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Jenny Heinemann (geborene Berna) * 1866

Ackermannstraße 17 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
JENNY HEINEMANN
GEB. BERNA
JG. 1866
FLUCHT 1939
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Jenny Heinemann, geb. Berna, geb. am 2.1.1866 in Burgsteinfurt, 16.1.1939 Flucht nach Holland, eingewiesen am 19.1.1943 in das "Durchgangslager" Westerbork, deportiert am 29.1.1943 in das KZ und Vernichtungslager Auschwitz, dort ermordet

Ackermannstraße 17

"Ich, die Unterzeichnete, Jenny Sara Heinemann, geb. Berna, geb. 2. Januar 1866 in Burgsteinfurt, werde in aller Kürze nach Holland zu meinen Schwestern auswandern. Zu diesem Zwecke behändige ich Ihnen einliegend die Liste meines Umzugsguts in dreifacher Ausfertigung, und bemerke hierzu, dass es sich größtenteils nur um Gegenstände des persönlichen Bedarfs handelt, die vor sehr langen Jahren angeschafft wurden. … Ich bemerke ergebenst, dass ich im Zusammenhang mit der Auswanderung nichts Neues angeschafft habe." [Unterstreichungen im Original]

Am 18. Januar 1938 richtete Jenny Heinemann dieses Schreiben an die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten in Hamburg. Doch noch gut ein Jahr dauerte es bis zu ihrer tatsächlichen Auswanderung. Und auch diese verschaffte ihr nicht die Sicherheit, die sie erwartet hatte.

Jenny Berna kam am 2. Januar 1866 als zweite Tochter von Moritz Berna und Friederike, geborene Schoenbach, in Burgsteinfurt in Westfalen zur Welt. Ihre ältere Schwester hieß Sophie, geboren am 28.5.1861, ihre jüngere Rosalie, geboren am 19.4.1867. Beide Schwestern heirateten Niederländer mit dem Namen de Beer und zogen nach Amsterdam. Jenny Berna schloss am 15. Mai 1893 in Kassel die Ehe mit Meier Heinemann, geboren am 17.9.1862 in Mansbach/Osthessen. Zusammen mit seinen Eltern war er erst im Jahr vor der Heirat aus seinem Geburtsort nach Kassel gezogen. Er arbeitete als Kaufmann wie sein Vater Süßmann Heinemann.

Jenny und Meier Heinemann bezogen in Kassel zunächst eine Mietwohnung in der Sedanstraße 22. Dort kam am 19. Juni 1894 der Erstgeborene, Ludwig, zur Welt. Die beiden folgenden Kinder, Else und Martha, starben bereits im ersten Lebensjahr. Noch vor der Jahrhundertwende wechselten Jenny und Meier Heinemann zwei Mal die Wohnung und als ihr viertes Kind, Helene Hertha, am 18. Juli 1902 geboren wurde, lebten sie in der Schillerstraße 23. Dort kam am 25. Dezember 1908 auch die jüngste Tochter Sophie Charlotte, genannt Lotte, zur Welt. Jenny Heinemann war zu der Zeit 42 Jahre alt.

Der Älteste, Ludwig Heinemann, besuchte das Realgymnasium zu Kassel und legte dort das Abitur ab. Unmittelbar danach meldete er sich als Kriegsfreiwilliger beim Heer und nahm als Frontkämpfer bis zum 11. November 1918 am Ersten Weltkrieg teil. Nach seiner Demobilisierung studierte er zunächst an der Technischen Universität Hannover Maschinenbau und wechselte dann an die Technische Hochschule München. Am 7. August 1923 erwarb er dort das Ingenieursdiplom. Danach kehrte er vorübergehend nach Kassel zurück und meldete sich 1924 nach Hamburg ab. Hier nahm er 1926 eine gut dotierte Stellung bei der Firma Mathias Stinnes, Feuerungs- und Wärmetechnik, an und heiratete im darauf folgenden Jahr die Apothekerstochter Hertha Sophie Bukofzer, geboren am 1. Dezember 1899 in Hamburg. Ihr Vater Oscar war bereits 1917 verstorben. Zur Hochzeit reisten die Eltern Heinemann aus Kassel an.

Hertha Sophie Bukofzer hatte wie ihr Bruder Werner Pharmazie studiert und arbeitete zusammen mit ihm in der elterlichen Löwen-Apotheke in der Neustadt, in der Schlachterstraße 27/28. Sie brachte als Mitgift eine monatliche Rente von 200 Reichsmark in die Ehe ein, zahlbar, solange ihre Mutter lebte. Die Deutsch-Israelitische Gemeinde vermerkte, dass sie, obwohl Studentin, freiwillige Beiträge entrichtete. Mit der Heirat – standesamtlich am 8. August 1927, einen Tag darauf beim Rabbinat des Israelitischen Tempelverbandes – schied sie als selbstständiges steuerpflichtiges Mitglied der Gemeinde aus. Am 23. August 1929 bekamen Ludwig Heinemann und sie eine gemeinsame Tochter, Ellen Johanna – Jenny und Meier Heinemanns erstes Enkelkind. 1931 machte sich Ludwig mit der Fa. Dipl. Ing. Ludwig Heinemann, Industrie- und Hausbrandkohlen, Feuerungstechnische Beratung, selbstständig. Er ließ sie per 4. März 1931 im Handelsregister eintragen und erwirkte die Zulassung zum Besuch der Börse. Der gutbürgerliche Wohnsitz in der Ackermannstraße 17 war zugleich der Firmensitz.

