Kaufmann Hermann Philipp, seine Ehefrau Elsa, geborene Laski, und ihren Sohn Herbert. Zwei weitere Söhne, Werner und Kurt, lebten bereits im Ausland.

Hermann Philipps Vater Joseph, verheiratet mit Bertha, geborene Wollfleff (auch Wolfleff, Wulfleff), gehörte zu den jüdischen Kaufleuten, in deren Händen das Geschäftsleben in Anklam zum Großteil gelegen hatte. Hermann Philipp hatte eine Zwillingsschwester, Henriette, und einen zehn Jahre jüngeren Bruder, Bernhard. Während beide Geschwister ledig und in ihrer Geburtsstadt Anklam blieben, verließ Hermann Philipp die Stadt und ging eine erste Ehe ein. Über seine Ehefrau ist nichts bekannt. Aus dieser Ehe ging der Sohn Werner hervor, geboren am 20. März 1897 in Breslau. Zwischen Hermann Philipp und seinem Sohn hat anscheinend keine Beziehung bestanden. Über den Sohn ist bekannt, dass er an der Akademie der Schönen Künste in Berlin und bei Oskar Kokoschka in Dresden Malerei studierte. Ende der 1930er Jahre floh er nach San Francisco. Ursprünglich wollte er Sänger werden. Er wurde Schirmherr der Oper in San Francisco und malte Porträts von Starsängerinnen und -sängern.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert kam Hermann Philipp nach Hamburg. Am 23. Mai 1902 heiratete er in zweiter Ehe Elsa Laski.

Elsa war die Tochter des gut situierten Hamburger Hausmaklers Harry Laski und seiner Ehefrau Ida, geborene Wulffsohn. Harry Laski gehörte zur zweiten Generation der großen Familie eines jüdischen Einwanderers aus dem heutigen Zentralpolen, des Kaufmanns Abram Blum Laski aus Lubraniec. Er kam in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Hamburg und begann seine Handelstätigkeit mit Tabakwaren (Valentinskamp 30). Später wechselte er in den Putzhandel (Spitalerstraße 82) und gründete schließlich 1855 eine Firma als Haus- und Versicherungsmakler. Sein Sohn Harry Laski trat 1874 in die Firma seines Vaters ein, während sein älterer Bruder Joseph Magnus einen Handel mit Getreide und der jüngere, Meyer Martin Laski, ein Handelsgeschäft mit Hülsenfrüchten betrieb. Die drei Brüder ließen ihre Firmen handelsrechtlich eintragen und hatten ihre festen Plätze an der Börse.

1877 heiratete Harry Laski die in Hamburg geborene Ida Wulffsohn. Diese war die Tochter von Henriette Wulffsohn, geborene Elas, und dem bereits verstorbenen Jeannot Wulffsohn. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor: Elsa Laski, geboren 1878, Alice, geboren 1880, Walter, geboren 1882, und die Zwillinge Wera und Reinhard, geboren 1887. Reinhard verunglückte im Alter von sechs Monaten sehr schwer. Er zog sich bei einem Sturz eine Schädelverletzung zu, die ihn in seiner geistigen Entwicklung stark behinderte. Wera wurde nur fünf Jahre alt und starb 1892.

An Elsas 17. Geburtstag, dem 19. September 1895, wurde die Familie von einer Katastrophe getroffen: Joseph Magnus Laski, Elsas Onkel und fünf seiner Kinder sowie die Verlobte des Sohnes Max Laski ertranken in der Elbe bei Falkenthal. Sie hatten auf Einladung eines Freundes, des Besitzers eines "Commissions-Geschäfts und Getreide-Controleurs", Alexander Beckmann, auf dessen Barkasse gleichen Namens einen Ausflug mit Verwandten und Freunden nach Schulau unternommen und gerieten bei der Rückfahrt unter den Paddelkasten (Radkasten) des Dampfers "Concordia" aus Stade, der sich auf der Rückfahrt von Hamburg befand. Die Barkasse wurde unter Wasser gedrückt. Von den 24 Personen an Bord konnten vier, die ins Wasser gesprungen waren, gerettet werden, unter ihnen auch Elsa Laskis Tante, Rosalie Laski, die Ehefrau des ertrunkenen Joseph Magnus Laski. Die Bergung der Leichen, die durch die Strömung zwischen Finkenwerder und Twielenfleth verdriftet waren, dauerte mehrere Tage. Auf dem erst 1883 eingeweihten jüdischen Friedhof in Ohlsdorf wurden die Toten der Familie Laski zusammen mit weiteren Opfern nebeneinander beigesetzt.

