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Bereits verlegte Stolpersteine



Hertha Josias ca. 1937 in der Israelitischen Töchterschule Carolinenstraße
© Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg

Hertha Josias (geborene Selig) * 1898

Breitenfelder Straße 44 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz

Hertha Henriette Josias, geb. Selig, geb. 30.3.1898 in Hamburg, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 23.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert

Breitenfelderstraße 44

Herthas Eltern lebten in der Rutschbahn 23. Der Vater Adolf Selig, geb. am 13. November 1864 in Hamburg, betrieb im Alten Steinweg 61 eine Druckerei. Die Mutter Rosalie Rebecka, geb. am 5. Juni 1865, geb. Frankenthal, stammte aus Lübeck. Zwei Jahre nach Hertha, im November 1900, kam ihr Bruder Walter zur Welt. Er lernte ebenfalls Drucker und emigrierte 1933 zunächst nach Paris, später nach Barcelona und schließlich nach São Paulo, wo er 1972 starb.

Hertha besuchte die Schule Johnsallee und machte anschließend wahrscheinlich eine Ausbildung zur Sekretärin oder Bürokraft. 1923 heiratete sie den vier Jahre älteren David Nathan Josias, eines von acht Geschwistern aus einer praktizierenden jüdischen Familie. Wo die beiden sich kennengelernt haben, ist nicht geklärt – eventuell hat David Josias im Nachbarhaus der Druckerei oder sogar bei seinem späteren Schwiegervater gearbeitet. Im Mai 1924 wurde die Tochter Hannelore geboren. Als Hertha mit dem zweiten Kind schwanger war, erkrankte David schwer. Völlig unerwartet verstarb er am 9. Januar 1927 an Lungen- und Bauchfellentzündung. Vier Monate später brachte Hertha ihre Tochter Inge zur Welt. Sie zog mit den Kindern zu ihren Eltern und begann, als Sekretärin zu arbeiten. Den Kontakt zu Davids Geschwistern hielt sie aufrecht, und die Kinder kamen häufig mit ihren Tanten, Onkeln und Cousinen zusammen.

Über Davids Bruder Willi und dessen Frau Rosa ist in dem Buch "Stolpersteine in der Hamburger Isestraße" Näheres zu erfahren. Seine Schwester Erna konnte 1939 zunächst nach England, später nach Australien auswandern und starb dort Anfang der 1970er Jahre. Eine weitere Schwester war schon jung gestorben. Aus der nächsten Generation – Davids Nichten und Neffen – gelang Willis und Rosas Tochter Ruth die Flucht in die USA, und ein Neffe fand Ende 1938 Aufnahme in Australien. Davids übrige fünf Geschwister wurden mit ihren Ehepartnern und Kindern deportiert und ermordet.

Spätestens 1933 zog Hertha mit Hannelore und Inge in eine eigene Wohnung in der Breitenfelderstraße 44, wo sie im Hamburger Adressbuch verzeichnet ist.

Inzwischen arbeitete sie im Büro der Israelitischen Mädchenschule Carolinenstraße, die auch ihre Töchter besuchten. Es war ihr wichtig, den Kindern jüdische Werte und Traditionen nahezubringen und nach den Gesetzen zu leben. In ihren Briefen erkundigte sie sich später mehrfach, ob Inge und Hannelore auch "die Riten" lebten.

Wegen ihrer Berufstätigkeit hatte sie nicht sehr viel Zeit für ihre Kinder, aber "die Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, haben wir genossen. Meine Mutter war eine hart arbeitende Frau. Ich liebte sie sehr und vermisse sie bis zum heutigen Tag", erinnerte sich die Tochter.
Im August 1937 zogen Herthas Eltern ins " Altenhaus" der Jüdischen Gemeinde in die Sedanstraße 23.

Im Oktober 1938 musste Hertha in der Schule Carolinenstraße diejenigen Mädchen aus ihren Klassen holen, die einen polnischen Pass hatten und mit ihren Familien aus Deutschland ausgewiesen wurden.

Nach dem Novemberpogrom meldete sie ihre Töchter zum Kindertransport an. In den letzten Monaten vor der Abreise waren sie im Paulinenstift, einem Heim für Waisen, Kinder aus armen Familien und von Alleinerziehenden, untergebracht. Hertha musste die Wohnung in der Breitenfelderstraße 44, in der sie "die glücklichste Zeit ihres Lebens" verbracht hatte, aufgeben und lebte von da an in häufig wechselnden Zimmern zur Untermiete. Alle ihre Bemühungen um Auswanderung scheiterten. Ihre letzte Adresse vor der Deportation war das "Judenhaus" Kielortallee 22.

Im April 1939 reisten Hannelore und Inge nach Schweden aus. Ihre Mutter hielt in den folgenden Jahre brieflichen Kontakt zu ihnen. Eine Auswahl davon hat Sabine Homann Engel von "Spurensuchen", einem Netzwerk Hamburger Historikerinnen und Historiker, am Ende des zweiten Bandes zusammengestellt und kommentiert.

Herthas Vater, Adolf Selig, starb im Juni 1939. Nach der Schließung der Talmud Tora Schule, die mit der Schule Carolinenstraße zusammengelegt worden war, arbeitete Hertha im Büro der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Ihre Mutter Rosalie wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, Hertha musste vier Tage später folgen.

Dank "Spurensuchen" konnte 2008 der Kontakt zu ihrer Tochter Anne (früher Hannelore) hergestellt werden. Hannelore wanderte im Dezember 1945 mit ihrem Mann und der in Schweden geborenen Tochter in die USA aus. Mit ihrer schwedischen Pflegefamilie steht sie immer noch in enger Verbindung. Im Jahr 2002 besuchte sie erstmals wieder Hamburg. Zusammen mit ihrer Tochter war sie Gast des Senatsprogramms für verfolgte ehemalige Bürgerinnen und Bürger Hamburgs. Inge wanderte ebenfalls in die USA aus und heiratete dort im Dezember 1954. Ihre beiden Töchter wurden 1955 und 1957 geboren. Im Juni 2010 starb sie nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren.

© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 4; AB 1933; Schriftliche Auskünfte Anne Bertolino vom 27.5.2008 und 21.6.2008; telefonische Auskunft Anne Bertolino vom 28.6.2010; Ingrid Lomfors, Breven fran Hertha, Göteborg 1987, Anmerkungen dazu von Björn T. Hückel; Lehberger/Randt, Aus Kindern werden Briefe, 1999.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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