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Bereits verlegte Stolpersteine



Haskel (Adolf) Lubelsky * 1898

Ifflandstraße 10 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
HASKEL (ADOLF) LUBELSKY
JG. 1898
VERHAFTET 1937
FUHLSBÜTTEL
1941 BREMEN-OSLEBSHAUSEN
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 10.2.1943

Weitere Stolpersteine in Ifflandstraße 10:
Hermann Kohn, Sidonie Kohn

Haskiel Hemije Lubelsky, genannt Adolf, geb. am 22.1.1898 in Pabianice/Polen, ermordet im KZ und Vernichtungslager Auschwitz am 10.2.1943

Ifflandstraße 10/11

"Der Hang zur höheren Bildung machte sich bei mir derart bemerkbar, dass ich weder für Handwerk noch Kaufmann Interesse hatte, sondern ständig hinter Büchern einsam, oft auf den Boden geflüchtet, saß und alles, was die öffentliche Bücherei über Reisen und Länder und Völker besaß, einfach verschlang. Endlich musste ich den Drohungen meiner Mutter nachgeben und bei dem Hauselektriker, den Mutter bei einer Reparatur kennen lernte, in die Arbeit treten." Dieser kurze Text ist Teil des Lebenslaufs, den Haskiel Lubelskys 1939 verfasste, nachdem er wegen "Rassenschande" zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden war. Er lässt seine Not erkennen, einen seinen Neigungen entgegen stehenden Brotberuf erlernen zu müssen und kein Verständnis für seine Interessen zu finden, aber auch seine Flucht aus der Realität.

Haskiel Hemije Lubelsky, der sich später Adolf nannte, wurde am 22. Januar 1898 in Pabianice in Polen geboren. Seine Mutter Rosalie, geborene Rothkopf/Routkow, und sein Vater Markus, ein Schneidermeister, zogen bald darauf nach Breslau. Dort wurde 1899 ihr Sohn Leo geboren. Noch im selben Jahr übersiedelten sie nach Nürnberg, wo Markus Lubelsky ein Gewerbe als Schneidermeister anmeldete. Von weiteren Geschwistern Haskiel Lubelskys sind zwei 1902 und 1903 in Nürnberg geborene Schwestern bekannt, Hella und Frania, die beide nur wenige Monate alt wurden. Im Juni 1903 starb auch der inzwischen vierjährige Leo, vermutlich aufgrund eines Unfalls auf der Straße. Ein weiterer Bruder, über den nichts Näheres bekannt ist, erreichte das Erwachsenenalter. Haskiel erinnerte sich später, der Vater sei lungenkrank gewesen und habe in die Schweiz übersiedeln wollen, sei aber über Nürnberg nicht hinaus gekommen. Dort starb er 1905, mit 72 Jahren.

Haskiel besuchte in Nürnberg acht Jahre lang die Simultanschule, eine Volksschule ohne konfessionelle Ausrichtung. Die Mutter war Analphabetin. Sie hatte nicht die Mittel, ihren Sohn auf eine höhere Schule zu schicken und ließ ihn Elektriker werden. Nachdem er sich fachlich eingearbeitet hatte, wäre er gern auf das Königlich Bayerische Technikum gegangen – eine Vorläufereinrichtung der heutigen Technischen Hochschule Nürnberg –, aber auch dafür fehlte das Geld. "Für die grobe Arbeit des Wändedurchbrechens, mit hoch gehobenen Armen an der Decke arbeiten, die Lasten der schweren Motoren schleppen", sei er zu schwach gewesen, begründete er seinen Berufswechsel. 1916 begann er in Nürnberg eine Hilfstätigkeit als Beleuchter, kam 1917 an das Würzburger Stadttheater und 1918 an das Sonneberger Theater in Thüringen. Als er später am Theater keine Arbeit mehr fand, war er als Volontär abwechselnd in Buchdruckereien und im Buchhandel tätig.

1923 siedelte er sich auf der Suche nach einer besseren Bezahlung in Altona an – damals noch eine selbstständige preußische Stadt bei Hamburg – und arbeitete als Lagerist bei einer großen Papierfirma. Danach ging er nach Frankreich, fand auch sofort Arbeit, litt aber derart unter Heimweh, dass er 1925 nach Hamburg zog. Dort stellte ihn die AEG für ihre Großaufträge im Hafen ein. Doch wieder war er der schweren körperlichen Arbeit nicht gewachsen, zumal aufgrund eines früheren Unfalls sein rechter Zeigefinger gelähmt war. So nahm er -eine Tätigkeit in der Brothandlung von Hanna Stern, geborene Löbenstein, im Weidenstieg 5 auf. Sie war verheiratet mit Ephraim Stern, der in der Familienwohnung an der Kielortallee 15 einen Handel mit Stoffresten betrieb, Coupons genannt. Außerdem arbeitete Haskiel hin und wieder als Schomer-Kaschrut – als Koscher-Wächter – in der Bäckerei von Paul Hempel in der Rutschbahn.