Rosalie Laski und ihr ältester Sohn, Cäsar, führten die Firma ihres Mannes und Vaters Joseph Magnus Laski weiter.

Die Ehe von Elsa Laski und Hermann Philipp wurde 1902 traditionell mit beiden Vätern als Trauzeugen geschlossen.

Zwei Tage nach der standesamtlichen Eheschließung vollzog Paul Rieger, Prediger am Israelitischen Tempel, die Trauung "nach den Vorschriften des mosaischen Bekenntnisses". In den beiden folgenden Jahren wurden die Söhne Herbert und Kurt geboren. Herbert Philipp, geboren am 16. Februar 1903, wurde mit sechs Jahren in die nahe gelegene Oberrealschule Averhoffstraße eingeschult und wechselte nach einem halben Jahr in die Privatschule Thedsen im Jungfrauenthal in Rotherbaum, wo er bis zur 3. Klasse blieb.

Hermann Philipp war im Darmgroßhandel tätig und trat 1906 als Mitinhaber in die Firma Darmhandlung Biberfeld & Co. mit Sitz in der Schwabenstraße in Hammerbrook ein. Er zog mit seiner Familie in den Mundsburger Damm 63 in Hamburg-Uhlenhorst. 1909 beantragte er, vermutlich für geschäftliche Zwecke, einen Reisepass für "Rußland und zurück" mit Gültigkeit für ein Jahr. Daraus geht hervor, er sei ein stattlicher Mann von "übermittelgroßer Statur". 1911 oder 1912 schied er aus der Firma Biberfeld & Co. aus und zog mit seiner Familie nach Berlin.

Zu dieser Zeit fiel Hermann Philipp erstmals auf, dass der Gemütszustand seines Sohnes Herbert stark wechselte und er besonders jeweils im Frühjahr gedrückter Stimmung war. Das tat jedoch dessen schulischen Leistungen keinen Abbruch, und er beendete seine Schulbildung erfolgreich auf einer Oberrealschule mit der Mittleren Reife im Alter von 15 Jahren.

Am 31. Oktober 1918 starb Elsa Laskis Mutter, Ida. Am 6. Oktober 1919 kehrte Elsas bis dahin im Ausland lebender Sohn Kurt für zweieinhalb Jahre nach Hamburg zurück und wohnte bei seinem Großvater Harry Laski in der Maria-Louisen-Straße 90.

Die Familie Philipp zog zu einem nicht bekannten Zeitpunkt von Berlin nach Halle. Dort bereitete sich Herbert Laski auf ein Ingenieursstudium vor, u. a. durch eine zweijährige Tätigkeit in einer Firma für landwirtschaftliche Maschinen. Während dieses Praktikums wurde er offenbar von seinem Chef zu ihm bis dahin unbekannten sexuellen Handlungen verführt, die ihn verstörten. Er bezichtigte sich wiederholt verwerflichen Tuns, hielt sich für den größten Sünder der Welt und meinte, er müsse erschossen werden.

Herbert Philipp studierte acht Semester auf dem Ingenieurspolytechnikum in Köthen. Bevor er das Abschlussexamen ablegte, erlitt er 1924 einen Nervenzusammenbruch und wurde sechs Wochen in der psychiatrischen Klinik in Halle behandelt. In den folgenden Jahren wurde er wiederholt in wechselnde Anstalten in Halle, Berlin und Leipzig eingewiesen, wo er meist nach nur einem Monat Aufenthalt entlassen wurde. Die Einweisungen erfolgten, wenn er sich von Schuldgefühlen und "Versündigungsideen" überwältigt fühlte, weil er Menschen umgebracht habe oder gar für alle Verbrechen, die seit seiner Geburt geschehen seien, Verantwortung trage. Klang dieser Zustand ab, drängte er auf seine Entlassung und verhielt sich danach unauffällig. Diese Phasen dauerten ca. ein Jahr. Als Student hatte er aus eigenem Impuls neben dem Studium einen logisch strukturierten "Stammbaum der Wissenschaften" entworfen, der sowohl Natur- als auch Geistes- und Sozialwissenschaften umfasste. 1929 be­stand er die Ingenieursprüfung mit Auszeichnung. Danach arbeitete er einige Monate bei einer Baufirma in Halle, später als Heizungstechniker und -monteur in Halle und Hamburg, ging nach Berlin und arbeitete bei den Elektrofirmen AEG und Löwe.

