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Bereits verlegte Stolpersteine




Stolpertonstein

Erzählerin: Christine Jensen
Sprecher: Maik Reif & Michael Latz
Biografie: Hildegard Thevs & Ulf Bollmann

Friedrich Thomas * 1919

Stresowstraße 33 (Kehre) (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
FRIEDRICH THOMAS
JG. 1919
MEHRMALS VERHAFTET
ZULETZT 1944
UG HAMBURG
HINGERICHTET 28.8.1944

Weitere Stolpersteine in Stresowstraße 33 (Kehre):
Franz Stobrawa

Friedrich Thomas, geb. 30.3.1919 in Hamburg, inhaftiert 1937, 1940, 1943–1944, hingerichtet am 28.8.1944 in Hamburg

Stresowstraße 33, Kehre, Fußweg zum Billhorner Röhrendamm
(Hardenstraße 29)

Friedrich Franz Leopold Thomas wurde 1919 als erstes von vier Kindern des evangelisch-lutherischen Kupferschmieds Ernst Thomas und seiner Ehefrau Erna, geb. Agricola, geboren. Der Vater stammte aus einer Arbeiterfamilie in Langenfelde bei Pinneberg und war von väterlicher Seite jüdischer Herkunft. Die Eltern heirateten 1918 in Hamburg, die Mutter wohnte bereits in Rothenburgsort, in der Stresowstraße 129. Der Vater arbeitete jetzt bei den Hamburger Wasserwerken, die Familie wohnte in der Hardenstraße 29, bis die Eltern nach der Ausbombung auf die Billwerder Insel beim Elbwasserwerk verzogen.

Friedrich Thomas besuchte die Hilfsschule und verließ sie am Ende seiner Schulzeit Ostern 1934 aus der siebten Klasse. Bis zum September arbeitete er bei Bauern in Mecklenburg und fuhr dann bis Januar 1937 zur See. Danach verdingte er sich als Landarbeiter. Als er nach einem Monat erwerbslos wurde, versuchte er, inzwischen 18 Jahre alt, als "Strichjunge" seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ging nur wenige Wochen gut, bis er aufgrund einer Denunziation im Juni 1937 vor Gericht gestellt wurde, wo ihm ärztlicherseits "Schwachsinn mittleren Grades" (§ 51) attestiert wurde. Aus diesem Grunde wurden die ihm vorgeworfenen Delikte aus dem § 175 teilweise außer Verfolgung gesetzt und aufgrund seiner Jugend eine viermonatige Haft unter Einbeziehung der Untersuchungshaft auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt, obwohl er aus dem Jahr 1936 bereits eine Vorstrafe wegen Diebstahls besaß. Er begann sein Pflichtdienstjahr, von Mitte 1937 bis 1938, beim Reichsarbeitsdienst in Pasewalk. Mitte 1938 fuhr er wieder zur See.

Zu Beginn des Feldzugs gegen Polen wurde Friedrich Thomas im September 1939 als Zivilmatrose zum Kriegs­marinedienst verpflichtet, womit er zum Gefolge der Kriegsmarine gehörte. Sein Wehrdienstverhältnis lautete Marineersatzreserve I. Er wurde hauptsächlich auf Truppentransportdampfern eingesetzt. Parallel dazu wurde 1939 die Bewährung seiner Strafe aus 1937 widerrufen, und er verbüßte Anfang 1940 eine Reststrafe von zwei Monaten Gefängnis in Glasmoor.

1942 heiratete Friedrich Thomas seine Freundin Eva Seidler. Aus der Ehe ging ein Kind hervor. Im Januar 1944 wurde die Ehe im gegenseitigen Einvernehmen geschieden, und Friedrich Thomas hatte sich wieder verlobt.

