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Heinz Pabst * 1933

Eißendorfer Straße 62 (Harburg, Eißendorf)


HIER WOHNTE
HEINZ PAPST
JG. 1933
EINGEWIESEN 1940
ALSTERDORFER ANSTALTEN
1943 "VERLEGT"
HEILANSTALT MAINKOFEN
ERMORDET 27.4.1944

Heinz Pabst, geb. am 13.12.1933 in Harburg, eingewiesen in die Alsterdorfer Anstalten, verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen", dort ermordet am 27.4.1945

Stadtteil Eißendorf, Eißendorfer Straße 62

Heinz Pabst war das erste Kind seiner Eltern Henry und Erika Pabst, geb. Finke (geb. 18.10. 1908). Sein Bruder Manfred kam fünf Jahre später am 13.11.1938 zur Welt. Erika Pabst hatte vor ihrer Heirat als Hausangestellte gearbeitet. Ihr Mann war Maschinenschlosser.

Heinz Pabsts Geburt verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Das Kind musste mit einer hohen Zange geholt werden, wobei die Mutter einen Darmriss erlitt, der anschließend im Städtischen Krankenhaus Harburg-Wilhelmsburg behandelt wurde. Der Junge bekam nach seiner Geburt drei Tage lang Krämpfe. Die Folgen der komplizierten Entbindung erwiesen sich bald als langfristig.

Das Kind konnte mit zwei Jahren weder sitzen noch laufen, es lag nur, obwohl es sonst körperlich gut entwickelt war. Sein Appetit ließ nichts zu wünschen übrig. Geistig war der zweijährige Junge in seiner Entwicklung noch deutlicher zurückgeblieben. Er konnte zu dieser Zeit kein Wort sprechen und zeigte Wünsche und Bedürfnisse durch einfache Gesten an. Er wirkte nervös und wurde mit zunehmendem Alter unruhiger und aggressiver.

Henry und Erika Pabst setzten sich wegen dieser Entwicklungsstörungen ihres Kindes bereits früh mit dem Harburger Jugendamt in Verbindung. Daraufhin wurde der Junge mehrfach im Städtischen Krankenhaus Harburg-Wilhelmsburg und in der Universitätsklinik Eppendorf untersucht. Der zuständige Amtsarzt sah sich durch die jeweiligen ärztlichen Gutachten in seiner Diagnose bestätigt, dass Heinz Pabst auf Grund eines Geburtsfehlers unter "Schwachsinn" leide. Eine Beschulung sei völlig aussichtslos. Darüber hinaus stelle der kleine Junge schon jetzt "eine Gefahr für die Allgemeinheit infolge seiner Wutanfälle, seiner Zerstörungssucht und seiner aggressiven Handlungen gegenüber anderen Kindern" dar. Deshalb müsse er "baldmöglichst [auf Kosten des Landesfürsorgeamtes] in einer Anstalt für schwachsinnige Kinder (etwa Alsterdorf) untergebracht werden." Das Landesfürsorgeamt ordnete daraufhin die Überweisung des Jungen in eine "Hamburgische Anstalt für Geisteskranke, Idioten und Epileptiker" an. Am 17. Juni 1940 wurde Heinz Pabst im Alter von sechseinhalb Jahren als Zögling in die damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen.

Dort verlief seine weitere Entwicklung sehr widersprüchlich, wie die Eintragungen der Ärzte und des Pflegepersonals in seiner Krankenakte zeigen. Hieß es einmal, er sei sehr lebhaft und spiele gern mit Bauklötzen, könne zwar nicht sprechen, verstünde aber alles, so hielt ein anderer Eintrag zwei Wochen später fest, "dass er meistens angegurtet werden muss. Er spielt wenig, seine Bauklötze wirft er eigentlich nur in die Gegend."

Für Heinz Pabsts weiteren Lebensweg war das Wirken zweier Männer nicht ganz unwichtig, die damals in führenden Postionen für das Wohl der Alsterdorfer Anstalten und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner in hohem Maße Verantwortung trugen: Gerhard Kreyenberg und Friedrich Lensch. Gerhard Kreyenberg, der Leitende Oberarzt und Stellvertretende Direktor des Hauses, hatte im Laufe der Jahre ein immer schärferes Selektionskonzept entwickelt, von dem besonders die arbeitsschwachen und arbeitsschwach gewordenen Erwachsenen und die Kinder mit schweren Behinderungen betroffen waren. Viele seiner abschließenden Stellungnahmen endeten mit den Worten "hier nicht mehr zu halten" oder "nicht mehr tragbar." Als Pastor Lensch, der Direktor der damaligen Alsterdorfer Anstalten, die Hamburger Gesundheitsbehörde während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg am 30. Juli 1943 um den Abtransport von ca. 750 Anstaltsinsassen bat, reagierte Gesundheitssenator Friedrich Ofterdinger prompt auf das Ersuchen. Innerhalb der nächsten beiden Wochen wurden 469 Patientinnen und Patienten der damaligen Alsterdorfer Anstalten auf der Grundlage der von Kreyenberg entwickelten Selektionskriterien in Einrichtungen deportiert, in denen durch Hunger, Kälte, Überdosierung von Medikamenten und Nichtbehandlung von körperlichen Erkrankungen gemordet wurde.

Am 10. August 1943 ging Heinz Pabst zusammen mit 112 anderen Insassen der Alsterdorfer Anstalten auf Transport in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau, wo die Neuen keineswegs willkommen geheißen wurden. In den Schlafsälen, auf die sie verteilt wurden, standen über 100 Betten. Als noch schlimmer erwies sich der Hunger, dem viele ausgesetzt waren. Bereits Ende 1942 hatte das Bayerische Staatsministerium angeordnet, "dass sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht diejenigen Insassen …, die nutzbringende Arbeit leisten oder in therapeutischer Behandlung stehen … zu Lasten der übrigen Insassen besser verpflegt werden." Die Auswirkungen dieses Erlasses zeigten sich bald, wie die Aussage eines Überlebenden dokumentiert, der das Glück hatte, Küchendienst leisten zu müssen: "Die [viele Freunde] sind verhungert, … die haben einfach nichts bekommen, aber wir konnten uns ja nicht verteidigen. Es gab ja keine Stelle dafür. Wir mussten ja alles über uns ergehen lassen … Du hast dann gehört, dass der Krause weg war, und dann war der Becker weg und ..."

Am 8. Mai 1945, als Hitler-Deutschland kapitulierte, waren 52 der aus den Alsterdorfer Anstalten hierher Verlegten nicht mehr am Leben. Zu ihnen zählte auch Heinz Pabst. Er starb am 27. April 1945 im Alter von nicht einmal zwölf Jahren und fand auf dem Anstaltsfriedhof seine letzte Ruhe.

Die Direktion der "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" benachrichtigte die Eltern über den Tod ihres Kindes jedoch erst fünf Monate später – am 20. September 1945 – und verwehrte ihnen anschließend den Wunsch, die Leiche ihres Kindes einäschern zu lassen und die Urne dann nach Hamburg zu schicken, mit der Begründung, dass "die Exhumierung erhebliche Schwierigkeiten" verursachen würde und dass "die Ruhe, die der Verstorbene auf unserem Anstaltsfriedhof gefunden hat, nicht ohne absolute Notwendigkeit" gestört werden sollte.

© Klaus Möller

Quellen: Gedenkbuch der Evangelischen Stiftung Alsterdorf; Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, Krankenakte Heinz Pabsts (V460); Wunder u. a., Kein Halten, 2. Auflage.

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