Auch die Eltern Hermann und Elsa Philipp sowie ihr Sohn Kurt kehrten von Halle nach Berlin zurück. Hermann und Kurt Philipp arbeiteten bei der Firma Croner, Rosenthal & Co., einer Darmgroßhandlung und Sortieranstalt. Die Firma handelte fast ausschließlich mit Importware und geriet in Schwierigkeiten, als 1935 die Devisenbewilligungen ausblieben. Anders als sein Sohn Kurt wurde Hermann Philipp entlassen. Im Alter von 65 Jahren ließ er sich 1935 wieder in Hamburg nieder. Zusammen mit seiner Frau trat er erneut der Deutsch-Israelitischen Gemeinde bei. Aufgrund seiner Erwerbslosigkeit wurde er nicht zur Beitragszahlung herangezogen. Seine Versuche, als Vertreter auf Provisionsbasis Arbeit zu finden, scheiterten. Die Familie lebte von Ersparnissen.

Am 19. Mai 1936 wurde Herbert Philipp nach kurzer Haftdauer im Untersuchungsgefängnis in die Staatskrankenanstalt Langenhorn überstellt. Zwei Jungen hatten Anzeige erstattet, weil er sich ihnen "unsittlich genähert" habe. Man konnte ihm homosexuelle Handlungen nicht nachweisen, nahm ihn jedoch mit der Diagnose "Schizophrenie" und aufgrund seiner Selbstmordgefährdung in Anstaltspflege. Am 2. Juli 1936 schrieb er an das Amtsgericht Hamburg einen 16-seitigen Brief. Er beginnt: "Als ich vor einigen Wochen unter dem Verdacht des Verstoßes gegen § 175 RStGB verhaftet wurde, stand ich unter dem Zwange einer periodischen, provozierten Geistesverfassung, die mir nicht gestattete, die nötige Konzentration zu meiner Verteidigung aufzubringen. Nunmehr, nachdem ich dank der Ruhe hier in der Krankenanstalt Langenhorn wieder ins Gleichgewicht gekommen bin, bitte ich um Aufnahme meines Strafverfahrens. Ich bin heute in der Lage mich zu verteidigen. Ich bin jetzt wieder in der Lage klar zu denken."

Herbert Philipp schildert im Folgenden die damalige Situation und seine Einstellung zum § 175 RStGB, die durch die Nachstellungen seines Lehrherrn entscheidend geprägt worden sei, hinzu sei jedoch seine wissenschaftliche Arbeit gekommen. Die Darlegung seiner wissenschaftlichen Weltanschauung, die er "naturwissenschaftlichen Sozialismus" nannte, begann er mit der Erwähnung des weltweit gefeierten Fluges des Zeppelins, mit dem ein neues, technisches und wirtschaftliches Zeitalter angebrochen und die Erniedrigung des deutschen Volkes überwunden worden sei. Seine weiteren Ausführungen aus Physik und Geologie habe er schon früher Juristen und Ärzten vorgetragen, die ihn aber nicht verstanden hätten. Für ihn folgte aus dem wissenschaftlichen Natur-National-Sozialismus die Entwicklung einer Kreislaufenergiewirtschaft: "Die Kreisprozesse im Haushalt der Natur sind für unsere technischen Kreisprozesse Vorbild." Er schließt mit: "Werden die in Stichworten angegebenen Folgerungen eingehalten, so ist der Bestand und das Wohl unseres Vaterlandes und der Welt gesichert." Dieser Brief wurde von der An­staltsleitung nicht abgeschickt und blieb in der Krankenakte Herbert Philipps erhalten.

Nach dreimonatigem Aufenthalt wurde Herbert Philipp mit einer günstigen Prognose aus Langenhorn entlassen. Ihm wurde eine gute Krankheitseinsicht bescheinigt und seinen Eltern nahegelegt, dass sie ihn bei jedem Krankheitsschub rechtzeitig in eine Anstalt bringen sollten.
Aber Herbert Philipp erkrankte an einer Grippe, in deren Folge sich eine Rückenmarksentzündung entwickelte. Er wurde neun Monate lang im Israelitischen Krankenhaus behandelt, doch ließ sich die eingetretene Lähmung beider Beine nicht beheben; er blieb erwerbsunfähig. Herbert Philipp war nach der Rückkehr von Berlin nach Hamburg wie seine Eltern der Jüdischen Gemeinde beigetreten und blieb wie sie von Steuerzahlungen befreit.

Im Oktober 1938 litt Hermann Philipp so schwer an einer Depression, dass er zu Hause von einer Krankenschwester gepflegt werden musste. Diese Pflegekraft brachte Hermann Philipps Sohn Herbert auf Anweisung des Hausarztes am 6. November 1938 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn. Herberts Stimmung war gedrückt, er klagte sich fortgesetzt selbst an und behauptete wiederholt, ihm sei nicht mehr zu helfen. In dem Saal, in den er eingewiesen wurde, fand er seinen erblindeten Onkel Reinhard Laski vor und unterhielt sich mit ihm, bis er auf eine andere Abteilung verlegt wurde.

