Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Max Größer
© Pallottiner-Orden

Max Größer * 1887

Adenauerallee 41 (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER WOHNTE
DR. MAX GRÖSSER
JG. 1887
HILFE FÜR VERFOLGTE
MEHRMALS VERHAFTET
ZULETZT 1939
GESTAPO-GEFÄNGNIS BERLIN
TOT AN HAFTFOLGEN
19.3.1940

Dr. Max Joseph Größer, geb. 15.8.1887 in Hannover, an Haftfolgen am 19.3.1940 in Berlin verstorben
 
Adenauerallee 41

Max Joseph Größer, langjähriger Mitarbeiter und vierter Generalsekretär des St. Raphaels-Vereins (heute Raphaelswerk) wurde zum 140-jährigen Jubiläum des Raphaelswerkes mit einem Stolperstein in der Adenauerallee 41 in Hamburg geehrt. 
Max Größers Leben stand im Dienst der Auswanderer und der Auslandsdeutschen: Im 19. Jahrhundert stieg die Zahl der Auswanderer sprunghaft an, und diese waren vor Antritt der Reise, bei der Schiffsüberfahrt nach Übersee und im Zielland zahlreichen Risiken ausgesetzt. Zu ihrem Schutz hatte der Limburger Kaufmann Peter Paul Cahensly1871 den St. Raphaels-Verein gegründet. 1920 wechselte das Generalsekretariat nach Hamburg, einem der Brennpunkte der Auswanderung, und wo sich nun Max Größer engagierte. 

Wer war dieser Mann? Aufgewachsen im Waisenhaus der Vinzentinerinnen in Hannover-Döhren, trat er schon 1901 der Gesellschaft vom Katholischen Apostolat (Societas Apostolatus Catholici, Abkürzung: SAC) in Limburg bei. Da diese Gesellschaft 1835 von Vincenzo Pallotti gegründet worden war, werden deren Angehörige im Volksmund kurz Pallottiner genannt. Max Größer besuchte die Schulen der Pallottiner in Vallendar und Ehrenbreitstein. Dort schon wurden seine wissenschaftlichen, musikalischen und anderen Begabungen entdeckt und sein großer Arbeitseifer wahrgenommen. 1905 begann er das Noviziat in Limburg. Am 9. Juli 1911 wurde er zum Priester geweiht. Nach weiterem Studium an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster übernahm er an der Theologisch-Philosophischen Hochschule seines Ordens in Limburg Vorlesungen über das Neue Testament und in Missionswissenschaft. Ferner übertrug der Orden ihm die Schriftleitung seiner Zeitschrift "Stern der Heiden". Gleichzeitig veröffentlichte Größer wissenschaftliche Beiträge in der von dem Münsteraner Missionswissenschaftler Joseph Schmidlin herausgegebenen "Zeitschrift für Missionswissenschaft". 
 
Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis Ende 1915 wirkte Max Größer als Feldgeistlicher an der West- und Ostfront. Beim Sekretariat Sozialer Studentenarbeit, das der Studentenseelsorger, Begründer der studentischen Sozialarbeit und Großstadtapostel Carl Sonnenschein aufgebaut hatte, veröffentlichte Größer 1918 die Schrift "Weltpolitik im Reiche Gottes", aus der sein soziales Engagement deutlich wurde. 
 
1921 promovierte Max Größer in der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg über das völkerkundliche Thema "Die ideellen Grundlagen bei den Todes- und Begräbnisbräuchen der Bantuneger". In seinen missionswissenschaftlichen und völkerkundlichen Arbeiten sprach er sich gegen das damals verbreitete Vorurteil der "angeborenen Inferiorität" afrikanischer Völker aus und hob die Notwendigkeit der Bildung und die Chancen der Volkserziehung in den Missionen hervor.
Im selben Jahr übernahm Max Größer zusammen mit dem 14 Jahre älteren Pallottinerpater Georg Timpe die Aufgabe, Auswanderer in sozialer Hinsicht zu betreuen. Der Auswandererfürsorge, -seelsorge und -beratung galt fortan sein Einsatz. Diese Arbeit musste nach dem Ersten Weltkrieg neu aufgebaut und organisiert werden. Dazu war das Generalsekretariat von Freiburg nach Hamburg, dem Zentrum der Auswanderung, verlegt worden. Die Beratungstätigkeit wurde intensiviert, denn die traditionellen Einwanderungsländer wie USA, Kanada, Australien wie auch Lateinamerikas begrenzten die Immigration und regulierten sie durch jährliche Quoten und neueingeführten Visumszwang. So mussten die Auswanderungswilligen vor überzogenen Erwartungen und übereilten Schritten gewarnt werden. Dieser Aufgabe widmete sich Max Größer konkret vor Ort, aber auch in seinen Beiträgen auf Konferenzen im In- und Ausland. Er vertrat z. B. den St. Raphaels-Verein auf der internationalen Konferenz für Auswandererwesen  am 1. August 1922 in Luxemburg, an der Vertreter aus 15 Nationen teilnahmen, die sich bemühten, die infolge des Ersten Weltkrieges zusammengebrochene Kooperation der europäischen Organisationen wiederzubeleben. 
 