Am 19. März 1943 wurde Friedrich Thomas in Bordeaux wegen "Wachverfehlung im Felde" und "unerlaubter Entfernung" zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt. Das Kreiswehrmachtsgefängnis Bordeaux überstellte ihn über das Wehrmachtsgefängnis Freiburg am 7. Mai 1943 in das Strafgefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel, von wo aus er am 6. August 1943 nach der schweren Zerstörung Hamburgs im Juli/August vorübergehend entlassen wurde mit der Auflage, zur Verbüßung der Reststrafe von 93 Tagen zu gegebener Zeit zurückzukehren.

Nach der vorläufigen Entlassung erhielt er sofort einen neuen Einsatz auf dem Dampfer "Moero", von dem er am 16. November 1943 in Aarhus in Dänemark abgemustert wurde. Er sollte sich drei Tage später bei der Kriegsmarinedienststelle (KMD) in Hamburg melden, begab sich jedoch direkt zu seinen Eltern, erkrankte an einer Grippe, versäumte weiter die Meldung und schob sie aus Angst vor Strafe weiter hinaus. Er trieb sich in der Stadt herum, übernachtete in Bunkern, gab gegenüber seinen Eltern an, er schliefe auf dem Wohnschiff "Oxhöft" und ernähre sich vom Stammessen, für das er keine Lebensmittelmarken abgeben musste.

Im Dezember verlobte er sich mit der achtzehnjährigen Gerda R., einer Arbeiterin aus der Brüderstraße. Sie hatten sich in einer Bar, die Gerda mit ihrer verheirateten Schwester besuchte, kennen gelernt. Zur gleichen Zeit lernte er den Kameraden Hans Köllner in einer anderen Bar kennen. Dessen Mutter arbeitete bei der Firma Helbing in der Lübecker Straße. Dort brachen die beiden am 2. Dezember 1943 ein und stahlen aus dem Warenlager 31 Flaschen Rumverschnitt, die sie zunächst in einer Laube in Wandsbek versteckten, zum Teil selbst leerten, zum Teil zu 100 RM und mehr pro Flasche auf St. Pauli verkauften. Sie wiederholten den Einbruch am 21. Dezember, verstärkt um einen dritten Mann, stahlen 100 Fla­schen Likör und verfuhren wie beim ersten Mal.

Als sich schließlich Friedrich Thomas seinen Eltern offenbarte, rieten sie ihm, sich zu melden, was er tat. Daraufhin wurde er am 21. Januar 1944 verhaftet. Am 24. Januar wurde er um 15 Uhr in die Standortarrestanstalt 2, Hamburg-Altona, eingeliefert. Dort saß er bis zum 2. März 1944 in Untersuchungshaft ein und verbüßte anschließend die Reststrafe von der Verurteilung im Jahr zuvor.

Bereits am 27. Februar war die Anklageverfügung erlassen worden. In öffentlicher Sitzung wurde am 24. März 1944 gegen Friedrich Thomas unter Leitung des Marinekriegsgerichtsrats Schwanhäuser verhandelt, Dr. Löning vertrat die Anklage. Rechtsanwalt Mitte verteidigte ihn von Amts wegen. Dem Mitangeklagten Hans Köllner wurde Fahnenflucht zur Last gelegt, Friedrich Thomas unerlaubte Entfernung – Abwesenheit vom 19.11.1943 bis 21.1.1944 –, beiden zweifacher Einbruchdiebstahl. Hans Köllner wurde zum Tode verurteilt.

Das Feldgericht erkannte für Friedrich Thomas auf eine Strafe von fünf Jahren Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von fünf Jahren, die zusammengezogen wurden aus drei Jahren Gefängnis für die unerlaubte Entfernung und je zwei Jahren für den Einbruchdiebstahl; die kurze Untersuchungshaft wurde nicht angerechnet. Ihm wurde zugute gehalten, dass er Kontakt zu seinen Eltern behielt und nur einmal wegen Diebstahls vorbestraft war. Er sei kein Volksschädling, der die Kriegssituation ausgenutzt habe, und kein Gewohnheitsverbrecher, da von den Vorstrafen nur zwei über sechs Monate hinausgingen.