In dieser schwierigen Situation besuchte Henriette Philipp, Hermann Philipps Zwillingsschwester aus Anklam, ihre Hamburger Verwandten im ersten Halbjahr 1939. Sie wurde hier bei der Volkszählung im Mai 1939 erfasst. Es war das letzte Mal, dass sie einander sahen. Hermann Philipps Zwillingsschwester und sein Bruder Bernhard gehörten zu den früh deportierten "Reichsjuden", die sich Anfang Februar 1940 von Anklam nach Stettin begeben mussten, von wo sie am 12. des Monats in das Getto von Glusk deportiert wurden. Sie starben im Distrikt Lublin, Bernhard im Februar 1941, Henriette im Februar 1942.

Am 20. September 1940 wurde Herbert Philipp auf dringenden Wunsch der Eltern "gegen Revers" nach Hause entlassen. Drei Tage später wurden die jüdischen Patienten und Patientinnen der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn im Rahmen des Euthanasieprogramms T4 der NS-Regierung in die Tötungsanstalt Brandenburg verlegt und dort mit Kohlenstoffmonoxid ermordet. Davor hatten ihn seine Eltern bewahrt.

Elsa und Hermann Philipp hatten schon viele Diskriminierungen und Willkürakte gegen Mitglieder ihrer weit verzweigten Familie erlebt, als die Familie ein weiterer schwerer Schlag traf. Am 25. Oktober 1941 wurden mit dem ersten Transport von über 1000 Hamburger Juden auch Verwandte von Hermann und Elsa Philipp in das Getto von Lodz deportiert. Es handelte sich um die nervenkranke pflegebedürftige Schwägerin Mathilde Laski und den Großneffen Cäsar Laski.

Nun fürchteten Elsa, Herbert und Hermann Philipp, ebenfalls deportiert zu werden. Sie verhängten und verklebten die Öffnungen ihrer Küche und setzten sich voll bekleidet um den geöffneten Gasherd, Herbert in ihrer Mitte. Als sie am Morgen des 2. November 1941 um 10.10 Uhr gefunden wurden, lebte Herbert noch. Er wurde mit Sauerstoff versorgt und in das Allgemeine Krankenhaus Barmbek transportiert, wo er dennoch am 4. November infolge der Kohlenstoffmonoxidvergiftung starb.

Die spätere Versteigerung der Wohnungseinrichtung durch die Firma Krohn erbrachte fast 5000 RM zu Gunsten der Reichskasse.

Anders als Herbert Philipp, bei dem die von den Eltern herbeigeführte Entlassung aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn den Transport in den Tod verhinderte, wurde sein Onkel Reinhard Laski in Brandenburg ermordet. Er war jahrzehntelang in verschiedenen Einrichtungen gewesen, zunächst in einer jüdischen Anstalt in Schwelm. Danach besuchte er von 1913 bis 1922 die Schule für "geistig schwach Begabte" von Adalbert Wintermann in Huchting (heute ein Stadtteil von Bremen) und wurde auf Grund eines Gutachtens seines Schwagers Ernst Pollack anschließend in die damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen, wo er leichten Haus- und Gartenarbeiten nachging. Er verlor dann jedoch das Augenlicht durch Verletzungen und anschließende Operationen. 1938 wurde er auf Anordnung der Hamburger Sozialverwaltung in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn eingewiesen, von wo er am 24. Januar 1940 wegen Platzproblemen in die Heilanstalt Strecknitz in Lübeck verlegt wurde. Um ihn dort besuchen zu können, erhielt Hermann Philipp 22,60 RM von dem Schwager Walter Laski, Reinhard Laskis ältestem Bruder, aus dessen Sperrkonto. Für einen Besuch fehlten dem Schwager Hermann Philipp die Mittel. Elsa und Reinhard Laskis Bruder Walter erwirkte im April 1940 durch seinen Bevollmächtigten die Freigabe der benötigten 22,60 RM aus seinem vom Oberfinanzpräsidenten kontrollierten Sperrkonto. Am 16. September 1940 kehrte Reinhard Laski mit einem Sammeltransport jüdischer Kranker aus Strecknitz nach Langenhorn zurück. Hier wurden jetzt jüdische Kranke aus Norddeutschland zur Verlegung nach Brandenburg konzentriert. Reinhard Laski hätte mit Zustimmung der Langenhorner Anstalt in "Familienpflege" aufgenommen werden können. Er war zwar erblindet und nicht mehr arbeitsfähig, doch ruhig und verträglich, aber es war niemand da, der ihn aufgenommen hätte. So kam er in den Todestransport nach Brandenburg.