Max Größer leitete den Aufbau des katholischen Auslandssekretariats, der wissenschaftlichen Informations- und Archivstelle für das katholische Deutschtum im Ausland: zunächst in Hamburg beim Generalsekretariat des St. Raphaels-Vereins und ab 1927 beim "Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland" in Berlin. Er baute eine Fachbibliothek von 10.000 Bänden über das Auslandsdeutschtum auf und verfasste zahlreiche Bücher und Artikel zur deutschen Kultur im Ausland. Zusammen mit Georg Timpe begründete er 1924 die Zeitschrift "Die Getreuen. Zeitschrift für die Katholiken deutscher Zunge in aller Welt", die in Deutschland wie in Übersee Verbreitung fand. Mit ihr wurde Kontakt zu den Ausgewanderten gehalten, sie war Vermittlerin zwischen der Heimat und der Fremde. Größer publizierte zudem im Jahrbuch für die katholischen Auslandsdeutschen und weiterhin in Missionszeitschriften. Er plädierte für die Übernationalität der Mission – in dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit. 
 
Vom März 1924 bis Januar 1925 unternahm Max Größer eine Studienreise in die Vereinigten Staaten und nach Kanada, besuchte dort kirchliche und staatliche Behörden, um deren Interesse an den Auswanderern zu beleben, und erkundete vor allem die Einwanderungsmöglichkeiten für Landwirte. Über seine Erfahrungen referierte er im Mai 1925 in Hamburg. Er hielt Kontakte nach Brasilien und half bei der Besiedlung der Kolonien Terra Nova und Rolandia in Süden des Landes. Max Größer war maßgeblich an der Gründung der "Gesellschaft für Siedlung im Auslande" 1931 in Berlin beteiligt und galt mittlerweile als Autorität in der Auswandererfürsorge, vertrat den St. Raphaels-Verein und das Auslands-Sekretariat auf den Katholikentagen und beriet die Reichsregierung in Auswanderungsfragen.
 
Am 10. Oktober 1930 übernahm Max Größer als Nachfolger Georg Timpes die Aufgabe des Generalsekretärs beim St. Raphaels-Verein in Hamburg, wo er schon Jahre zuvor als Seelsorger in den Auswanderungshallen der HAPAG tätig gewesen war. Die Amtsübernahme fiel in die schwierige Zeit der Weltwirtschaftskrise und dann in die Umbruchszeit der nationalsozialistischen Herrschaft, die Max Größer und den St. Raphaels-Verein vor besondere Herausforderungen stellten. Im Juni 1931 konnte der Verein bei seinem 60-jährigen Jubiläum in Stuttgart darauf hinweisen, dass er in den vergangenen 60 Jahren mehr als zweieinhalb Millionen Auswanderer der verschiedensten Nationen betreut hatte.
In der Zeit der hohen Arbeitslosigkeit stieg auch die Zahl der Auswanderungsberatungen. Der St. Raphaels-Verein wandte sich verstärkt den Fragen der Auslandssiedlung zu. In den Südstaaten Brasiliens, in Argentinien und Paraguay sah Max Größer Möglichkeiten, Auswanderungswillige, in erster Linie junge Landwirte, mit verhältnismäßig geringen Kosten anzusiedeln. Die Kolonie Terra Nova in Südbrasilien galt als Mustersiedlung.
 