Hanna und Ephraim Stern hatten fünf Kinder, von denen eines früh gestorben war. Die Älteste war Recha (s. www.stolpersteine-hamburg.de), geboren am 21.11.1904, es folgten Emil (geboren 1906), Sara (geboren 1911) und Emmi (geboren 1914, gestorben 1921). Die Jüngste war Jettchen, geboren 1916. Recha besuchte die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße und bereitete sich auf eine Bürotätigkeit vor. 1919 trat sie als Bürokraft in den Deutsch-Israelitischen Synagogenverband in Hamburg ein. Nach sechs Jahren, 1925, gab sie diese Anstellung auf und machte sich mit einem kleinen Papierwaren- und Brotgeschäft selbstständig. Im selben Jahr wurde Haskiel Lubelsky Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und trat dem Synagogenverband bei.

Am 2. Dezember 1926 heirateten Recha Stern und Haskiel Lubelsky. Dadurch erhielt Recha die polnische Staatsangehörigkeit. Haskiel Lubelsky arbeitete nach wie vor als Brothändler und wohnte in der Bornstraße 22, Recha lebte noch bei den Eltern in der Kielortallee und half inzwischen ihrem Vater beim Stoffhandel. Weder Ephraim und Hanna Stern noch Haskiel und Recha Lubelsky besaßen Gewerbescheine für ihre Geschäfte. Die jungen Eheleute wurden offenbar dauerhaft von der Kommission für das Wohlfahrtswesen der jüdischen Gemeinde unterstützt. Ihre Verbindung blieb mehrere Jahre kinderlos, bis am 4. April 1931 der Sohn Marcus geboren wurde. Ein Jahr später, am 24. Juli 1932, kam Ruth-Olga zur Welt.

Bereits 1930 hatte sich Haskiel Lubelsky selbstständig gemacht und einen Lesezirkel gegründet. Darin fand er seine berufliche Erfüllung. Das hatte jedoch eine Entfremdung von seiner Frau zur Folge. Am 12. Februar 1933 trennten sich Recha und Haskiel Lubelsky und rangen nun um den Aufenthaltsort der Kinder. Haskiel holte sie fast täglich ab, da sein Lesezirkel schlecht lief. Dadurch hatte er Zeit für Marcus und Ruth-Olga, es fehlte jedoch an Geld. Recha bezog Wohlfahrtsunterstützung. Außerdem bekam sie Hilfe von ihren Eltern, bis ihr Vater im Dezember 1935 starb. Hilfe von den Geschwistern gab es nicht: Emil, der 1926 mit rund 20 Jahren nach Brasilien ausgewandert war, lebte wieder in Deutschland, allerdings in Berlin, Jettchen, die eine leichte geistige Behinderung hatte, in Köln und Sara war nach einer bedrohlichen Begegnung mit "NS-Rowdies" nach Dänemark geflohen. Haskiel Lubelsky behauptete, er würde Marcus und Ruth-Olga versorgen und soweit nötig bei Nachbarinnen unterbringen. Trotzdem blieben die Kinder bei der Mutter.

Nach einjähriger Trennung wurde die Ehe zwischen Haskiel und Recha Lubelsky 1934 geschieden, Haskiel galt als der allein schuldige Teil. Etwa zwei Jahre später wurde ihr Sohn Marcus eingeschult, er besuchte die Talmud Tora Schule. Recha nahm eine Aushilfstätigkeit in einem Büro auf und verdiente als Weißnäherin etwas dazu. Sowohl sie mit den beiden Kindern als auch Haskiel zogen häufig um.

Der Aufbau von Haskiel Lubelskys Geschäft war langsam vorangegangen. Kraft für seine Arbeit schöpfte er auch aus Vorträgen zu seinen Interessengebieten – Geschichte, Geographie, Reisen, Länderkunde, Völkerwanderung – in der Volkshochschule und an der Universität. Als nach und nach Kunden absprangen, suchte er einen Käufer für seinen Lesezirkel. Er fand jedoch keinen, was an seinen Nerven zehrte. Auch der freundschaftliche Kontakt mit seiner Frau der Kinder wegen bewahrte ihn nicht vor einem Nervenzusammenbruch; andere Kontakte hatte er kaum gepflegt.

