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Hella Körper * 1938

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

HELLA KÖRPER
GEB. 15.9.1938
ERMORDET 15.1.1942

Weitere Stolpersteine in Langenhorner Chaussee 560:
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Hella Körper, geb. am 15.9.1938 in Hamburg, getötet am 15.1.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Hella Körper kam am 15. September 1938 als erstes Kind von Helene Marie Stanislawa, geb. Matczak, und dem Maschinenschlosser Richard Paul Johannes Körper in der Wohnung ihrer Eltern in Hamburg, Frankenstraße 30, zur Welt. Die Hebamme war nicht gleich zur Stelle, sodass sie neugeboren eine halbe Stunde scheintot war. Die Mutter beobachtete gleich am zweiten Tag Krämpfe bei Hella und dann, dass sie sich nicht normal entwickelte. Hella wurde katholisch getauft und ein Jahr lang von ihrer Mutter gestillt.

Eine mehrtägige Untersuchung, vom 5. bis zum 21. September 1939, im Krankenhaus Rothenburgsort bestätigte die Krämpfe nicht. Die dortige Diagnose lautete: "Microcephalus" (kleiner Kopf, vermindertes Gehirnwachstum), "Idiotie". Als dann Hellas Geschwisterkind geboren wurde, meinte Dr. Meyer, Privatarzt in Hammerbrook, Wendenstraße, es wäre besser, wenn Hella in eine Anstalt käme.

Nach einer "infektiösen Gehirnkrankheit", einer "Kopfgrippe", Anfang Januar 1941 ergab sich bei einer Untersuchung in der Augenklinik Eppendorf neben der Feststellung, dass ein auffallender geistiger Defekt vorliege, der Befund einer beidseitigen "congenitalen Macula Degeneration" (angeborene Erkrankung der Netzhaut).

Im Alter von zweieinhalb Jahren, am 5. Mai 1941, kam Hella zunächst in die "Alsterdorfer Anstalten" und blieb dort fünf Monate. Es wurde die Diagnose "Imbezillität" (mittlerer Grad der Geistesschwäche), "Zustand nach Encephalitis" (Gehirnentzündung) gestellt. Aus dem Krankenverlauf in Alsterdorf ist festgehalten: "Das Kind ist nicht beeinflußbar, schreit bei der kleinsten Berührung, ist sehr empfindlich. In der Körperpflege wird sie besorgt, an- und ausgezogen. […] Sprechen kann sie nicht, stößt nur unartikulierte Laute aus. […] Auf Wunsch der Mutter mit Genehmigung der Sozialverwaltung in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt."

Dr. Grieve vom Gesundheitsamt Hamburg schrieb am 15. Oktober 1941 an die Abteilung von Gesundheitssenator Dr. Friedrich Ofterdinger: "Das Kind Hella Körper befindet sich seit Mai 41 in den Alsterdorfer Anstalten. Der Vater ist z.Zt. Soldat im Osten. Die Mutter ist mit der Aufnahme in Langenhorn einverstanden und bittet die Verlegung des Kindes durchzuführen. Sie bittet darum, daß die Verlegung von der Gesundheitsverwaltung vorgenommen wird, da sie selbst wegen eines weiteren Kleinkindes nicht in der Lage ist, das Kind abzuholen und nach Langenhorn einzuliefern."

