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Nathan Peltesohn
© Privatbesitz

Dr. Nathan Nathanael Peltesohn * 1862

Isestraße 41 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
ermordet 7.8.1942

Weitere Stolpersteine in Isestraße 41:
Martha Golembiewski

Dr. Nathan Nathanael Peltesohn, geb. 22.12.1862 in Posen, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, dort am 7.8.1942 umgekommen

Nathan Peltesohn, aus Posen gebürtig, war ein "alt eingesessener" Bewohner der Isestraße. Seine Frau Flora, geb. Silberstein, starb 1910, 47-jährig, als der Sohn Gerhart 17 Jahre alt war. Der Witwer blieb mit dem Sohn allein, mehr als 25 Jahre lang versorgt von seiner treuen nichtjüdischen Haushälterin Dora Uhrbrook, die in seinem Haushalt lebte.

Nathan Peltesohn war Augenarzt und führte eine gut gehende Praxis in den Colonnaden. Der Sohn wurde auf Wunsch des Vaters ebenfalls Augenarzt und wie sein Vater in seinem Beruf erfolgreich. Er heiratete Edith Arendt, Tochter der wohl­­habenden Besitzer des Modehauses Arendt am Neuen Wall. Ihnen wurden zwei Söhne geboren, Fritz, der sich später Edvard nannte, und Frank. Nachdem jüdischen Ärzten 1933 die kassenärztliche Zulassung entzogen worden war, verfügte Nathanael Peltesohn noch über ein Einkommen durch Privat­patienten, das ihn ernährte. Trotz seines hohen Alters arbeitete er bis 1938, als die jüdischen Ärzte ihre Approbation verloren.

Sein Enkel Frank schildert Nathan Peltesohn als einen eleganten, stets modisch gekleideten Herrn, der Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit ausstrahlte. Er spielte Piano und Cello, und in der Wohnung in der Isestraße fanden oft Hauskonzerte statt. "Opa Nathan" hielt viel von einer gesunden Lebensweise und körperlichem Training. Morgens machte er im Haus Gymnastik zu Musik aus dem Radio und legte sämtliche Wege in der Stadt, auch den täglichen Gang in die Praxis, noch im hohen Alter zu Fuß zurück.

Gern besuchten die Enkel ihren Großvater in der Isestraße und erinnern sich lebhaft daran, wie sie auf dem Sofa im Wohnzimmer, das zum Kanal hinausging, "Schiff" spielten. Stets wurde der Besuch mit einem Glas Apfelsaft "belohnt".

Im November 1938 emigrierte Gerhart Peltesohn mit seiner Frau und den beiden Jungen in die USA. Dort musste er nach einem erneuten Studium beruflich wieder ganz von vorn anfangen. Die Bürgschaft hatte er von einem Kollegen seines Vaters, der schon vor 1933 in die USA ausgewandert war, erhalten. "So rettete Opa in gewissem Sinne unser Leben", urteilt sein Enkel 70 Jahre später.

Nathan Peltesohn, mittlerweile 76 Jahre alt, blieb allein zurück. Er hatte, wie aus den Akten hervorgeht, nach wie vor sein Auskommen, das ihm aber gewiss nicht die Geborgenheit der Familie ersetzte.

Anfang 1942 musste er die Wohnung, in der er mehr als 30 Jahre gelebt hatte, verlassen und seine letzten Monate in Hamburg im "Judenhaus" in der Beneckestraße verbringen. Im Juli 1942 hatte er einen "Heimeinkaufsvertrag" für Theresienstadt abzuschließen. Mehr als 20000 Reichsmark wurden dafür von seinem gesperrten Konto abgehoben. "Diesen Betrag hat die Gestapo vereinnahmt", erklärte die Jüdische Gemeinde 1948 für das Wiedergutmachungsverfahren.

Am 15. Juli 1942 hatte sich Nathan Peltesohn in der Schule Schanzenstraße zum Transport nach Theresienstadt einzufinden. Vielleicht half ihm "Fräulein" Uhrbrook, sein spärliches Gepäck zu ordnen. Auf diesem letzten Weg in Hamburg konnte sie ihn wohl nicht begleiten, weil die alten Menschen, die nach Theresienstadt transportiert wurden, schon vor der Haustür auf Lastwagen verladen wurden. Bis zu ihrem Tode im Jahre 1954 stand die ehemalige Haushälterin in regelmäßigem Briefkontakt mit Gerhart Pelteso(h)ns Fa­milie in den USA und berichtete über das Schicksal des Vaters.

Eine Woche nach Nathan Peltesohn wurde die Schwiegermutter seines Sohnes, Rosalie Arendt, (siehe Eppendorf, Geffckenstraße 23) nach Theresienstadt deportiert. Sie wurde im Februar 1945 befreit, starb aber noch vor Kriegsende in der Schweiz.

Nathan Peltesohn starb, wie die jüdischen Ärzte attestierten, nach nur drei Wochen im Getto an "Altersschwäche"/Herzversagen.

Einen Monat nach seinem Tod, am 14. September 1942, kamen seine Schwestern Jenny und Anna aus Berlin in Theresienstadt an. Jenny, ein Jahr älter als ihr Bruder, kam nach vier Monaten ums Leben. Anna Peltesohn, geboren 1868, war eine bekannte Berliner Pädagogin, die seit 1897 eine Privatschule für Mädchen betrieb, die bis in die dreißiger Jahre ständig an Bedeutung gewann. Im Oktober 1938 wurden die Räume der Schule in der Pariser Straße gekündigt, die Schule musste geschlossen werden. Anna Pelteson starb an ihrem 75. Ge­burtstag am 13. Januar 1943 in Theresienstadt.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 6; AfW 221262; Privater Briefwechsel mit der Schwiegertochter Edith Pelteson, 1955 bis 1961; Edward F. Pelteson per E-mail 17.4.2005. Frank M.Pelteson per E-mail 20.10.2007; Karl Heinz Metzger, Die Villlenkolonie Grunewald-berlin.de, www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/textgrunewald.html, eingesehen am 5.4.2009; Helga Gläser, Karl Heinz Metzger u. a.: 100 Jahre Villenkolonie Grunewald 1889–1989, Berlin 1988 "Hier ist kein Bleiben länger", Jüdische Schlgründerinnen in Wilmersdorf. Katalog zur Ausstellung 19.3. bis 18.9.1992 im Wilmersdorf Museum, Berlin 1992.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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