1937 nahm er eine Tätigkeit in seinem erlernten Beruf als Elektriker bei der Firma Fabke auf, Alter Steinweg 42/43. Diese war jedoch nicht von langer Dauer: Am 12. November 1937 wurde er wegen "Rassenschande" verhaftet. Er war eine Beziehung zu einer nichtjüdischen Frau eingegangen, was ihm als Juden laut dem "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15.9.1935 verboten war. Es dauerte fast ein Jahr, bis das Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet wurde. Nachdem der Reichsminister des Innern und der Reichsminister der Justiz Ende Oktober 1938 der Strafverfolgung zugestimmt hatten, wurde rund drei Wochen später das Verfahren eröffnet. Das am 16. Dezember 1938 verkündete Urteil lautete auf sechs Jahre Zuchthaus. Bei Anrechnung von sechs Monaten Untersuchungshaft wurde als Entlassungstermin der 16. Juni 1944 festgesetzt.

Haskiel Lubelsky blieb zunächst in Hamburg-Fuhlsbüttel in Haft. Recha Lubelsky wiederum bemühte sich intensiv um eine Ausreisemöglichkeit für sich und die beiden Kinder. Im Frühjahr 1939 erhielt sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Ausreise nach England, die jedoch verfiel. Immerhin gelang es ihr wenige Wochen später, den inzwischen achtjährigen Marcus mit dem Kindertransport am 25. Juli 1939 nach England und damit außer Gefahr zu bringen.

Ab dem 19. Februar saß Recha Lubelsky als "Schutzhaft"-Gefangene der Gestapo im KZ Fuhlsbüttel ein. Am 11. März 1940 wurde sie mit der Auflage entlassen, ihre Auswanderung zu betreiben, "da sie eine erhebliche Gefahr für die arischen Männer bildet". Während ihrer Abwesenheit waren verschiedene Haushaltsgegenstände ins Pfandhaus gebracht worden, die sie nach ihrer Entlassung nicht auslösen konnte, da sie völlig mittellos war. Die Tochter wurde offenbar durch das jüdische Waisenhaus versorgt. Im März 1940 gab Recha als Auswanderungsziele Manila oder Palästina an, im April Schanghai. Für Letzteres erhielt sie im Juni eine erneute Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Flucht scheiterte.

Am 1. März 1941 wurde Haskiel Lubelsky in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verlegt. Zwei Jahre später, am 14. Januar 1943, wurde seine Haft auf Anordnung des Reichsjustizministers "unterbrochen" und er nach Auschwitz überführt. Am 10. Februar 1943 war er bereits tot. Er wurde 45 Jahre alt.

Recha Lubelsky und die mittlerweile neun Jahre alte Tochter Ruth-Olga wurden am 25. Oktober 1941 mit dem ersten Osttransport aus Hamburg in das Getto von Lodz deportiert. Ihre Mutter Hanna und ihre Schwester Jettchen wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga verbracht.

Haskiel Lubelskys Sachen – insgesamt 67 Posten –, die er bei seiner Inhaftierung bei einer Frau Elias untergestellt hatte, wurden unter dem Namen "Israel Lubelsky" am 2. und 3. Januar 1942 durch den Gerichtsvollzieher im Amt Drehbahn versteigert. Möglicherweise gehörten dazu auch Besitztümer seiner ehemaligen Frau Recha, da auch eine Nähmaschine für 40 Reichsmark zur Versteigerung kam. Von dem Gesamtserlös von 433,40 Reichsmark erhielt der Oberfinanzpräsident 406,35 Reichsmark.

Für Recha Lubelsky und Ruth-Olga Lubelsky liegen Stolpersteine in Hoheluft-Ost, Löwenstraße 12.

Stand: Mai 2016
© Hildgard Thevs

Quellen: 1; 2; 5; StaH 213-8 Gefängnisverwaltung Abl. 2, 451 a E 1, 1 e; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen 468; StaH 314-15 OFP FVg 81334; 332-5 Standesämter 1083 u. 466/1935; 8807 u. 406/1926 StaH 351-11 AfW 3638 (Hanna Stern); 36438 (Sara Eschwege, geb. Stern); 49838 Marcus Lubelsky; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 390; 391; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 1 u. 3; Stadtarchiv Nürnberg, Sterbeurkunden, Gewerbeanmeldung C 22/II Nr. 33/3578 (Schreiben vom 17.12.2012); Johannes Grossmann, Recha Lubelski, online unter: ww.stolpersteine-hamburg.de (letzter Zugriff 3.3.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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