Senator Ofterdinger antwortete einen Tag später: "Die Verlegung des Kindes von den Alsterdorfer Anstalten in die dortige Kinderfachabteilung ist von Langenhorn aus vorzunehmen. Ich bitte die erfolgte Aufnahme hierher zu melden."
Am 23. Oktober 1941 fand die Verlegung in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" statt. Im Aufnahmeprotokoll von Dr. Knigge ist verzeichnet: "Die Mutter, die noch ein völlig gesundes 2-jähriges Kind hat, ist mit jeder Behandlung einverstanden." In Knigges Protokollen finden sich abfällige Beschreibungen und damit einleitende Rechtfertigungen, es zu töten:
"21.XI.41: Läuft ziellos im Zimmer umher, reißt und zieht an den Gegenständen der Umgebung. Läuft und schreit ganz sinnlos. Schließt sich kaum an eine der Schwestern an.
17.12.41: Hat seine kümmerlichen Sprachversuche fortgesetzt, sagt eigentlich nur ‚bab, bab‘. Zeigt unverändert bei jeder Kleinigkeit Wutausbrüche. Ist ungemein empfindlich und reizbar, wenn man sich mit ihr beschäftigt. Die typisch klebrige Zudringlichkeit der Postencephalitiker. Kratzt seine Bettnachbarn, wenn diese zufällig die Hand herüberstrecken. Ist noch völlig unsauber.
15.I.42: Exitus [Tod] unter den Erscheinungen einer Bronchopneumonie [Lungenentzündung]. Diagnose: Idiotie. Microcephalie. Postencephalitische Veränderungen [dauerhafte Wesensveränderung infolge einer Hirngewebeentzündung]."

Hella wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet. Sie verstarb am 15. Januar 1942 um 14:00 Uhr in Haus M 10.

Im Protokoll und in der Todesbescheinigung gab Friedrich Knigge als Todesursache "Idiotie. (Mikrocephalie), Status nach Encephalitis Bronchopneumonie" an. Er tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Hella, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.
Die Eltern wurden mit einem Telegramm eine Stunde später von dem Tod ihres Kindes benachrichtigt.

Hella wurde 3 Jahre und 4 Monate alt.

Neun Tage später wurde Hella Körper am 24. Januar 1942 um 12:30 Uhr auf den Ohlsdorfer Friedhof Kapelle 12 überführt. Um 9:30 fand ihre Beisetzung durch die Großhamburgische Bestattungsgesellschaft (GBG) statt, die Eltern hatten "Dekoration und Harmonium- bzw. Orgelmusik" bestellt; Grablage Bh 58, Reihe 34, Nr. 5. Ihre Grabstelle ist nicht mehr erhalten.

Den "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" in Berlin informierte Friedrich Knigge am 3. Juni 1942 von dem Tod nach der "Behandlung".

Einen Monat nachdem Helene Körper im Juli 1943 ihr drittes Kind zur Welt brachte, wurde ihr Ehemann Richard Körper als Soldat im Krieg getötet.

Nach dem Krieg gab Friedrich Knigge am 18. Januar 1946 in der Strafsache gegen ihn und andere wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn bei einer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg zum Fall Hella Körper als Rechtfertigung an: "Ich überzeugte mich ungefähr 2 Monate von der Hoffnungslosigkeit und Unheilbarkeit des Zustandes und berichtete dann an den Reichsausschuß. Dieser gab auf Grund meines Gutachtens und der Einsicht in die mitgeschickte Krankheitsakte seine Zustimmung zur Euthanasie-Behandlung. Diese nahm ich am 13. Januar 1942 vor. Das Kind starb 2 Tage später. Mit der Mutter hatte ich schon bei der Einlieferung des Kindes gesprochen. Sie erklärte sich ohne weiteres mit der Vornahme eines lebensgefährlichen Verfahrens einverstanden."

Als Zeugin erklärte Hellas Mutter am 5. Februar 1948 vor Gericht: "Dr. Knigge hat mir gesagt, daß er Hella operieren würde. Ich kann mich nicht entsinnen, daß der Arzt auf eine besondere Gefährlichkeit der Operation hingewiesen hat. Ich habe Dr. Knigge das Einverständnis zur Vornahme einer Operation gegeben. […] Ich habe ernsthaft geglaubt, daß der Krankheitszustand des Kindes durch eine Operation gebessert werden könnte."

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060 Sonderakte Bd. 40, Schirbaum, Gottfried u. a., Akte 29116, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 142 f., S. 227 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 33/1942 Hella Körper; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9933 u. 33/1942 Hella Körper; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 33 Hella Körper; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01, 64 UA 2 Akte 29116; Standesamt Hamburg 23, Geburtsregister, Nr. 202/1938 Hella Körper; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1942, Nr. 634.

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