Das Oberkommando der Kriegsmarine Berlin beauftragte den Marineoberkriegsgerichtsrat Wilhelm Heltge mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens über die Urteile. Dieser schlug vor, das Urteil gegen Hans Köllner zu bestätigen und das gegen Friedrich Thomas "zur nochmaligen Prüfung der Sach- und Rechtslage und des Strafmaßes" aufzuheben. Das Oberkommando folgte seinem Vorschlag und ordnete die Vollstreckung von Hans Köllners Todesurteil an. Am 2. Mai 1944 wurde dieser am Schießstand in Hamburg-Rahlstedt, Höltigbaum, um 7.30 Uhr erschossen.

Der Gerichtsherr und Admiral der KMD Hamburg wurde "mit der beschleunigten Bildung eines neuen Feldkriegsgerichts" beauftragt. Am 5. Mai wurde ein neuer Termin für den 16. des Monats angesetzt, Anklagevertreter und Pflichtverteidiger waren dieselben wie im ersten Verfahren. Da sich Friedrich Thomas zu dem Zeitpunkt wegen einer Erkrankung an Diphtherie im Krankenhaus in Langenhorn befand, wurde die erneute Verhandlung auf den 29. Juni verschoben.

Das Feldgericht folgte dem Gutachten, das auf Fahnenflucht statt unerlaubter Entfernung erkannte, und das frühere Teil-Strafmaß von "nur drei Jahren Gefängnis" mit der Begründung kritisierte, es sei erforderlich, "bei so lange Zeit (2 Monate) dauernden unerlaubten Entfernungen auch gegen das Gefolge mit schärfsten Strafen einzuschreiten. Es geht nicht an, dass junge, wehrfähige Männer glauben, ihre den Wehrdienst ersetzende Dienstverpflichtung weniger genau nehmen zu müssen. … Dabei kann der Schwachsinn des Angeklagten nicht zu einer milderen Beurteilung führen. Wer eine Strafverbüßung als so unangenehm empfindet, dass er sich seiner Dienststelle fernhält, ist auch fähig, das Unrecht neuer Straftaten zu erkennen und danach zu handeln. … Die Kriegsnotwendigkeiten erfordern hier rücksichtsloses Einschreiten gegen Schwächlinge, Minderwertige, Psychopathen und ähnlich Veranlagte." Es folgte auch der Erwägung, dass die Todesstrafe angebracht sei.

Friedrich Thomas richtete ein Gnadengesuch an den "Herrn Admiral der Kriegsmarine Berlin", abgeschickt aus dem Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Hamburg-Altona, Gerichtsstraße 2, das dort am 4. Juli 1944 einging. Es lautete:

"Ich, der Zivilmatrose Friedrich Thomas, geb. am 30.3.1919 in Hamburg, bin am 29.6.44 vom Marinekriegsgericht zum Tode verurteilt. Ich bereue meine Tat von ganzem Herzen und möchte alles wieder rückgängig machen. Ich bitte um Be­gnadigung und Frontbewährung. Ich möchte meine ganze Kraft einsetzen um zu beweisen, dass ich wieder ein anständiger Mensch werden will. Ich hatte nie ein Gedanken, dass ich mich nicht melden wollte ich wollte mich immer wieder melden, das können meine Eltern bezeugen. Ich bin am 16. von der KMD Aarhus nach der KMD Hamburg geschickt worden, im Zug wurde mir aber schon schlecht und als ich dazu gekommen bin [mich zu melden], bin ich eine Viertelstunde vorher verhaftet worden. Ich bin nach dem Großangriff auf Hamburg aus Fuhlsbüttel entlassen worden und hab mich sofort bei der KMD Hamburg gemeldet. Ich bin total bombenbeschädigt gewesen. Ich bitte sie um Gnade und Frontbewährung, dass ich mich bewähren kann. Ich bin nie allein auf den Gedanken gekommen eine Straftat zu begehen. Ich bin immer dazu verleitet worden. Ich bitte Gott als meinen Zeugen, dass ich mich melden wollte. Ich bitte Gott Tag und Nacht um Gnade. Ich kann immer wieder beteuern, dass ich mich melden wollte. Ich bitte von ganzem Herzen um Gnade und Barmherzigkeit. Ich möchte mein Leben für Führer, Volk und Vaterland einsetzen. Friedrich Thomas, Matrose"

