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Bereits verlegte Stolpersteine



Toni Neufeld, geb. Katzenstein, ohne Datum
© Privatbesitz

Toni Neufeld (geborene Katzenstein) * 1867

Neue Straße 52 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
TONI NEUFELD
GEB. KATZENSTEIN
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
TREBLINKA

Weitere Stolpersteine in Neue Straße 52:
Selma Wolff

Toni Neufeld, geb. Katzenstein, geb. am 20.12.1867 in Harburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiter deportiert am 21.9.1942 nach Treblinka, ermordet

Stadtteil Harburg-Altstadt, Neue Straße 52

Toni Katzenstein war das sechste Kind ihrer jüdischen Eltern Jacob (1834–1895) und Friederike Katzenstein, geb. Freudenthal, (1836–1908), die am 16. Juni 1858 in Harburg geheiratet hatten. Zu den sechs älteren Geschwistern Toni Katzensteins gesellten sich anschließend noch sechs jüngere. Als Produktenhändler dürfte Jacob Katzenstein es nicht leicht gehabt haben, diese Kinderschar zu ernähren. Die Katzensteins wohnten zusammen mit drei anderen Familien in einem Haus in der Neuen Straße 52 in unmittelbarer Nähe der 1652 erbauten Ev.-Luth. Dreifaltigkeitskirche, der Harburger Stadtkirche. Über Tonis Kindheit und Jugendzeit ist uns nichts weiter bekannt.

Als junge Frau heiratete Toni Katzenstein den jüdischen Tabak- und Zigarrenhändler Siegfried Neufeld (*30.12.1868). Die beiden Eheleute wurden Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg. In den folgenden Jahren wechselten sie aus nicht näher bekannten Gründen erstaunlich oft ihre Privat- und ihre Geschäftsanschrift.

Am 8. November 1897 kam ihre Tochter Erna zur Welt und am 20. Dezember 1902 ihr Sohn Herbert.

Die finanzielle Situation der Familie war alles andere als rosig. Das Geschäft lief nicht immer so, wie Siegfried Neufeld es sich sicherlich gern gewünscht hätte. Wenigen sorgenfreien Zeiten folgten lange Durststrecken. Die Finanzprobleme wuchsen in den Jahren der Weltwirtschaftskrise. 1929 wurden sie für Siegfried Neufeld unlösbar. Er musste den Offenbarungseid leisten.

Das Geschäft übernahm sein Sohn, dessen hoffnungsvoller Neubeginn schnell zum Erliegen kam, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Er überließ das Geschäft seiner Schwester, die die rückläufige Entwicklung angesichts der zunehmenden staatlichen Verdrängung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben auch nicht mehr aufhalten konnte.

Am 1. Februar 1934 wurde Toni Neufeld Besitzerin des hochverschuldeten Tabak- und Zigarrengeschäfts in der Hamburger Altstadt. Doch auch sie konnte das Blatt nicht wenden. Die Aufgabe wurde für sie noch schwerer, als am 25. September 1935 ihr Mann im Alter von 66 Jahren starb. Am 30. März 1937 übergab sie das Geschäft angesichts "ihres hohen Alters und der veränderten Lage auf dem Markt" einem Nachfolger.

Auf große Ersparnisse konnte sie nicht zurückgreifen. Sie waren so gering, dass sie keine Kultussteuer zu zahlen brauchte, und als schließlich auch die letzten Reserven verbraucht waren, musste Toni Neufeld sich sogar an die Wohlfahrtsstelle der Jüdischen Gemeinde wenden.

Auch ihre Kinder Erna Dobriner, geb. Neufeld, und Herbert Neufeld konnten diesen sozialen Absturz nicht aufhalten. Mittellos hatten sie nach dem Novemberpogrom 1938 fluchtartig ihre Heimat verlassen und in England und Bolivien Zuflucht gesucht. Hilflos nahmen sie wenig später die Nachricht zur Kenntnis, dass ihre hochbetagte Mutter ihre Unterkunft als Untermieterin in der Grindelallee 9 räumen und in das jüdische Wohnstift Bundesstraße 35 umziehen musste.

Dieses Haus war einst im 19. Jahrhundert von der Samuel-Levy-Stiftung erbaut worden, um "rechtschaffenen, friedliebenden und bedürftigen" Mitgliedern der Deutsch-Israelitischen und der Portugiesischen Gemeinde freien Wohnraum zu bieten. Die Antragsteller mussten das 50. Lebensjahr überschritten haben. 1909 gab es in dem Haus 25 Zweizimmerwohnungen mit Küche und 22 Einzimmerwohnungen mit Küche. Nach 1933 wurde die wachsende Wohnungsnot der Juden auch in diesem Hause spürbar. Der steigende Bedarf erforderte eine immer strengere Regelung der Wohnraumvergabe. Am 1. Januar 1941 lebten 105 Personen in dem Wohnstift, und im Juli 1942 waren es mehr als 130.

Allein 104 Bewohnerinnen und Bewohner dieses Stifts wurden am 15. Juli 1942 in das `Altersgetto´ Theresienstadt deportiert. Zu ihnen gehörte auch Toni Neufeld. In den folgenden Wochen und Monaten traf ein Transport nach dem anderen an diesem Ort ein, an dem vor dem Zweiten Weltkrieg ca. 7.000 Menschen gelebt hatten. Allein im September 1942 nahm die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner, die neu untergebracht werden mussten, um 18.693 Personen zu. Mehr als 13.000 dieser Menschen wurden in den nächsten Wochen und Monaten in die nationalsozialistischen Vernichtungslager im Osten weiter deportiert.

Auch für Toni Neufeld war Theresienstadt nur eine Durchgangsstation auf der Reise in den Tod. Am 21. September 1942 wurde sie zusammen mit über 2.000 anderen Menschen in das Vernichtungslager Treblinka abtransportiert und dort ermordet.

Auch ihre Schwestern Henny Andrade und Selma Wolff überlebten den Holocaust nicht (siehe: www.stolpersteine-hamburg.de).


Stand: April 2019
© Klaus Möller

Quellen: Staatsarchiv Hamburg, 992b Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, 351-11_1197, 351-11_48084, 351-11_44520, 351-11_26675, Amt für Wiedergutmachung, 332-5 Standesämter; Harburger Adressbücher; Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Jürgen Sielemann, Paul Flamme (Hrsg.), Hamburg 1995; Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942–1945, Prag 2000; Yad Vashem. The Central Database of Shoa Victims´ Names: www.yadvashem.org; Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Bundesarchiv (Hrsg.), Koblenz 2006; Harburger Opfer des Nationalsozialismus, Bezirksamt Harburg (Hrsg.), Hamburg 2003; Alfred Gottwald, Diana Schulle, Die `Judendeportationen´ aus dem Deutschen Reich 1941–1945, Wiesbaden 2005; Matthias Heyl, Vielleicht steht die Synagoge noch. Ein virtuelles Museum zur Geschichte der Harburger Juden, CD-ROM, Hamburg 1999; Wegweiser zu den ehemaligen Stätten jüdischen Lebens oder Leidens in Hamburg, Heft 2, Deutsch-Jüdische Gesellschaft Hamburg (Hrsg.), Hamburg 1985.

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