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Dr. Felix Julian Löwenthal * 1899

Olshausenstraße 15 (Altona, Othmarschen)

1941 Lodz
18.7.1942 ermordet

Weitere Stolpersteine in Olshausenstraße 15:
Olga Rosa Löwenthal

Dr. Felix Julian Ulrich Löwenthal, geb. am 29.4.1899, mehrfach verhaftet, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, dort gestorben am 18.7.1942

Olshausenstraße 15

Der jüdische Jurist Felix Löwenthal hatte enge nichtjüdische Freunde, die zu ihm hielten und deswegen selbst in Gefahr gerieten. Mit dem ersten Großtransport wurde er im Oktober 1941 nach Lodz deportiert.

Felix Julian Ulrich Löwenthal kam am 29. April 1899 in Altona zur Welt als Sohn von Otto Löwenthal und Olga Rosa Löwenthal, sie stammte aus der Familie Abendana Belmonte. Otto Löwenthal, geboren 1862 in Schwerin, war Rechtsanwalt und Notar. Als Vertreter der Liberalen saß der Justizrat während der Weimarer Republik im Altonaer Stadtverordnetenkollegium. Felix Löwenthals Mutter war die älteste Tochter des jüdischen Hamburger Advokaten, Rechtsanwalts und Bürgerschaftsabgeordneten Dr. Salomon Abendana Belmonte und seiner Frau Julia, geb. Liepmann.

Otto Löwenthals Rechtsanwaltskanzlei befand sich in der Altonaer Großen Bergstraße 266, die Familie wohnte in der Kaiserstraße 23 (später Museumstraße) in der Nähe des Altonaer Bahnhofs. Felix Löwenthal besuchte von 1906 bis 1910 das Altonaer Städtische Reformrealgymnasium. Nach einem dreijährigen Aufenthalt im Gemelinschen Nordseepädagogikum in Wyk auf Föhr kehrte er auf das Gymnasium in Altona zurück, um dort schon 1914 die "Notreifeprüfung" abzulegen, denn er wurde zum Heeresdienst einberufen. Aus dem Militärdienst in der Nachrichten- und Fernsprech-Abteilung des Heeres wurde er Anfang 1919 entlassen. Es folgte ein Jurastudium in Hamburg, Freiburg, München und Kiel. Nach einem Referendariat im Hamburgischen Justizdienst erhielt er im Dezember 1924 die Zulassung als Rechtsanwalt und ließ sich mit einer Rechtsanwaltspraxis am Neuen Wall 75 in Hamburg nieder. Ab Oktober 1927 war er in der Schweriner Stadtverwaltung tätig.

Im November 1928 erhielt Felix Löwenthal eine Anstellung als juristischer Mitarbeiter in der Altonaer Verwaltung; fünf Monate später durfte er die Amtsbezeichnung "Magistratsassessor" tragen. Zu der Zeit wohnte er in Groß-Flottbeck in der Bellmannstraße 12. Seine Eltern zogen 1929 nach Othmarschen in die Walderseestraße 54. Sein Vater starb 1931, noch während der Errichtung eines Neubaus für die Familie in der Olshausenstraße 15 in Othmarschen, den Felix Löwenthal 1932 gemeinsam mit seiner Mutter bezog.

Mitte März 1933, einige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, wurde Felix Löwenthal wegen seiner jüdischen Herkunft zum 1. Juli als Magistratsassessor entlassen. Er beteiligte sich mit einer Kapitaleinlage an dem von Wilhelm Beermann in der Hamburger Admiralitätsstraße betriebenen Geschäft für Herstellung und Vertrieb von Berufskleidung. Ende 1938 trat er aus der Firma aus, da ihm nun eine Berufstätigkeit als Jude untersagt war. Von nun an lebte er offenbar von seinem in Wertpapieren angelegten Vermögen. Nach dem Tod der Mutter war er Eigentümer des Villengrundstücks Olshausenstraße 15. Mit ihm im Haus lebte seit 1933 ein befreundetes Ehepaar, der Buchhalter Wilhelm Hofmeister und seine Frau Margarethe, geb. Girnth.

Um 1932 begegnete Felix Löwenthal im Hause von Helene Bonfort in der Beselerstraße 8 in Othmarschen der zehn Jahre jüngeren Margaretha Steffensen, die als Haushälterin und Pflegerin bei der betagten pensionierten Lehrerin in Stellung war. Felix Löwenthal fungierte als Vermögensverwalter und später Testamentsvollstrecker Helene Bonforts, die ebenfalls jüdischer Herkunft war. Sie hatte 1896 gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Anna Meinertz die "Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" gegründet und bis 1916 geleitet. Zeitlebens engagierte sie sich für Mädchen- und Frauenbildung und wirkte als Leiterin einer höheren Töchterschule.

