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Rolf-Edgar Frankenthal * 1921

Wrangelstraße 22 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)

1941 Minsk

Rolf-Edgar Frankenthal, geb. am 29.5.1921 in Hamburg, am 8.11.1941 in das Getto Minsk deportiert

Wrangelstraße 22 / Sorbenstraße 15, Hammerbrook

Rolf-Edgar Frankenthal wurde am 29.5.1921 in Hamburg geboren. Seine Eltern waren noch sehr jung, als sie heirateten. Sein Vater, Theodor Frankenthal, wurde am 27.2.1899 in Hamburg geboren. Er hatte einen jüngeren Bruder, Kurt (geboren am 29.10.1901 – er wanderte 1939 in die USA aus) und eine ältere Schwester, Margot (geboren am 21.10. 1894 – über ihren Lebenslauf gibt es keine Informationen). Die Eltern – und damit Edgars Großeltern väterlicherseits – waren Leo Frankenthal (geboren am 16.4.1861 in Hamburg) und Ida Frankenthal, geb. Lindenfeld (geboren am 1.10.1867 in Kassel); Leo Frankenthal führte eine Agentur und reiste später als Handelsvertreter, in welcher Branche, ist nicht bekannt.

Theodor Frankenthal, Rolf-Edgars Vater, hatte in den 1920er Jahren einen Pelzhandel en gros geführt; nach dem Konkurs des Geschäfts war er als selbstständiger Vertreter in der Pelzbranche tätig gewesen. Er hatte sich – nach der Eintragung auf der Kultussteuerkarte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde (DIG) zu schließen – vom religiösen Judentum abgewendet und sich taufen lassen, blieb aber der jüdischen Glaubensgemeinschaft verbunden. Zumindest hatte die DIG für ihn eine Kultussteuerkarte angelegt und ihn für 1921 mit der Berufsbezeichnung Angestellter und seiner Verpflichtung zur Zahlung einer Kultussteuer für die Jüdische Gemeinde eingetragen. Mit Unterbrechungen geschah das bis 1936; ab 1937 erfolgten dann keine Steuerzahlungen mehr – und im Februar 1938 wurde für die Ehefrau Alice Freudenthal eine eigene Steuerkarte angelegt. Was war geschehen?

Alice Frankenthal, geb. Freund (geboren am 16.7.1900 in Altona), war die Mutter von Edgar Frankenthal. Auf ihrer Kultussteuerkarte war kein selbstständiges Einkommen vermerkt; lapidar hieß es: "wohnt Wrangelstr. 21 [richtig: 22]/II b. Freund" – dort hatten ihre Eltern eine Wohnung, sie wohnte also bei ihren Eltern – und damit Rolf-Edgars Großeltern mütterlicherseits. Alices Vater war Emil Freund (geboren am 28.10.1876), von Beruf Kaufmann. Ihre Mutter war Anna Maria Freund, geb. Horn; eine eigens für sie angelegte Kultussteuerkarte trägt den Vermerk "Christin". Alice hatte noch zwei Schwestern: Erna (am 19.3.1902 geboren); auch sie wurde als "evgl." (evangelisch) gekennzeichnet und Käthe (am 12.5.1904 geboren, am 7.12.1926 gestorben).

Alice Frankenthals Ehemann Theodor Frankenthal, also Edgars Vater – war am 10. Juli 1937 in Haft genommen worden. Die Verhaftung fand in der Wohnung in der Sorbenstraße 19/IV statt. Sie wurde damit begründet, er habe nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen "Rassenschande" begangen. Es kam zur Anklage. Sein Verteidiger war der "Konsulent" Siegfried Urias (der später nach Chile emigrierte). Am 10. November 1937 wurde Frankenthal der Tat für schuldig befunden und – unter Anrechnung der Untersuchungshaft – zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Fuhlsbüttel verbrachte. Danach hätte er am 9. Juli 1940 aus der Haft entlassen werden müssen, doch verhängte die Stapo Hamburg "Schutzhaft" gegen ihn. Er blieb bis zum 31. Juli 1940 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und wurde von dort über das Konzentrationslager Sachsenhausen am 6. September 1940 ins Konzentrationslager Dachau und am 5. Juli 1941 ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Alice Frankenthal, von Beruf Fremdsprachenstenotypistin, war damit für die Versorgung der kleinen Familie allein verantwortlich.