Jenny und Meier Heinemanns älteste Tochter Hertha wiederum heiratete am 25. Februar 1931 in Kassel den 17 Jahre älteren Ludwig Louis Goldschmidt aus Hamburg und meldete sich zum 1. April 1931 dorthin ab. Noch vor Jahresende reiste sie mit ihrem Ehemann nach Luanda in Angola, wo er als Vertreter großer deutscher Firmen tätig war. Dort wurde am letzten Tag des Jahres 1932 der gemeinsame Sohn Richard geboren.

Am 8. März 1932 starb Meier Heinemann in Kassel. Vier Wochen später zog Jenny Heinemann mit der jüngsten Tochter Charlotte nach Hamburg zu ihrem Sohn Ludwig und seiner Familie in die Ackermannstraße.

1934 kam auch die Tochter Hertha zusammen mit ihrem Sohn Richard aus Luanda nach Hamburg in die Ackermannstraße. Sie suchte die Hilfe ihrer Mutter, wenn ihr zweites Kind geboren würde. Am 18. Juli 1934 kam Hans-Heinrich Goldschmidt im Israelitischen Krankenhaus zur Welt. Im Februar 1935 traf zudem Jennys Schwiegersohn Ludwig Goldschmidt in Hamburg ein, und im Oktober 1935 kehrte die ganze Familie zurück nach Luanda. Ihr drittes Enkelkind, Gaby Nanette, lernte Jenny Heinemann nicht kennen, denn es wurde in Swakopmund geboren. Auch Jennys jüngste Tochter Sophie Charlotte zog es nach Afrika. Sie folgte ihrer Schwester 1936 nach Luanda und lebte als verheiratete Breitenfeld in Cassumba/Angola.

1933 erfolgte die Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Drei Jahre später schloss Ludwig Heinemann seine Firma. Sein Schwager Werner Bukofzer wiederum musste die Löwenapotheke einem nichtjüdischen Pächter übergeben. In der Folge zog Ludwig zusammen mit seiner Familie und seiner Mutter Jenny Heinemann aus der Ackermannstraße in die Isestraße 48. Anfang 1937 emigrierten er, seine Frau Hertha und die inzwischen siebenjährige Tochter zusammen mit Herthas 64-jähriger Mutter Gertrud Bukofzer nach Johannesburg. Im selben Jahr wurden ihm seine langjährigen Firmenvertretungen entzogen.

Jenny Heinemann schloss sich ihnen nicht an. Erst als mit dem Bruder ihrer Schwiegertochter, Werner Bukofzer, alle Verwandten Deutschland verlassen hatten, bemühte sie sich 1938 um die Übersiedlung zu ihren Schwestern nach Amsterdam. Diese lebten mittlerweile in einem gemeinsamen Haushalt. Als sich der Vorgang verzögerte, zog sie aus der Wohnung in der Isestraße aus, erst in eine möblierte Wohnung in der Brahmsallee 62 zu Edgar Haas, dann weiter in die Grindelallee 136 zu Hermann Elkeles und am 1. Februar 1939 für nur einige Tag in die Lenhartzstraße 1 zu Meyer. Auf ihrer Umzugsgut-Liste finden sich dementsprechend keine Möbel, nur Haushaltungsgegenstände und Kleidung. Aus dem üblichen Rahmen fielen eine Handnähmaschine und "1 Sack mit Flicken", ein Lautsprecher plus Detektor (eine Art einfaches Radio), Bridge-Utensilien, ein Opernglas und eine Serie Gebetbücher. Für die Reise mit der Bahn benötigte sie einen Koffer, den sie im Januar 1939 bei Ernst Klockmann erstand. Da er als Neuanschaffung für die Auswanderung galt, verlangte der Oberfinanzpräsident dafür eine Dego-Abgabe in Höhe des Anschaffungswerts von 54 Reichsmark. Ihre Angabe, es handele sich um ein Geschenk ihrer Schwestern, änderte nichts an der Forderung. Erst nachdem sie am 7. Februar die Überweisung an die Deutsche Golddiskontobank in Berlin getätigt hatte, konnte sie zwei Tage später Hamburg verlassen und zu ihren Schwestern Rosalie und Sophie nach Amsterdam ziehen. Per 18. Februar 1939 wurde ihr Pass gesperrt.

Wie alle Jüdinnen und Juden in den Niederlanden musste Jenny Heinemann ab 2. Mai 1942 den gelben Stern tragen. Noch im selben Jahr, am 7. September 1942, wurden ihre beiden Schwestern Rosalie und Sophie de Beer-Berna vom KZ Westerbork nach Auschwitz deportiert. Sie selbst wurde am 19. Januar 1943 in das Lager Westerbork gebracht und schon zehn Tage später ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Keine der drei Schwestern hat die Deportation überlebt.

Stand: Mai 2016
© Hildgard Thevs

Quellen: 1; 2; 4; 5; Joodsmonument; Hamburger Adressbücher; StaH 314-15 OFP FVg 3264; StaH 332-5 Standesämter, 3553 u. 529/1927; StaH 351-11 AfW 16 552 Eg Jenny Heinemann, darin Ludwig Heinemann, 26 311 Herta Helene Goldschmidt, geb. Heinemann, 34200 Sophie Charlotte Heinemann, 8018 Ludwig Goldschmidt; StaH 352-3 Medizinalkollegium, Bukofzer/Apotheker; Stadtarchiv Kassel, Margit Mennicke, E-Mail 23.10. und postalisch.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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