Die nationalsozialistische Machtübernahme veränderte die Arbeitsbedingungen des St. Raphaels-Vereins einschneidend. Zahlreiche Juden drängten aufgrund der ständig zunehmenden Entlassungen, Diskriminierungen, der Entrechtung und Verfolgung ins Ausland. Deshalb schuf der Verein 1933 unter Max Größers Leitung ein "Sonderhilfswerk" zugunsten derer, die aus politischen Gründen ihren Beruf verloren hatten und auszuwandern gedachten. Dabei vermied der Verein, der der 1924 errichteten Reichsstelle für das Auswanderungswesen unterstand, alles, was dem Regime einen Vorwand zum Eingreifen gegeben hätte. Größer bettete die Fürsorgearbeit für katholische "Nichtarier", "als selbstverständliche Pflicht in den Aufgabenkreis des St. Raphaels-Vereins zielbewusst und systematisch" ein. Sie betraf getaufte Angehörige der katholischen Kirche, die nach NS-Kriterien als "Volljuden", "Geltungsjuden" oder "Mischlinge" eingestuft wurden.
 
1934 warb Max Größer auf einer Rundreise bei deutschen Bischöfen und Beratungsstellen für Auswanderer für das "Sonderhilfswerk" und erbat ideelle und finanzielle Unterstützung. Die meist bei den Caritasverbänden angesiedelten Beratungsstellen in Berlin, Breslau, Oppeln, Köln, Frankfurt und München trugen die Hauptlast, weil dort besonders viele "Nichtarier" und "Mischlinge" wohnten.
 
1935 gründete der St. Raphaels-Verein zusammen mit dem Deutschen Caritasverband einen "Hilfsausschuß für katholische Nichtarier". Er sollte als Dachorganisation des "Sonderhilfswerkes" und des caritaseigenen "Caritas-Notwerks" tätig sein und die Ausbildung jüdischer Jugendlicher wie die berufliche Umschulung Erwachsener vorbereiten. Diese sollten in Berufen ausgebildet werden, die im Ausland gefragt waren, um sie also auf die Bedürfnisse der ausländischen Arbeitsmärkte vorzubereiten. Umschulungskurse in katholischer Trägerschaft kamen jedoch zunächst nicht zustande. Der "Hilfsausschuß" verwies deshalb Ratsuchende auf privat finanzierte Umschulungskurse. Größer klagte: "Gewiß stehen wir auf katholischer Seite hier weit zurück vor den Juden, die außerordentlich konsequent und erfolgreich solche Umschulungskurse für männliche und weibliche Auswanderungswillige durchführen." 

Der St. Raphaels-Verein arbeitete eng zusammen mit der "Reichsvertretung der Deutschen Juden" bzw. später der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" und dem "Hilfsverein deutscher Juden". Die Reichsvereinigung leistete ab Juli 1939 monatliche Zuschüsse zu den Verwaltungskosten des St. Raphaels-Vereins. Ferner kooperierte er mit dem "Büro Pfarrer Grüber", das sich um die protestantischen Juden kümmerte. Diese Zusammenarbeit geschah mit Billigung der Regierungsstellen in Berlin, d. h. der Reichsstelle für Auswanderungswesen und des Auswärtigen Amtes.
 
