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Clara Hamburger (geborene Seckel) * 1859

Wandsbeker Stieg 12 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
CLARA HAMBURGER
GEB. SECKEL
JG. 1859
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1942 IN
TREBLINKA

Clara Hamburger, geb. Seckel, geb. am 19.6.1859 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 in das Getto Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka, dort ermordet

Wandsbeker Stieg 12

Als sie nach Theresienstadt deportiert wurde, war Clara Hamburger bereits 83 Jahre alt. Eine betagte Frau, der sicher bereits die Umstände und Strapazen der Deportation sehr zusetzten – von dem was sie an Hunger, Kälte und Krankheiten im Getto erwartete, gar nicht mehr zu sprechen.

Clara Hamburger war als Tochter des Lederhändlers Herz Seckel und seiner Frau Johanna, geborene Goldstein, zur Welt gekommen. Während Johanna aus Bad Kissingen in Unterfranken kam, stammte Herz Seckel aus Walsrode, einem kleinen Ort in Niedersachsen, in dem die Familie Seckel lange ansässig war. Herz war der Urenkel des ersten Seckel in Walsrode und bereits sein Vater Moses hatte dort mit Tuch- und Ellenwaren sowie daneben noch mit Leder gehandelt. 1856 eröffnete Herz in der Hamburger Neustadt, in der 1sten Elbstraße (heute Neanderstraße), eine eigene Lederhandlung. Im Jahr darauf zog er wenige hundert Meter weiter in die Mühlenstraße (heute Ludwig-Erhard-Straße) und bot seitdem seine Dienste nicht nur als Lederhändler, sondern auch als Lederzurichter an. Er bereitete gegerbtes Leder für die Weiterverarbeitung auf, indem er ihm überschüssige Gerbstoffe entzog, es fettete, imprägnierte und färbte. 1868, da war Clara bereits neun Jahre alt, zog die Familie noch einmal in der Neustadt um, in die große Michaelisstraße (heute ebenfalls Ludwig-Erhardt-Straße). Vier Jahre später, 1872, starb Herz Seckel. Seine Frau Johanna blieb unter der selben Adresse wohnen. Sie starb am 28. Oktober 1913 und überlebte ihren Mann damit um mehr als 40 Jahre.

Am 4. März 1894 heiratete ihre Tochter Clara in Hamburg den Lotteriecollecteur Julius Hamburger, geboren am 5. November 1856 in New York. Für ihn war es die zweite Ehe. Nur einen Tag zuvor hatte – ebenfalls in Hamburg – sein Bruder Edwin David geheiratet. Dessen Frau wurde Alma, geborene Gutmann. Julius und Edwins Eltern waren David Hamburger und Mathilde, geborene Tuerkenkopf. David Hamburger erlebte die Hochzeiten seiner Söhne jedoch nicht mehr, er war zu der Zeit bereits gestorben.

Clara und Julius Hamburger bekamen zwei Töchter: Ilse Irma wurde am 30. Dezember 1894 geboren, Emilie anderthalb Jahre später, am 30. Juli 1896. Im Jahr darauf übergab Julius Hamburger aus Krankheitsgründen sein Geschäft in der Langen Reihe an einen Nachfolger namens Ludwig Serke. Am 4. November 1897 starb Julius mit nur 40 Jahren. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beerdigt und hinterließ seine Frau Clara als Witwe mit zwei kleinen Kindern. Emilie war gerade erst ein Jahr alt, ihre Schwester zweieinhalb. Clara zog mit ihren beiden Töchtern in die Lübecker Straße 1.

