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Harry Reese * 1911

Hammer Straße 3-5 (Wandsbek, Marienthal)


HIER WOHNTE
HARRY REESE
JG. 1911
VERHAFTET 21.11.1944
MILITÄRGEFÄNGNIS ALTONA
"FAHNENFLUCHT"
ERSCHOSSEN 4.4.1945
RAHLSTEDT-HÖLTIGBAUM

Harry Reese, geb. 4.3.1911 in Hamburg, erschossen 4.4.1945 Hamburg-Rahlstedt, Höltigbaum

Hammer Str. 3/5

Harry Reese wuchs in geordneten Verhältnissen auf. Der Vater Louis, geb. 21.10.1876, stammte aus Bodenwerder, Kreis Hameln, die Mutter, Friederike, geb. Stahmer, geb. 23.11.1874, aus Siek in Stormarn. Sie hatten am 12. Oktober 1900 in Hamburg geheiratet und wohnten im heutigen Rothenburgsort.

Am 21. April 1901 kam ihr erstes Kind zur Welt, Louise, die jedoch nur neun Jahre alt wurde. Ein Jahr nach deren Tod wurde am 4.3.1911 Harry geboren. Sein Vater hatte sich inzwischen vom Hilfslademeister zum Kontoristen hochgearbeitet. Er zog nach Hohenfelde und von dort weiter in bessere Wohngegenden und machte sich im Handel mit Autoölen und Fetten selbstständig.

Harry genoss eine gute Schulbildung: Er besuchte das Matthias-Claudius-Realgymnasium in Wandsbek bis zur Untertertia und schloss seinen Schulbesuch 1928 auf der Oberrealschule in Oldesloe mit der Obersekundareife ab, die ihn zum Schulbesuch bis zum Abitur berechtigt hätte. Stattdessen absolvierte er vom 1. Oktober 1928 bis 30. September 1930 eine Lehre in der Automobilhandelsgesellschaft Gebr. Nissen, Holsteinischer Kamp 20/40 in Barmbek-Süd, an die sich eine Beschäftigung bei der Zentral-Ölverkaufs-Gesellschaft als Lagerist und Reisender bis 31. August 1934 anschloss.

In dieser Zeit geriet er zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt: Im Alter von zwanzig Jahren wurde er gerichtlich belangt, weil er ein nicht zugelassenes Auto fuhr, womit zugleich die Hinterziehung der Kfz-Steuer verbunden war. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und am 14. Februar 1934 erlassen.

Am 30. Oktober 1934 rückte Harry Reese als Soldat zur Panzerabwehrabteilung 12 in Schwerin ein und wurde Unteroffizier der Reserve.

Doch weiterhin kam er mit dem Gesetz in Konflikt: Drei Delikte betrafen Körperverletzung, das letzte "in Tateinheit mit unvorschriftsmäßigem Fahren". Auch das Vergehen, weshalb er 1938 verurteilt wurde, stand im Zusammenhang mit seiner Autoliebe: Er hatte an einen Nachbarn ein Auto verkauft, das ihm nicht gehörte. Als der Betrug aufgeflogen war, entschädigte er den Käufer voll.

Harry Reese wurde als intelligent und zugleich unverantwortlich leichtfertig bezeichnet. Er genoss gutes Ansehen bei Kunden und Bekannten, führte sich beim Militär ausgezeichnet und zeigte gegenüber dem Gericht, vor dem er 1938 stand, Reue. All dieses wirkte strafmildernd, als er am 5. April 1938 wegen Privaturkundenfälschung, Betrug und Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Das Strafmaß belief sich auf zwei Monate Gefängnis und 400 RM Geldstrafe, ersatzweise 40 Tage Haft.
Harry Reese wohnte zu diesem Zeitpunkt bei seinen Eltern Hammer Straße 3 in Marienthal. Er wählte die Gefängnis- und Geldstrafe und zahlte den Betrag in Raten ab.

Ab 29. August 1938 diente er als Ausbilder bei der 14. Kompanie der Panzerabwehrkompanie 225 in der Boehn-Kaserne in Hamburg-Rahlstedt und wechselte später zu einer Infanterie-Kompanie. Als seine Mutter 1940 starb, behielt er die gemeinsame Wohnung bei. 1942 heiratete er die zwei Jahre ältere Elfriede P.

Nach einem Einsatz in Russland wurde Harry Reese zum Gebirgsjäger ausgebildet und nach Kroatien geschickt, wo er als Wachtmeister Dienst tat.
Im Sommer 1943 wurde die Wohnung in der Hammer Straße durch alliierte Luftangriffe total zerstört. Seine Frau fand Unterkunft in der Carolinenstraße 21, wo sie ein Zimmer bezog. Im September 1944 erlitt sie erneut einen Bombenschaden, woraufhin ihr Mann Sonderurlaub erhielt.

Danach verabschiedete er sich nach Österreich, um einer neuen Verwendung zugewiesen zu werden, und meldete sich im November noch einmal telefonisch bei seiner Frau: Er sei in Hamburg auf dem Weg nach Mölln, wo sein Vater schwer krank im Lazarett liege. Am 21. November 1944 wurde er gefasst und wegen Fahnenflucht im Militärgefängnis in Altona inhaftiert. Das Gericht der Wehrmachtskommandantur verurteilte ihn am 15. März 1945 zum Tod durch Erschießen. Das Urteil wurde am 4. April 1945 auf dem Schießplatz der Boehn-Kaserne in Rahlstedt-Höltigbaum vollstreckt.

Harry Reeses Tod wurde standesamtlich erst registriert, als er bereits auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt war. Dies macht deutlich, dass die zivile und militärische Verwaltung Hamburgs zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung bereits in Auflösung begriffen war. Es liegen zwei Sterberegistereinträge vor, einer vom 19. Oktober 1945 auf Anzeige des Wehrkreiskommandos X, Wehrkreisauskunftsstelle und Krieggräberfürsorge in Hamburg vom 3. Oktober 1945 beim Standesamt Wandsbek, Nr. 907, der zweite vom 18. Dezember 1945 beim Standesamt Rahlstedt, Nr. 344, durch Mitteilung des Gerichtes der Wehrmachtskommandantur Hamburg vom 25. April 1945. Die Eintragung wurde am 25. März 1946 für ungültig erklärt, da der Sterbefall bereits beim StA Hamburg-Wandsbek beurkundet wurde. (Die Eintragungen unterscheiden sich auch in den Angaben zur Eheschließung.)

Harry Reese wurde vermutlich auf Veranlassung seiner Ehefrau am 6. November 1945 nach AD 26, Nr. 92 umgebettet.

Sein Vater starb am 28. September 1960 in Mölln. Am 27. Juli 2002 trat das "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege" in Kraft, womit auch Harry Reese rehabilitiert wurde.

Stand: Juli 2020
© Herbert Diercks mit Hildegard Thevs

Quellen: VAN-Totenliste 1968; VVN-Akte, KZ Gedenkstätte Neuengamme, Archiv; AB; StaH, 213-11Staatsanwaltschaft LG – Strafsachen, 2118/39; 332-8 Meldewesen, Hausmeldekartei K 2480, K 2538, Steuer- und Meldekartei K 4861; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 35151; 332-5 Standesämter, 4414/344-1945; Friedhofsverwaltung Ohlsdorf;
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/39010668_kw20_kalender_17mai2002-208558, Abruf 12.7.2020.

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