Elsa Philipps Bruder Walter Laski emigrierte im Mai 1940 nach Shanghai. Er war in seinen jungen Jahren kaufmännisch tätig gewesen, ab 1908 als Teilhaber der väterlichen Firma, dann ab 1925 als Alleininhaber. 1912 heiratete er Mathilde Kallmes, Tochter des Hausmaklers Julius Kallmes und seiner Ehefrau Cäcilie, geborene Wolff. Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor (Elfriede, Annemarie und Arnold). 1925, dem Todesjahr seines Vaters Harry, wurde er Alleininhaber des Geschäfts. Mit dem 1938 erlassenen Verbot für Juden, Haus- und Assekuranzmaklergeschäfte auszuüben, entschied sich Walter Laski für die Auflösung der Firma, um zu verhindern, dass sie bei einer "Arisierung" in den Besitz eines nationalsozialistischen Parteigenossen gelange. Das Unternehmen wurde am 4. November 1938 im Handelsregister gelöscht. Zu dem Zeitpunkt saß Walter Laski in Haft und ließ sich von einem Generalbevollmächtigten vertreten. Er war von einer aus anderen Gründen angeklagten christlichen Kontoristin beschuldigt worden, 1935 mit ihr sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Unter dem Eindruck der Äußerung eines Gestapo-Beamten, "wenn wir dir keine Rassenschande oder Devisenvergehen nachweisen und dich daraufhin verurteilen können, schicken wir dich in ein Konzentrationslager", versuchte Walter Laski, sich das Leben zu nehmen. Mit beiderseits durchschnittenen Pulsadern und fast verblutet wurde er in das Lazarett im Untersuchungsgefängnis eingeliefert und gerettet. Er gestand eine Schuld ein, die er nicht empfand, und wurde zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurteilt. Anfang 1940 wurde Walter Laski die Entlassung aus dem Zuchthaus in Aussicht gestellt, wenn er sofort Deutschland verlassen würde. Sein Bevollmächtigter reichte das Gnadengesuch zusammen mit den Ausreisepapieren Ende April ein, am 1. Mai erfolgte die Entlassung "auf Bewährung". Walter Laski verließ Hamburg umgehend und schiffte sich in Genua mit Ziel Shanghai ein. Auch Walter Laskis Sohn Arnold und seine Tochter Annemarie, Neffe und Nichte von Elsa Philipp, emigrierten.

Elsa Philipps Schwester Alice heiratete 1904 den Berliner Arzt Ernst Pollack und folgte ihm nach Berlin. Sie emigrierte im April 1939 in die USA.

Herbert Philipps Brüder verließen Deutschland 1939, Kurt floh nach Shanghai, der oben erwähnte Halbbruder Werner emigrierte in die USA. Auch Elsa Laskis Cousin Cäsar emigrierte. Er beantragte, seiner Schwester und ihrem Ehemann aus dem Vermögen, das er bei seiner Auswanderung in Deutschland zurücklassen musste, eine Leibrente zahlen zu dürfen, was "aus devisenrechtlichen Gründen" abgelehnt wurde, wie der Oberfinanzpräsident erklärte, jedoch wurde die Entnahme von monatlich 200 RM aus seinem Auswanderersperrkonto zu Elsa und Hermann Philipps Unterstützung gestattet.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 9; StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht B Nr. 47, 1954/1872 (Henriette Schumacher, geb. Laski); 332-5 Standesämter 382-42/1895, 3364/1878; 7936-1357/1892, 8620-334/1902, 9768-3578/1918, 8637-690/1904, 6810-382/1901, 8970-3753/1882; 332-8 Meldewesen 1892–1925, K 6729; 331-5 Polizeibehörde Unnat. Todesfälle, 1941/1718; 1941/1733; 332-8 Meldewesen, A 24 Band 104 Nr. 1928/1909; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1560, 3827, 5955; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn 23154, 2535; 522-1 Jüdische Gemeinden, 710 Trauungsurkunden; 992 e 2, Deportationslisten, Band 1; 992 e Band 1 Deportationslisten; Museum im Steintor, Anklam, Schreiben vom 7.6.2012; Jüd. Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, ZZ 12 – 510 bis 521; Hamburger Fremdenblatt, 20. u. 21.8.1895.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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