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Bereits verlegte Stolpersteine



Marianne Pincus (geborene Hirsch) * 1884

Isestraße 55 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Isestraße 55:
Rudolf Fürst, Isidor Fürst, Hedwig Fürst, Martha Fürstenberg, Walter John Israel, Clara Levy, Herbert Pincus, Ignatz Pincus

Ignatz Pincus, geb. am 1.6.1871 in Posen, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Theresia Maria [Marianne] Pincus, geb. Hirsch, geb. am 26.4.1884 Berlin, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Herbert Artur Pincus, geb. 16.11.1920, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Bis 1939 lebte der Kaufmann Ignatz Pincus mit seiner Familie in Winterhude, zunächst in der Stammannstraße 31, ab 1936 am Hauersweg 4.

Als der einzige Sohn Herbert elf Jahre alt war, meldeten ihn seine Eltern im gerade neu eröffneten Walddörfer Gymnasium in Volksdorf an. Um ihm den täglichen Schulweg zu verkürzen, wurde er während der Woche zu Lehrer Grimmelshäuser "in Pension" gegeben und verbrachte fortan nur die Wochenenden zu Hause. Bei seinen Schulfreunden war Herbert als "Spaßvogel" und Erzähler selbsterfundener Märchen beliebt, wie der ehemalige Klassenkamerad Klaus Eggert berichtete: "Mein Eindruck ist, dass Herbert bei uns voll integriert war, sogar geachtet, weil der Charlie Chaplin gut imitieren konnte."

1933 trat Lehrer Grimmelshäuser der NSDAP bei und duldete fortan keinen jüdischen Untermieter mehr. Herbert verlor sein Zimmer und zog zurück in die elterliche Wohnung.

In der Schule war er mittlerweile von vielen Aktivitäten seiner Mitschüler ausgeschlossen, da ihm als Jude die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend (HJ) verwehrt war. Stattdessen musste er am "politischen Nachhilfeunterricht" teilnehmen, wo Vorträge über die Gefahren des Luftkrieges oder die "Judenfrage" auf dem Programm standen.

Nach den Sommerferien 1935 kehrte Herbert nicht mehr an die Schule zurück. Kurz zuvor hatte er noch einer Schulkameradin erzählt, die Familie plane, nach England auszureisen. Dazu kam es jedoch nicht. Im gleichen Jahr nahm Herbert eine Lehre als Kaufmann auf, so­dass sich die geplante Auswanderung um vier Jahre verzögerte. Erst 1939 bemühte er sich erneut um ein Ausreisevisum, diesmal nach Shanghai, während die Eltern beschlossen, in Hamburg zu bleiben. Bis Mitte August hatte es Herbert geschafft, sich alle erforderlichen Papiere zu besorgen. Mangels eigener finanzieller Mittel war ein Onkel für den Großteil der Schiffspassage aufgekommen, sodass schließlich nur noch 300 RM fehlten. "RM 300 soll der Onkel noch ausspucken, dann soll es gut sein!" lautet der handschriftliche Eintrag in den Akten der "Devisenstelle".

Dadurch verschob sich die Ausreise um weitere Wochen, bis schließlich am 1. September der Krieg begann und eine Emigration unmöglich wurde.

Im gleichen Jahr musste die ganze Familie in den Jüdischen Religionsverband eintreten. Der Vermerk "Dissident" auf der für Ignatz Pincus ausgestellten Kultussteuerkarte und das Eintrittsdatum vom Juli 1939 deuten darauf hin, dass er sich der Jüdischen Gemeinde nicht zu­gehörig fühlte und dem Verband nicht freiwillig beitrat. Sohn und Ehefrau waren zum Christentum konvertiert und evangelisch getauft. Ob dies aus Überzeugung geschah oder in der Hoffnung, dadurch den Repressalien gegen Juden zu entgehen, ist unklar. Fest steht, dass die Taufe keinen Einfluss auf die Kategorisierung als "Jude" hatte, denn nach den Nürnberger Gesetzen galten die Pincus’ als Juden im "rassischen" Sinne.

Im November 1941 erhielten Ignatz, Maria Therese und Herbert Artur Pincus die Nachricht, dass sie für den Transport nach Minsk vorgesehen waren. Am Abend des 7. Novembers verließen sie die Wohnung der Fürsts im zweiten Obergeschoss des Hauses Isestraße 55, wo sie zwangsweise einquartiert worden waren, um am nächsten Tag als Nummer 737, 738 und 735 den Zug nach Minsk zu besteigen. Von der dreiköpfigen Familie überlebte niemand.

Ein weiterer Stolperstein für Herbert Pincus liegt vor seiner ehemaligen Schule Im Alhorn 45 in Volksdorf, im Hof des Walddörfer Gymnasiums.

© Eva Decker

Quellen: 1; 2; Ursula Pietsch, Herbert Pincus, www.stolpersteine-hamburg.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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