Margaretha Steffensen war ausgebildete Kindergärtnerin, bewandert in Literatur und mit einer Liebe zum Theater. Von 1934 bis 1936 besuchte sie abends die staatliche Mädchenfachschule in der Treskow-Allee in Hamburg-Altona, um "Hauswirtschaftsmeisterin" zu werden.

Ihre Großnichte Ulrike Steffensen fand in ihren Aufzeichnungen Hinweise, nach denen sie und Felix Löwenthal heimlich verlobt waren. Eine Heirat zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern war seit Erlass der Nürnberger Gesetze im September 1935 verboten. "Meine Großtante Margaretha Steffensen hat nie geheiratet, sie hat immer an Felix Löwenthal gedacht, sie blieb ihm ihr ganzes Leben lang sehr verbunden. Das Foto von ihm stand bis zu ihrem Tod 2008 auf ihrem Nachttisch. Sie hat ihn offenbar 1932 kennengelernt und stand bis 1940 mit ihm in Kontakt. Er hat ihr das Buch ‚Sieben Legenden‘ von Gottfried Keller geschenkt; sie vermerkte im Umschlag: ‚mir gegeben in der Zeit zwischen 1932 und 1940, FL‘. Von der ersten Buchseite ist ein Papierstreifen herausgeschnitten worden, vielleicht stand dort eine Widmung von Felix Löwenthal und sie wollte jeden Hinweis auf ihre Freundschaft tilgen. Möglich ist, dass sie sich 1940 trennten, weil es zu gefährlich wurde. Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden standen unter Strafe."

Zentralen Weisungen gemäß wurden bei dem organisierten Novemberpogrom 1938 in Hamburg viele jüdische Männer verhaftet und ins KZ Sachsenhausen transportiert, unter ihnen auch Felix Löwenthal. Mit ihm inhaftiert war Alfred Rheinheimer, der später in Auschwitz ermordet wurde. Mit ihm und seiner Frau Helene war Felix Löwenthal befreundet.

Margarethe Hofmeister erklärte im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg: "Ich weiß aus eigener Wissenschaft, dass Dr. Felix Löwenthal am 10. November 1938 anschließend an die sogenannte Kristallnacht in seiner oben genannten Wohnung in meiner Gegenwart und in Gegenwart meines Ehemannes verhaftet und abgeholt wurde." Sie sei am nächsten Tag auf die Polizeiwache Hamburg-Altona, Herderstraße, bestellt worden, wo man ihr Schlüssel, Portemonnaie und Kleinigkeiten von Felix Löwenthal übergab.

"Am 21. Dezember 1938 morgens 7 Uhr erschien Herr Dr. Löwenthal plötzlich wieder bei uns in der Wohnung […] Er teilte mit, dass er inzwischen in Sachsenhausen in Haft gewesen wäre und jetzt aus der Haft entlassen worden sei. Er erklärte, direkt aus Sachsenhausen zu kommen. Er war kahl geschoren."

Die Behörde des Oberfinanzpräsidenten entzog Felix Löwenthal nach und nach seinen Besitz. Er musste hohe "Reichsfluchtsteuer" und "Judenvermögensabgabe" zahlen. Die Verfügung über Wertpapiere und Bankguthaben büßte er ebenso ein wie seinen Wagen und Gold- und Silbersachen. Ende 1938/Anfang 1939 musste er sein Grundstück verkaufen. Das Haus Olshausenstraße 15, in dem er seit neun Jahren einen gemeinsamen Haushalt mit dem Ehepaar Hofmeister geführt hatte – sie hatten dort mietfrei gewohnt – wurde zwangsgeräumt, auch die Möbel der Hofmeisters wurden beschlagnahmt.

Vorübergehend wohnte Felix Löwenthal in der Beselerstraße 8. Das Ehepaar Hofmeister fand eine Wohnung in Hamburg-Niendorf in der Adolf-Hitler-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße), wo auch Felix Löwenthal einzog. Wilhelm Hofmeister war zum Heeresdienst eingezogen. Im Oktober 1940 wurden Felix Löwenthal und Margarethe Hofmeister von der Gestapo verhaftet. "Ende Oktober sind dann Herr Dr. Löwenthal und ich gleichzeitig in der Wohnung in Haft genommen worden. Irgendjemand hatte Herrn Dr. Löwenthal der Rassenschande mit mir verdächtigt. Ich bin zusammen mit Dr. Löwenthal nach Fuhlsbüttel befördert worden." Margarethe Hofmeister wurde am gleichen Tag zunächst aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel entlassen, eine Woche später jedoch wieder in Haft genommen. Im Verfahren vor dem Amt für Wiedergutmachung gab sie an: "Misshandlungen in der Haft: geschlagen und gehungert". Zwei Wochen später kamen sie und Felix Löwenthal aus der Haft frei. Der Verdacht der "Rassenschande", des unehelichen Geschlechtsverkehrs zwischen einem Juden und einer Nichtjüdin, hatte sich als unbegründet erwiesen. Dennoch wurde Margarethe Hofmeister in den folgenden Jahren, wie sie angab, "immer wieder von den Behörden schikaniert".