Beide Mädchen erlernten nach der Schule einen Büroberuf, um selbst ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Nachdem Clara bereits früh ihren Mann verloren hatte, musste sie zudem den Tod einer Tochter betrauern: Mit nur 23 Jahren starb Emilie Hamburger, die jüngere, am 23. Februar 1920 im katholischen Marienkrankenhaus. Sie hatte bis zu ihrem Tod als Geschäftsleiterin gearbeitet. Ilse, die als Kontoristin beschäftigt war, unterstützte nun allein ihre Mutter und blieb mehr als 30 Jahre lang bei ihr in der Lübecker Straße wohnen. Dann zog sie 1929 vorübergehend in die Schweiz, nach Davos, in das Sanatorium Bernina – was darauf hindeutet, dass sie womöglich lungenkrank war. Erst 1936 kehrte sie nach Hamburg zurück. So war Clara Hamburger ganz auf sich gestellt, als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen und musste mit den unmittelbar danach beginnenden Demütigungen und Drangsalierungen, Ausgrenzungen und Verfolgungen der Jüdinnen und Juden in Deutschland allein fertig werden.

Nach Ilses Rückkehr nach Hamburg konnten sich Mutter und Tochter eine eigene Wohnung nicht mehr leisten, da Ilse aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war zu arbeiten und nur eine kleine Rente bekam. So mussten Mutter und Tochter nach fast 40 Jahren die vertraute Umgebung verlassen. Die nächsten Jahre lebten sie zur Untermiete im Wandsbeker Stieg 12 bei einer Frau Kastler. Ende Oktober 1939 verließ Ilse Hamburg erneut. 1941 musste ihre Mutter Clara in das Daniel-Wormser-Haus in der Westerstraße 27 in Wandsbek ziehen. (Der jüdische Pädagoge Daniel Wormser hatte es 1909 als Heim für verarmte jüdische Auswanderinnen und Auswanderer aus Osteuropa und Russland gegründet, die vor den dortigen Pogromen über Hamburg in die USA fliehen wollten, aber noch keinen Platz auf einem Überseeschiff hatten und daher oft wochenlang in Hamburg bleiben mussten; seit 1939 war es ein "Judenhaus", für das nun der jüdische Religionsverband Hamburg verantwortlich war.)

Im Daniel-Wormser-Haus erhielt Clara Hamburger auch die Aufforderung, sich am 18. Juli 1942 zwecks "Wohnsitzverlegung" – wie der offiziell-verharmlosende Ausdruck der Nationalsozialisten lautete – auf der Moorweide einzufinden. Am nächsten Tag wurde sie zusammen mit über 700 anderen Jüdinnen und Juden erst auf Lkws zum Hannoverschen Bahnhof und dann mit dem zweiten Transport von Hamburg in das "Altersgetto" Theresienstadt verbracht, in Zügen der Deutschen Reichsbahn. Von Theresienstadt aus wurde sie zwei Monate später zusammen mit fast 2000 anderen Jüdinnen und Juden wieder auf Lkws getrieben und zunächst zum Bahnhof Bohusovice gefahren. Von dort beförderte die Deutsche Reichsbahn sie in Viehwagen in das Vernichtungslager Treblinka. Niemand von ihnen überlebte.

Stand: Mai 2016
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 390 Wählerliste 1930; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 696 e Geburtsregister 1852–1860, 128/1859; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden Nr. 992 e 2 Bd. 5 Transport nach Theresienstadt am 19.7.1942; Hamburger Adressbücher; Meyer, Verfolgung und Ermordung, S. 42ff. u. S. 70ff.; Ursula Randt, "Wormser, Daniel", in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk, online unter: www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/wormser-daniel (letzter Zugriff 19.3.2015); Transport Bp von Theresienstadt, Ghetto, Tschechoslowakei nach Treblinka, Extermination Camp, Poland am 21/09/1942, in: Das Internationale Institut für Holocaust-Forschung, Yad Vashem, Zugfahrten in den Untergang. Datenbank zu den Deportationen im Rahmen der Shoah (Holocaust), http://db.yadvashem.org/deportation/transportDetails.html?language=de&itemId=5091984 (letzter Zugriff 19.3.2015); für den Hinweis zu Herz Seckels Vorfahren in Walsrode herzlichen Dank an Dr. Stefan Heinemann, Berlin.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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