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Bereits verlegte Stolpersteine



Helga Meyer
Helga Meyer
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Helga Meyer * 1918

Stiegstück 3 (Wandsbek, Hummelsbüttel)


HIER WOHNTE
HELGA MEYER
JG. 1918
EINGEWIESEN 1941
ALSTERDORF
"VERLEGT" 16.8.1943
AM STEINHOF WIEN
ERMORDET 11.9.1944

Helga Meyer, geb. am 3.10.1918 in Bremen, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten am 23.9.1941, "verlegt" in die Wagner von Jauregg – Heil und Pflegeanstalt der Stadt Wien am 16.8.1943, ermordet am 11.9.1944

Stiegstück 3

Helga Gerda Bernhardine Meyer starb am 11. September 1944 im Alter von noch nicht 26 Jahren in der Wagner von Jauregg – Heil und Pflegeanstalt der Stadt Wien. Sie war am 16. August 1943 aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten zusammen mit 227 Mädchen und Frauen nach Wien transportiert worden. 196 von ihnen starben bis Ende 1945, höchstwahrscheinlich infolge von Unterernährung, Verwahrlosung, mangelnder Behandlung im Krankheitsfall sowie der gezielten Überdosierung von Medikamenten.

Helga Meyer war die zweite Tochter des Kapitäns der Handelsschifffahrt Johann Gerhard Meyer, geboren am 14. Februar 1886 in Geestemünde (heute ein Stadtteil von Bremerhaven), und seiner Ehefrau Ella Johanne Auguste, geborene Martens, geboren am 24. April 1892 in Waddens, heute ein Ortsteil der Gemeinde Butjadingen im Landkreis Wesermarsch. Johann Meyer und Ella Martens hatten im Oktober 1912 in Bremen geheiratet. Ihre erste Tochter Anneliese Katharine kam am 30. Juli 1913 zur Welt.

Anneliese und Helga wurden evangelisch getauft.

Wir wissen nicht, wann sich die Familie in Hamburg oder Umgebung niedergelassen hat. Jedenfalls kaufte das Ehepaar Meyer 1936 das Grundstück Stiegstück 3 in Hummelsbüttel, einem früheren preußischen Dorf an der Oberalster, das infolge des Groß-Hamburg-Gesetzes zum 1. April 1938 ein Stadtteil Hamburgs wurde. Nachdem das Ehepaar auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus errichtet hatte, wohnte es dort mit seinen beiden Töchtern.

Helga war im Kindesalter gestürzt. Mit acht Jahren wurden bei ihr Anzeichen einer Krankheit bemerkt, möglicherweise die Folgen des Sturzes. Erst spät und nur mühsam hatte Helga Gehen gelernt. Das Sprechen bereitete ihr Mühe. Ihre Aufenthalte im sog. Krüppelheim "Alten Eichen" und im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf im Jahre 1930 scheinen nicht zu einer Besserung ihres Gesundheitszustandes geführt zu haben.

Helga besuchte zwei Klassen der Volksschule. Sie konnte lesen und tat dies oft und gern.

Im Laufe der Jahre verlor sie die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen. Bei ihrer Aufnahme in den damaligen Alsterdorfer Anstalten am 22. September 1941 beschrieb man sie als völlig hilfsbedürftig, sie musste danach gewaschen, gekämmt, angezogen werden und konnte nicht selbst essen. Sie sei zugleich geduldig, dankbar, verträglich und von heiterem Gemüt gewesen.

Nachdem die Alsterdorfer Anstalten während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") Schäden erlitten hatten, nutzte der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, Pastor Friedrich Lensch, diese Situation und bat die Hamburger Gesundheitsbehörde um den Abtransport von etwa 750 Anstaltsbewohnerinnen und -bewohnern, weil sie durch die Bombenangriffe obdachlos geworden seien. Daraufhin verließen zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 vier Transporte mit insgesamt 469 Mädchen, Jungen, Frauen und Männern Alsterdorf in verschiedene Richtungen, darunter auch die 228 Mädchen und Frauen am 16. August 1943 mit dem Ziel Wien. In diesem Transport befand sich auch Helga Meyer.

Die Behandlung der Patientinnen in Wien war nicht von Fürsorge geleitet. So wurde berichtet, dass diese vor Hunger Kartoffelschalen gegessen hätten.

Helga Meyers Mutter versuchte den Kontakt zu ihrer Tochter durch Briefe und Pakete aufrechtzuerhalten. Sie schickte zudem Geld nach Wien in der Hoffnung, dass es ihrer Tochter zugutekommen würde, erhielt jedoch nur selten Auskunft über ihre Tochter.

Im März 1944 teilte Dr. Hans Bertha, einer der T4-Gutachter des NS-"Euthanasie"-Programms den Eltern mit, Helga sei infolge Lähmung bettlägerig. Im Juli desselben Jahres erhielten sie die Nachricht, dass sich Helgas Gesundheitszustand verschlechtert habe. Angeblich seien die Lungen angegriffen. Nur eineinhalb Monate später, am 11. September 1944, starb Helga Meyer. Ihre Mutter erfuhr durch ein Telegramm, Helga sei an einer seit Mitte des Jahres rapide fortschreitenden Lungentuberkulose gestorben, einer häufig angegebenen Todesursache, mit der ein gewaltsamer Tod verschleiert wurde.

Als die Nachricht von Helgas Tod in Hummelsbüttel eintraf, befand sich ihr Vater auf See. Ihre Mutter musste allein mit diesem zweiten Schicksalsschlag fertig werden, nachdem Helgas 31-jährige Schwester Anneliese bereits am 24. Juli 1944 gestorben war.

Helga Meyers Leichnam wurde in Wien eingeäschert. Die Urne sollte auf Wunsch der Mutter auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt werden. Dafür konnte jedoch keine Bestätigung in den Ohlsdorfer Friedhofsunterlagen gefunden werden.

Stand: Januar 2020
© Ingo Wille

Quellen: Staatsarchiv 332-5 Standesämter 9953 Sterberegister Nr. 1151/1944 Anneliese Meyer, 1301 Sterberegister Nr. 1042/1950 Johann Gerhard Meyer; Ev. Stiftung Alsterdorf Archiv Nr. V151; Michael Wunder, Harald Jenner, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie Die Toten 1939-1945, Hamburg 2016, S. 284 f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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