Familie Frankenthal war, als sie noch zusammenlebte, oft innerhalb Hamburgs umgezogen: von der Grindelallee nach Eimsbüttel in die Wrangelstraße 22 (in die Wohnung von Alice Frankenthals Eltern); von dort ging es nach St. Georg in die Schmilinskystraße 64, dann nach Hammerbrook in die Sorbenstraße 19/IV. Dies muss im oder kurz vor dem Jahr 1936 gewesen sein: Edgar Frankenthal war in dem Alter, in dem die Volksschule endet. Er begann seinen Weg in die Erwachsenenwelt und die DIG legte für den "Lehrling" am 31. März 1936 eine eigene Kultussteuerkarte an. Noch lebte er bei den Eltern.

Nach der Verhaftung von Theodor Frankenthal versuchte die Familie auszuwandern. Alice Frankenthal war nach der Verhaftung ihres Ehemannes bei der Fa. Hugo Hartig (Deutschlandhaus) als Stenotypistin tätig, konnte diese Arbeit aber nur bis zu ihrer Kündigung Ende 1938 behalten, da das Unternehmen "arisiert" wurde. Zudem wurde ihr die Wohnung gekündigt. So zog sie mit dem Sohn zu ihren Eltern. Da sie für England kein Permit als kaufmännische Angestellte erhielt, betrieb sie die Auswanderung auf einem Haushaltshilfen-Permit (inwieweit Theodor Frankenthal an dem Auswanderungsverfahren beteiligt war, ist nicht überliefert; auch für ihn existierte ein Karteikarteneintrag "Febr. 39 nach England" – doch wurde der wieder gestrichen).

Rolf-Edgar versuchte während seiner Lehrzeit, eine Auswanderung nach Holland zu organisieren. Auf dem "Fragebogen für Auswanderer", den er am 25. November 1938 ausfüllte, beantwortete er die Frage, welche berufliche Tätigkeit er dort auszuüben gedachte, damit, dort seine Lehre als Feinmechaniker fortzusetzen. Auch wenn sein Einkommen als Lehrling gerade mal 3,00 RM betrug, blieb ihm der Antragsweg für die Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Devisenstelle der Reichsbank und der Finanzämter nicht erspart. Seine Mutter half ihm dabei, – doch wurde der Eintrag in der Kultussteuerkarte, mit dem seine Auswanderung bestätigt werden sollte, wieder gestrichen. Auch der Vermerk "geht mit Kindertransport", notiert auf dem Auswanderungsformular, gibt keine Aufklärung über das Scheitern der Auswanderung. Alice Frankenthal verließ Deutschland im Februar 1939. Sie schrieb später: "Vollständig mittellos habe ich Deutschland verlassen und eine Stellung als Köchin in England angenommen. [...] Meinen Jungen, der damals als Feinmechaniker in der Lehre war, musste ich bei meinen Eltern zurücklassen."

Die Lehre scheint Rolf-Edgar Frankenthal dann 1939 abgeschlossen zu haben (eine Ausbildung in einem Mechanikerberuf dauerte damals dreieinhalb Jahre); die DIG ersetzte das Wort "Lehrling" auf der Kultussteuerkartei durch "Elektro-Feinmechaniker". Post, die die Auswanderungsstellen an ihn richteten, ging ab Januar 1939 an die Adresse Wrangelstraße 22; auch er wohnte demnach bei den Großeltern. 1940 trat er ins Erwerbsleben ein – die erste Kultussteuerzahlung mit einem Betrag von 12 RM wurde für ihn fällig.

