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Feigel (Steffi "Fany") Thon (geborene Teichner) * 1876

Mühlendamm 70 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
FEIGEL THON
GEB. TEICHNER
JG. 1876
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 10.5.1942
CHELMNO

Steffi Feigel "Fany" Thon, geb. Teichner, geb. am 25.12.1876 in Weepers/Ostpreußen (heute Wieprz/Polen), deportiert am 25.10.1941 in das Getto "Litzmannstadt" (Lodz), am 10.5.1942 weiter in das Vernichtungslager Chelmno, dort ermordet

Mühlendamm 70

Steffi Feigel Teichner und Selig Lieb Thon heirateten im Sommer des Jahres 1905 im Wiener Stadttempel, da war sie 29 und ihr Ehemann 34 Jahre alt. Steffi, die sich Fany nannte, stammte aus dem damals ostpreußischen Ort Weepers (heute Wieprz in Polen). Dort war 1843 bereits ihr Vater geboren worden, der jüdische Geflügelschlachter Zacharias Teichner. Die Mutter Eitl, geborene Krieger, war sieben Jahre jünger als ihr Mann und ließ sich Jetti rufen. Fany hatte acht Geschwister: vier Schwestern – Lenna, Bertha, Marl und Sali – und vier Brüder – Abraham, Ariel (genannt Leopold), Jakob und Elias.

Vier Jahre nach ihrer Heirat zogen Fany und Selig, der sich Sigismund nannte, nach Hamburg. Dort lebten bereits zwei seiner Brüder, der neun Jahre ältere Kopel und der vier Jahre ältere Samuel. Sigismunds Familie stammte aus Brody in Galizien, das seit 1772 zur Habsburger-monarchie gehörte. Die Stadt, die bis Ende des 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Handelsmetropolen Mittel- und Osteuropas zählte, hatte einen sehr großen jüdischen Bevölkerungsanteil und auch Familie Thon war jüdisch. Die Eltern – der Kaufmann Moses Thon und seine Frau Malka, geborene Gischner – hatten bei ihren Söhnen großen Wert auf eine gute Schulbildung gelegt. Alle besuchten das Gymnasium in Brody und legten erfolgreich die Maturitätsprüfung (Abitur) ab.

Sigismund erlernte anschließend den Kaufmannsberuf. Als Kaufmann arbeitete er auch in Hamburg. Dort wohnten Fany und er zunächst in der Lübeckerstraße 13/15, von der Wohnung aus betrieb er eine eigene Agentur. 1914 zog das Ehepaar in den belebten Mühlendamm, in das Haus Nummer 42. Auch dort arbeitete Sigismund von zu Hause aus. Beide gaben ihre österreichische Staatsangehörigkeit auf und ließen sich in Hamburg einbürgern. Sie blieben kinderlos.

Während Sigismund Thon als Kaufmann mit unterschiedlichen Waren handelte, hatten seine beiden Brüder Drogist gelernt und betrieben in Hamburg eigene Geschäfte. Kopel Thon hatte nach seiner Ausbildung zunächst im "Eisentechnischen Drogen- und Farbengeschäft Horaz Halberstadt" im russischen Belz gearbeitet. Von dort war er Ende 1886 nach Brody zurückgekehrt. Zwei Jahre später heiratete er 1888 Laja Glasscheib, im Jahr darauf wurde die gemeinsame Tochter Hermina geboren. 1890 zog die Familie nach Hamburg, wo Kopel Thon in Rothenburgsort, in der Vierländerstraße, eine Drogerie eröffnete. Noch im selben Jahr bekam Hermina einen Bruder – und Fany und Sigismund Thon einen Neffen. Seine Eltern nannten ihn Max Ludwig. Kopel Thons Geschäfte liefen gut, 1901 eröffnete er eine Filiale in Rothenburgsort, in der Lindleystraße. Bereits 1898 hatte er für sich und seine Familie die Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband beantragt, im selben Jahr wurden sie eingebürgert.