Zur Rettung katholischer Juden unternahm Generalsekretär Max Größer zahlreiche Auslandsreisen nach Brasilien (1933), USA und Canada (1937), in die westeuropäischen Länder Belgien, Niederlande, Spanien (1934) und Frankreich (1934 und 1935) oder nach Großbritannien (1936), um die Einreisegenehmigung von Schützlingen des "Sonderhilfswerks" und des "Hilfsausschusses" zu erwirken oder wenigstens Durchgangsmöglichkeiten für Überseeauswanderung zu schaffen. Aber die meisten europäischen Länder sperrten sich gegen jüdische Einwanderer. Deshalb hielt Max Größer ein amerikanisches Hilfswerk für "nichtarische" Katholiken für dringend notwendig. Bei seiner Reise im März/April 1937 in die USA verhandelte er mit amerikanischen Bischöfen mit dem Ziel, ein "Committee for Catholic Refugees from Germany" zu errichten, was auf der Bischofskonferenz zu Washington verwirklicht wurde. Dieses Hilfskomitee sollte Darlehen gewähren, Einwanderungsgenehmigungen und Arbeitsplätze beschaffen und die gesellschaftliche und religiöse Integration der Flüchtlinge fördern. Größer war jedoch mit der tatsächlich geleisteten Arbeit dieses Hilfswerk nicht sehr zufrieden, wie aus einem streng vertraulichen Bericht hervorgeht: "Das in USA begründete Hilfswerk hat die Anlaufzeit des ersten Jahres wohl mit Nutzen durchlaufen, doch scheint weder die Zahl des Personals, noch die Art der Arbeitsmethoden, noch die Resonanz der Arbeit bei den amerikanischen Katholiken zuzureichen ... Es ist nicht weiter verwunderlich, daß in den Kreisen der christlichen Nichtarier große Enttäuschung und teilweise Not herrscht ... Die christlichen Nichtarier können vor allem schwer begreifen, daß in den verschiedenen Einwanderungsländern die jüdischen Hilfskomitees finanzielle Hilfen und Kredite sammeln und zur Verfügung stellen, daß auf katholischer Seite hier aber ungefähr überall nur Beratung und guter Wille zur Stellenvermittlung vorhanden ist, und daß selbst in den U.S.A. eigentliche Kredithilfe mangels Mittel noch nicht besteht." In einem weiteren Bericht vom August 1938 an Kardinal Faulhaber in München schrieb Max Größer, die Erwartungen an das amerikanische Hilfswerk, "konnten leider nicht erfüllt werden, weil die Hauptaufgabe, die Deutschland von demselben erwartete, die Besorgung von sogenannten Freundesbürgschaften in den Vereinigten Staaten anscheinend außerordentlichen Hemmungen begegnet."
 
Je länger das NS-Regime herrschte, desto mehr Juden versuchten Deutschland zu verlassen und nahmen jede Gelegenheit wahr, Beratung und Unterstützung zu erhalten. Diesem Ansturm waren die Beratungsstellen des St. Raphaels-Vereins mit ihrem geringen Personalbestand kaum gewachsen. Allein zwischen August 1937 und August 1938 standen 2.000 katholische "Nichtarier" und "Mischlinge" mit dem Generalsekretariat und den Beratungsstellen in Verbindung. 30.000 Beratungen wurden in einem einzigen Jahr gezählt. Max Größer schrieb in einem Bericht an Kardinal Faulhaber: "Seit einem halben Jahr sind zu den rund 1.000 Personen, die ihre ganze Hilfe von uns erwarten, infolge der Arisierungsbestrebungen der Geschäfte ... etwa 700 Personen neu an uns herangetreten. Während bis Ende des verflossenen Jahres die freien Berufe durchaus im Vordergrund standen, ist nunmehr der Kaufmann und kaufmännische Vertreter der Hauptauswanderungskandidat. ... Außerdem meldeten sich in neuester Zeit viele nichtarische Ärzte, nach dem durch die soeben verkündigte 4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz die Juden aus der Ärzteschaft ausgeschaltet werden."
Der großen Nachfrage standen die Abschottung der meisten potentiellen Einreiseländer und die Politik des Deutsches Reichs entgegen, Pässe zu verweigern und Besuchsreisen ins Ausland zu erschweren. Nahezu verzweifelt schrieb Größer, dass die Betroffenen "seelisch äußerst bedrückt sind und sie zugleich das Empfinden haben, die Kirche sorge nicht genügend für sie. In vielen Fällen kann die Beratung nur eine vorläufige Vertröstung und damit mehr oder weniger nur von zweifelhaftem Wert sein."
 
Der "Hilfsausschuß" warb Gelder ein, um mittellosen "Nichtariern" Reisebeihilfen zu gewähren und so die Auswanderung zu ermöglichen. Diese Aktion war nicht einfach, da eine öffentliche Sammlung durch den St. Raphaels-Verein verboten war. Der "Hilfsausschuß" erhielt Gelder von deutschen Bischöfen und einzelnen Privatleuten wie dem Großindustriellen Fritz Thyssen. Für finanzielle Beihilfen arbeiteten Sonderfonds bei den einzelnen Diözesankassen, ein größerer Sonderfond bei der Erzbischöflichen Kollektur in Freiburg. Der St. Raphaels-Verein und der "Hilfsausschuß" befolgten die gesetzlichen Bestimmungen, um dem nationalsozialistischen Regime keine Angriffsflächen zu bieten. Sie hielten sich auch an die 1936 ergangene Anordnung, nur Personen jüdischer Abstammung, aber katholischen Bekenntnisses zu beraten. Evangelische "Nichtarier" und "Glaubensjuden" durften nicht betreut werden. Eine Nichtbeachtung hätte das Verbot des St. Raphaels-Vereins zur Folge gehabt.