Zuletzt wohnte Felix Löwenthal im ersten Stock der Oderfelderstraße 21, wo er ein Zimmer bei Frau Schwarz gemietet hatte. Am 21. Oktober 1941 erhielt er dort von der geheimen Staatspolizeistelle Hamburg den "Evakuierungsbefehl", wonach er sich für den 24. Oktober 1941 im von der Gestapo beschlagnahmten und als Sammelstelle für die Deportation genutzten Logenhaus an der Moorweidenstraße einfinden musste. Margarethe Hofmeister bezeugte, dass "er seit dem genannten Tag aus Hamburg verschwunden war". Am 25. Oktober 1941 wurde er nach Lodz im deutsch besetzten Polen deportiert. Zweimal seien noch Nachrichten aus dem Getto von ihm eingetroffen.

Die von der Dienststelle für die Verwertung eingezogenen Vermögens beim Oberfinanzpräsidenten Hamburg beschlagnahmten Möbel, Einrichtungsgegenstände und die Kleidung von Felix Löwenthal wurden in den Versteigerungshallen der Gerichtsvollzieherei Drehbahn 36 versteigert. Die Auktion kündigten Anzeigen im "Hamburger Fremdenblatt" und "Hamburger Anzeiger" an. Die Bestandsaufnahme "Umzugsgut Felix Israel Löwenthal" umfasste 405 Bücher, darunter Bände der Kunst- und Weltgeschichte, Goethes Werke und andere Klassiker, teils fremdsprachlich, einen Notenständer, einen Fotoapparat, einen Kinoaufnahme- und Vorführapparat, Gemälde, japanische Seidenbilder, 3 Bronzen, eine japanische Keramikdose. Etwa 60 Bücher, die auf dem Index für verbotene Literatur standen, waren zuvor von der Gestapo beschlagnahmt worden. Über 70 Personen beteiligten sich an der Versteigerung, deren Erlös an die Oberfinanzkasse Hamburg ging.

Felix Löwenthals Adresse im Getto Lodz war Zimmerstraße 6, Wohnung 18. Im Mai 1942 sollte die Hälfte der im Herbst 1941 nach Lodz deportierten 21.000 deutschsprachigen Juden und Jüdinnen "ausgesiedelt" werden. Der im Ordnungsdienst tätige Felix Löwenthal konnte mit einem Gesuch vom 9. Mai 1942 an die Kommission der auch für ihn anberaumten "Aussiedelung" aus Lodz entgehen. Vielleicht ahnte er zu diesem Zeitpunkt schon, dass die als "Aussiedelung" getarnte Verlegung ins nahe gelegene Vernichtungslager Chelmno den Tod bedeutete, vielleicht hoffte er auf eine Überlebenschance in Lodz und befürchtete Schlimmeres an einem anderen, unbekannten Ort. Doch er überlebte nur noch zwei weitere Monate. Am 18. Juli 1942 verzeichnete man im Getto seinen Tod, als Todesursache war "Darmkatarrh" angegeben. Sein Freund Wilhelm Hofmeister brachte nach dem Krieg in Erfahrung, dass Felix Löwenthal sich bei einem Streit zwischen zwei Personen als Ordnungsdienstmann eingemischt habe und erschossen worden sei.

Felix Löwenthal hatte das Ehepaar Hofmeister testamentarisch als seine Erben eingesetzt. Nach dem Krieg entschied die Beratungsstelle für Wiedergutmachungsansprüche der Hansestadt Hamburg, dass Hofmeisters "wegen judenfreundlicher Einstellung" als politisch Verfolgte anzusehen seien; damit hatte das Ehepaar Anspruch auf Entschädigung für die "Judenvermögensabgabe" und "Reichsfluchtsteuer", die Felix Löwenthal entrichten musste.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr, auch auf Grundlage der Recherchen von Ulrike Steffensen

Quellen: 1; 2 (R 1939/547, ohne Inhalt, 1984 an Beamten weitergereicht); 4; 5; AB Hamburg und Altona; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen, 464 (Felix Löwenthal 1941); StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 22807 (Hofmeister, geb. Girnth, Margarethe) und 22808 (Hofmeister, Wilhelm); StaH 241-2 Justizverwaltung – Personalakten, A 954 (Felix Löwenthal); StaH 424-4 Personalakten Altona, L 304 (Löwenthal, Felix); USHMM, RG 15.883, 302/127-129, Last Letters from Lodz (Löwenthal); Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, D 1 A/1020, Bl. 537; Gespräch mit Ulrike Steffensen, Großnichte von Margarethe Steffensen, 26.11.2012; Auskunft ITS, Bad Arolsen, Mai 2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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