Sigismund Thons Bruder Samuel wiederum hatte auf Wunsch des Vaters Medizin studieren sollen. Während des Studiums an der Universität Graz merkte er jedoch, dass dies nicht das Richtige für ihn war. Er wurde lieber wie sein Bruder Drogist und zog wie dieser nach Hamburg. Im Jahr 1900 fand er zunächst eine Stelle bei einer Drogerie in Barmbek, drei Jahre später machte er sich mit einem eigenen Geschäft in der Süderstraße selbstständig. Auch Samuel Thon wollte sich in Hamburg einbürgern lassen, doch sein Antrag wurde nicht bewilligt. Es gäbe Bedenken wegen seiner "jüdisch-galizischen Abstammung". Ein zweiter Versuch im Jahr darauf schlug wieder fehl, "(…) die Aufnahme galizischer Juden" entspräche "nicht dem Staatsinteresse". Seine Geschäfte dagegen liefen zunächst besser, 1907 eröffnete er eine zweite Drogerie in der Campestraße. Diese gab er allerdings 1913 wieder auf und im Jahr darauf schloss auch Kopel Thon seine Filiale in der Lindleystraße. Drei Jahre später, 1917, verkaufte Kopel zudem sein Hauptgeschäft in der Vierländerstraße an einen Johann Opladen (der es unter dem Namen "K. Thon Nachfolger" weiterführte) und siedelte mit seiner Familie nach Berlin über.

Auch Feigel und Sigismund Thon zogen zwei Jahre später um, allerdings nur einige Häuser weiter, in den dritten Stock des Hauses Mühlendamm 70. In der Wohnung führte Sigismund seine Agentur weiter, außerdem leitete Samuel Thon von dort aus die Geschäfte der neuen Firma, die er zusammen mit seinem Bruder Kopel gegründet hatte: "Gebr. Thon – technische Öle Großhandlung". Die Firma hatte jedoch nur wenige Jahre Bestand. 1929 wanderte Samuel Thon in die USA aus. Im Jahr darauf zogen Fany und Sigismund Thon im selben Haus am Mühlendamm eine Etage höher und wohnten nun im vierten Stock.

Am 12. Juli 1938 – zu einer Zeit, in der der nationalsozialistische Verfolgungsterror immer stärker wurde – starb Sigismund Thon. Er hatte schon länger an Diabetes sowie einer dadurch verursachten Nierenkrankheit gelitten und war bereits im Israelitischen Krankenhaus in Behandlung gewesen. Fany blieb als Witwe in der Wohnung am Mühlendamm zurück. Da war sie 61 Jahre alt. Im Juni des folgenden Jahres musste sie die Wohnung verlassen und erst in das "Judenhaus" in der Rutschbahn 3 ziehen, von dort wenig später in die Grindelallee 176 und danach in den Grindelhof 95.

Am 25. Oktober 1941 wurde Feigel "Fany" Thon in das Getto "Litzmannstadt" (Lodz) deportiert. Ihr Name stand auf einer für diese Deportation zusätzlich erstellten Liste mit 200 Jüdinnen und Juden, die "für eventuelle Ausfälle vorgesehen" waren. In der Hohensteiner (polnisch Zgierska) Straße des Gettos war sie zusammen mit acht anderen Personen in einem Zimmer untergebracht. Rund sieben Monate später, am 9. Mai 1942, wurde sie von Lodz in das Vernichtungslager Chelmno gebracht und dort im Alter von 65 Jahren ermordet.

Stand: Mai 2016
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 332-5 Standesämter 7206 u. 804/1938; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III 84038; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III 79398; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III 54271; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 390 Wählerliste 1930; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden Nr. 992 e 2 Bd. 1 Transport nach Litzmannstadt am 25. Oktober 1941; Hamburger Adressbücher 1890–1941; Archiwum Panstwowe w Lodzi, An- und Abmeldedokumente des Gettos Lodz ("Litzmannstadt") für Feigel Fany (Fanny) Thon; ancestry.de (letzter Zugriff 1.8.2013); geni.com/jetti-eitl-teichner-krieger (letzter Zugriff 1.8.2013); Thon, Selig L., u. Teichner, Feigel F., in: Index der jüdischen Matriken Wien, online unter: GenTeam. Die genealogische Datenbank, www.genteam.at/index.php?option=com_gesamt (letzter Zugriff 21.5.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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