Doch trotz der strikten Beachtung der Vorschriften fanden am 16./17. Januar 1936 und im November 1937 je eine Hausdurchsuchung durch 40 Gestapobeamte beim St. Raphaels-Verein und die Beschlagnahmung seiner Akten statt. Max Größer wurde während dieser Aktionen verhört. Auf die Frage der Gestapo, wie er "dazu komme, das schöne deutsche Geld für die Juden zu verbrauchen" auf seiner Werbereise, soll Max Größer sie gebeten haben, "diesen Vorwurf an die deutschen Bischöfe zu leiten, weil diese Reise in ihrem Auftrag und mit ihrem persönlichen Geld gemacht worden sei." Die Gestapo verdächtigte ihn jedoch weiterhin unerlaubter Devisentransaktionen, wollte aber im Olympiajahr 1936 nicht gegen ihn vorgehen, sondern beschattete ihn stattdessen im In- und Ausland. 1938 erwog das Finanzamt dem St. Raphaels-Verein die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit zu entziehen, weil eine routinemäßige Betriebsprüfung erbracht hatte, dass der Verein aus seinen Mitteln "Nichtarier" finanziell unterstützte. 
 
Am 9. Juli 1936 beging Max Größer noch sein silbernes Priesterjubiläum. Etwa 600 Glückwünsche von Freunden, Bischöfen, Ordensgenossenschaften, Schifffahrtslinien, betreuten Personen aus den verschiedensten Ländern, Migrationsorganisationen aus Europa und Übersee, aber auch staatlichen Institutionen gingen ein. Nach der schlichten Jubiläumsfeier in Bremen brach Größer nach London auf, um als Vertreter des Deutschen Caritasverbandes am internationalen sozialen Kongress teilzunehmen. Die Rückreise führte ihn über die Niederlande und Belgien, um auch dort für schutzbedürftige Personen zu werben. 
 
Das internationale Ansehen Max Größers schreckte die Geheime Staatspolizei nicht ab, ihn am 17. Dezember 1937 erstmals festzunehmen, nach Berlin zu transportieren und mehrere Tage zu verhören. Am 21. Dezember bat der Osnabrücker Bischof Berning den in Berlin ansässigen Bischof Heinrich Wienken, sich nach dem Schicksal von Max Größer und den Gründen der Festnahme zu erkundigen. Wienken leitete das 1937 neu geschaffene Kommissariat der Deutschen Bischofskonferenz, eine wichtige Mittelinstanz zwischen den katholischen Diözesen und den Staats- und Parteistellen des nationalsozialistischen Regimes. Als bischöflicher Unterhändler verschaffte Wienken Hunderten Hafterleichterungen, viele rettete er vor dem Konzentrationslager. Für Größer engagierte er sofort einen Rechtsanwalt, der Größers Freilassung nach zahllosen Verhören erwirkte, ohne dass er einem Untersuchungsrichter vorgeführt worden wäre. Vom Oktober 1938 bis Januar 1939 wurde Max Größer abermals in Berlin inhaftiert und kam am 4. Februar 1939 wieder frei. 

Ungeachtet dieser Repressionen brach er bald nach seiner Haftentlassung auf, um mit dem "Comitee vor Vluchtelingen" in Utrecht über die vorläufige Übersiedlung und den Zwischenaufenthalt von katholischen "Nichtariern" in den Niederlanden zu sprechen. Diese geheim gehaltene Reise zeitigte Ärger, vielleicht gar Verleumdungen aus den eigenen caritativen Kreisen. Grösser hielt es für möglich, dass trotz der beabsichtigen Geheimhaltung "von Hamburger Nichtariern nach Holland Meldungen gingen über die Reise. Immerhin weiss ich im Comité in Utrecht nichts von Feinden." Er fürchtete, dass einige Personen aus dem Caritasverband seine Strategie zugunsten der katholischen Juden skeptisch betrachteten. Was genau vorfiel, ist nicht bekannt.
 