Doch das Oberkommando der Kriegsmarine lehnte mit Datum vom 10. Juli 1944 das Gnadengesuch ab, zugleich wurde die Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet. Daraufhin verfügte der Gerichtsherr, dass Friedrich Thomas nicht erschossen, sondern enthauptet werden solle. Deswegen musste der Scharfrichter aus Hannover beauftragt werden, der der Untersuchungshaftanstalt Hamburg, Holstenglacis 3, den Vollstreckungstermin mitzuteilen hatte. Er legte den 31. Juli 1944, 16 Uhr fest. "Da die Richtstätte infolge Bombenschadens nicht zu be­nutzen ist", wurde der Termin verschoben. Erna Thomas richtete ihrerseits ein Gnadengesuch für ihren Sohn an den "Admiral der Kriegsmarine", das ohne Wirkung blieb. Der Marine-Chefrichter Nordsee erkundigte sich am 15. August nach dem Stand der Vollstreckung des Todesurteils, als noch kein neuer Termin feststand. Der wurde kurzfristig für den 28. August, 16 Uhr, festgelegt.
Eine letzte Bitte des Verurteilten am 28. August um einen Gnadenerweis wurde abgelehnt.

Friedrich Thomas richtete einen Abschiedsbrief an seine Eltern.

"Liebe Eltern
Leider kann ich euch nicht wiedersehen, denn sie haben mein Gnadengesuch abgelehnt. Bitte denkt nicht schlecht von mir und behaltet mich immer lieb, wie ich euch immer lieb gehabt habe. Ich danke euch für alles Gute was ihr für mich getan habt. Schreibt bitte Gerda, dass ich nicht mehr bin. Meine Sachen lass’ ich nach Hause nach euch schicken und bitte euch behaltet es, vielleicht kann Papa es gebrauchen oder Heinz Kurt oder Rolf. Ich kann es immer noch nicht glauben, aber der Staatsanwalt war eben hier.
Nun will ich schließen
tausend Grüße und Küsse
von eurem Sohn Fritz
grüßt bitte alle noch von mir"


In Anwesenheit des Marineoberstabsrichters Löning, des Marinestabsarztes Passmann und von Erich Eske, Pastor im Nebenamt am Untersuchungsgefängnis, wurde Friedrich Thomas am 28. August 1944 um 16.03 Uhr mit dem Fallbeil enthauptet. Die Leiche wurde in das Anatomische Institut des Universitätskrankenhauses Eppendorf überführt. Die Mutter erhielt von der Vollstreckung des Todesurteils Kenntnis, wobei ihr gleichzeitig untersagt wurde, den Tod ihres Sohnes zu veröffentlichen. Am nächsten Tag wurde Friedrich Thomas’ Leichnam in Hamburg-Ohlsdorf eingeäschert. Sein Grab befindet sich heute zwischen Mittel- und Kriegerallee im Feld BM 52, Reihe 3, Grab 30. Sein Tod wurde erst neun Jahre nach seiner Hinrichtung in das standesamtliche Sterberegister eingetragen.

Da Friedrich Thomas die längste Zeit seines Lebens in der Hardenstraße 29 gelebt hat, soll an der Stelle des ehemaligen Wohnhauses ein Stolperstein an sein Schicksal erinnern.

© Hildegard Thevs/Ulf Bollmann

Quellen: BA Freiburg, RM 123/54116 F. F. L. Thomas; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 5043/37; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 4 (84), 12, 13 und 16; 332-5 Standesämter, 1329+122 /1953 und 3328+284/1918; Archiv des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-Ost, Pas­­toren­ver­zeich­nis; Berichte von Erich Eskes, BILD 1971.

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