Wir wissen nicht, wo und was Rolf-Edgar später arbeitete. Er zahlte 1 RM monatlich an die Jüdische Gemeinde. Irgendwann Ende 1940 oder Anfang 1941 zog Edgar Frankenthal in seine letzte Unterkunft in Hamburg, Belowdamm 22. Wie für Rolf-Edgar Frankenthal wird auch für seinen Großvater mütterlicherseits, für Emil Freund (dessen Vorfahren aus dem böhmischen Städtchen Kolin im 1917 nach Hamburg gekommen waren), der Belowdamm 22 (heute Wrangelstraße) als letzte Wohnanschrift benannt. Eine letzte Nachricht von Emil Freund stammt aus dem Jahr 1960. Er wohnte in Hamburg im Humperdinckweg 3 und schrieb einen Brief an das Amt für Wiedergutmachung, in dem er den Tod und die Todesursache seines Schwiegersohns, Theodor Frankenthal, im Konzentrationslager Buchenwald bestätigte.

Theodor Frankenthal hatte noch aus dem Konzentrationslager Dachau heraus versucht, eine Auswanderung für sich zu organisieren; Ziel: "Nordamerika". Der ausgefüllte "Fragebogen für Auswanderer" datiert vom 7. Juni 1941. Devisenstelle der Reichsbank und Finanzamt in Hamburg haben die für die Auswanderung notwendigen Unbedenklichkeitsbescheinigungen noch bearbeitet. Sein Sohn, Rolf-Edgar, unterschrieb für ihn in Hamburg, er habe keine "Fremdwährungsschulden" und auch keine Schulden gegenüber inländischen Gläubigern. Auch das geschah am 7. Juni 1941. Doch auch Rolf-Edgar Frankenthal war in dieser Zeit noch um eine Auswanderung bemüht. Aus einem Schreiben des Passamtes Hamburg an die Devisenstelle der Reichsbank in Hamburg geht hervor, dass er "vorbereitende Maßnahmen zur Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland" getroffen habe – wollte er versuchen, zusammen mit seinem Vater auszuwandern? Allerdings waren unterschiedliche Auswanderungsziele angegeben. Im Bearbeitungsvermerk des Passamtes hieß es am 5. März 1940 zum Auswanderungsbegehren von Rolf-Edgar Frankenthal: "Frankenthal ist Volljude. Er will freiwillig nach Palästina auswandern. Zu diesem Zweck will er in nächster Zeit die Vorbereitungen für seine Ausreise treffen."

Die Auswanderung von Vater und Sohn fand nicht statt. Das Hamburger Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus vermerkte, dass Theodor Frankenthal am 26. Juli 1942 im Konzentrationslager Buchenwald zu Tode kam, und auf der Kultussteuerkartei hieß es in einer letzten Notiz: "26.7.42 Tod KZ, Urne Ohlsdorf".

Rolf-Edgar Frankenthals Großeltern väterlicherseits, Leo und Ida Frankenthal wurden am 15. Juli 1942 ins Getto von Theresienstadt deportiert; Leo Frankenthal kam dort am 4. August 1942 ums Leben, Ida Frankenthal am 26. September 1942.

Rolf-Edgar Frankenthal hielt sich damals bereits nicht mehr in Hamburg auf. Er war Monate zuvor, am 8. November 1941, "ausgesiedelt" worden – ins jüdische Getto nach Minsk. Dort verlieren sich seine Spuren. Er wurde "für tot erklärt am 8.5.1945 lt. Beschluss des Amtsgerichts Hamburg". Seine Mutter, Alice Frankenthal schrieb in einem Brief: "Ende des Jahres 1941 holte man dann auch meinen damals 20jährigen Jungen. Er wurde nach Polen verschleppt und später dann nach Minsk und ist bis auf den heutigen Tag verschollen. Alle Nachforschungen durch das Rote Kreuz waren vergebens."

© Peter Offenborn

Quellen: 1; 2 (FVg 3811 und FVg 8880); 4; 5; StAH 351-11 AfW 23617; Stolpersteine in Hamburg-Hamm

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