Der St. Raphaels-Verein hatte sich – siehe oben – seit Jahren intensiv um die Ansiedlung katholischer Juden in Brasilien und die Visaerteilung durch die brasilianische Regierung bemüht. Auf Bitten des Vereins und der Deutschen Bischofskonferenz setzte sich Papst Pius XII. auf diplomatischem Wege für die Erteilung brasilianischer Visa ein. Im Juli 1939 und Februar 1940 reiste Max Größer nach Rom, um bei Verhandlungen mit höchsten Vatikanstellen die beschleunigte Erteilung von tausenden Visa durch die brasilianische Regierung zu erreichen. Der brasilianische Präsident Vargas sagte 3.000 Visa zu, von denen 2.000 in Deutschland und 1.000 über den Vatikan vergeben werden sollten. Die Ausstellung der zugeteilten 1.000 Visa bei der Brasilbotschaft im Vatikan lief gut an, während die Erteilung der 2.000 Visa über Berlin sich infolge fragwürdiger Taktiken der dortigen Botschaft immer wieder verzögerte. Während in der Reichshauptstadt um jedes einzelne Visum gerungen wurde, stapelten sich tausende Anfragen beim St. Raphaels-Verein und dem "Hilfsausschuß". Max Größer, der auf der Rückreise mit den Beratungsstellen in München, Wien und Frankfurt/Main konferierte, traf am 4. März, krank durch Haft, Drangsalierungen und Stress, wieder in Hamburg ein. Am 18. März brach er nach Berlin auf und führte noch am gleichen Tag Verhandlungen bei der apostolischen Nuntiatur und mit der Brasilbotschaft. Doch die psychischen Strapazen waren so groß, dass Max Größer am 19. März 1940 im Hedwigsheim an Herzversagen starb. Er war nur 52 Jahre alt geworden.

Die Beisetzung erfolgte in Anwesenheit zahlreicher Persönlichkeiten aus dem Pallottinerorden, des St. Raphaels-Vereins, des Deutschen Caritasverbandes und der Schiffahrtsgesellschaften HAPAG und Norddeutscher Lloyd am 27. März auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf. Monsignore Bernhard Wintermann, der erste Vorsitzende des St. Raphaels-Vereins, schrieb in der Todesanzeige: "In diesen Jahren wußte er [Größer] die Raphaelsfürsorge für katholische Auswanderer so auszubauen, daß sie allen Anforderungen gerecht wurde. Auf einer Reise nach Berlin setzte Gott seinem unermüdlichen Schaffen ein Ende. Noch eine Stunde vor seinem Tode war er für die katholischen Auswanderer tätig."

In seinem Nachruf hob der St. Raphaels-Verein hervor: "Jede Begegnung mit ihm ist uns eine frohe Erinnerung geworden. Von den Schicksalsschlägen, die ihn getroffen haben, hat er selten gesprochen, nie mit Verbitterung. Allem wußte er die beste, die wertvolle Seite abzugewinnen. Liebenswürdig im Gespräch, bescheiden im Auftreten, zur Hilfe bereit in jedem Augenblick, offenen Blickes für menschliche Größe und Schwachheit, ausgestattet mit einem wachen Bewusstsein für die Lebensrechte des deutschen Volkes, ein glaubens- und bekenntnisfroher Sohn seiner Kirche, unermüdlich und schonungslos gegen sich selbst bei Arbeit und Werk, so steht sein Charakterbild vor unseren Augen."
 
Stand Januar 2015

© Manfred Hermanns

Quellen: Bericht über die Tätigkeit des Hilfsausschusses für die katholischen Nichtarier (August 1937–August 1938) unter dem Titel "Bericht Größer" vom August 1938 in Ludwig Volk (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933–1945. Bd. IV 1936–1939, Mainz 1981; Manfred Hermanns, "Im Dienste für andere will ich mich verzehren." Max Größer – Auswandererfürsorger und Auswandererseelsorger – Opfer des Nationalsozialismus. Festschrift zum 70. Todestag am 19. März 2010, hrsg. vom Raphaels-Werk, Dienst am Menschen unterwegs. Hamburg 2010; Manfred Hermanns, Weltweiter Dienst am Menschen unterwegs. Auswandererberatung und Auswandererfürsorge durch das Raphaels-Werk. Friedberg 2011; Wilhelm Nathem PSM, Die Fürsorgearbeit des St. Raphaels-Vereins für die katholischen Nichtarier. Dezember 1945, Archiv des Erzbistums Hamburg.

druckansicht  / Seitenanfang