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Bereits verlegte Stolpersteine



Julchen Levi * 1888

Bremer Reihe 24 (Hamburg-Mitte, St. Georg)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Bremer Reihe 24:
Emma Levi

Emma Levi, geb. 29.5.1892 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der "Landes-Pflege-Anstalt" Brandenburg an der Havel
Julchen Frieda Levi, geb. 12.11.1888 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga

Stolperstein Hamburg-St. Georg, Bremer Reihe 24

Emma Levi war die jüngste Tochter des Schlachters und Pferdehändlers Saly Levi, geboren am 14. März 1864 in Altenstädt, heute ein Stadtteil von Naumburg in Nordhessen. Seine Ehefrau Jette, geborene Fränkel, geboren am 27. Januar 1862, stammte aus Ehrenberg. Es ließ sich nicht klären, um welches Ehrenberg es sich handelt. Das Ehepaar Levi muss im Laufe der 1880er Jahre nach Hamburg eingewandert sein. Es bekannte sich zum jüdischen Glauben.

Emmas ältere Schwestern Julchen, genannt Frieda, geboren am 12. November 1888 und Giedchen, geboren am 30. März 1890, kamen in der Glashüttenstraße 4 im Hamburger Stadtteil St. Pauli zur Welt. Ihnen folgte Selma, geboren am 4. 6.1891 in der Glashüttenstraße 105. Die Familie verlegte bald darauf ihren Wohnsitz aus der Neustadt in die Straße Koppel 85 im Stadtteil St. Georg, einem Arbeiterquartier. Hier wurde Emma Levi am 29. Mai 1892 in der Bremerstraße 16 geboren. Drei Monate später starb ihre Schwester Selma im Alter von einem Jahr und drei Monaten.

Emma Levi war zeitlebens kränklich. Im Alter von vier Jahren mussten ihr die Nasenpolypen operativ entfernt werden. Sie wuchsen jedoch nach, sodass die Operation 1908 wiederholt werden musste. Wenige Jahre später folgte eine Blinddarmoperation.

Wir verfügen über keine Informationen über Emmas Schulzeit. In der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg wurde bescheinigt, sie sei intelligent gewesen. Emma erlernte den Beruf der Hutmacherin.

Im Juli 1910 verlegte die Familie den Wohnsitz in die Bremer Reihe 24, ebenfalls in St. Georg. Eineinhalb Jahre später, am 4. Oktober 1911, die drei Levi-Mädchen waren gerade bzw. wurden volljährig, starb ihr Vater Saly im Alter von 47 Jahren. Salys Witwe Jette behielt die Wohnung in der Bremer Reihe bis zu ihrem Lebensende am 9. Oktober 1920 bei.

Emma Levi entwickelte sich zunehmend zum "Sorgenkind". Im Dezember 1914 musste sie sich einer gynäkologischen Operation unterziehen. 1915 klagte sie über das Gefühl "abgestorbener Finger". 1917 wurde sie wegen einer über den ganzen Körper verbreiteten Hautkrankheit im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg behandelt. Ein weiterer Krankenhausaufenthalt schloss sich wenig später an wegen des Verdachts auf eine Geschlechtskrankheit, der sich 1919 bestätigte. Emma hatte, wie ihre Schwester Julchen später im Staatskrankenhaus Friedrichsberg berichtete, eine längere Beziehung mit einem Mann, der sie wohl angesteckt habe.

Am 9. Oktober 1920 starb Jette Levi im Alter von 58 Jahren. Julchen und Emma Levi behielten die Wohnung in der Bremer Reihe auch nach dem Tod ihrer Mutter. Julchen blieb unverheiratet. Sie arbeitete als Kassiererin, später als Privatsekretärin. Giedchen, die dritte Levi-Tochter, heiratete 1923 den nichtjüdischen Kapellmeister Karl Stoppauer aus Wien. Wahrscheinlich verließ sie ihre Geburtsstadt nach der Eheschließung.

Emma Levis Gesundheitszustand besserte sich in den Jahren nach dem Tod ihrer Mutter nicht. Sie litt unter den Folgen der 1919 erfolgten Infektion. Im Krankenhaus wurden verschiedene Behandlungsansätze versucht, die teilweise zu vorübergehenden Erfolgen führten, so dass sich Emma im Februar 1928 im Genesungsheim Kollow, zwischen Geesthacht und Schwarzenbek gelegen, erholen konnte.

Wegen starker Erregungszustände wurde Emma Levi im November 1928 in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen. Sie war dauernd gereizt und gegenüber den Mitpatienten unfreundlich bis sehr gehässig. Anfang 1930 litt sie unter diversen Fieberschüben, die Monate andauerten. Der Leiter der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg, Professor Wilhelm Weygandt, war im Juli 1933 der Auffassung, dass "Die Patientin Emma Levi [...] für nicht absehbare Zeit anstaltspflegebedürftig [ist]; sie kann nicht entlassen werden."

Anfang 1935 waren die Therapiemöglichkeiten der bei Emma Levi diagnostizierten chronischen Entzündung des Nervengewebes erschöpft. Sie wurde in das Versorgungsheim Farmsen überstellt, in dem sie in den nächsten Jahren lebte.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Emma Levi traf am 18. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus den norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Emma Levis Tod erhielten. In allen dokumentierten Sterbemitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben sei. Zudem wurden spätere Sterbedaten als die tatsächlichen angegeben. Die in Brandenburg Ermordeten sind jedoch nie in Chelm/Cholm gewesen. Auch gab es dort kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch Emmas Schwester Julchen kam im Holocaust ums Leben. Sie gehörte im Dezember 1941 zu den 753 Hamburger Juden, die nach Riga deportiert wurden und nicht wieder von dort zurückkehrten. Ein Stolperstein erinnert an sie an der Stelle ihres letzten Wohnhauses in der Bremer Reihe 24.

Emmas Schwester Giedchen überlebte den Holocaust offenbar geschützt durch die Ehe mit ihrem nichtjüdischen Ehepartner. Sie starb am 11. Januar 1980 im Alter von 90 Jahren in Prien am Chiemsee.

Stand: Februar 2018
© Ingo Wille/Benedikt Behrens

Quellen: 1; 4; 5; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 213-13 Landgericht Hamburg Wiedergutmachung 3144 Julchen Levi, 3145 Giedchen Stoppauer geb. Levi; 332-5 Standesämter 314 Sterberegisterauszug Nr. 3190/1892 Selma Levi, 821 Sterberegisterauszug Nr. 1388/1920 Lette Levi, 2182 Geburtsregisterauszug Nr. 5386/1888 Julchen Levi, 2278 Geburtsregisterauszug Nr. 1571/1892 Emma Levi, 3455 Heiratsregisterauszug Nr. 596/1923 Giedchen Levi/Karl Stoppauer, 6902 Sterberegisterauszug Nr. 1104/1911 Saly Levi, 9058 Geburtsregisterauszug Nr. 726/1890 Giedchen Levi, 9069 Geburtsregisterauszug Nr. 1435/1891 Selma Levi, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 54712 Giedchen Stoppauer; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1 1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.39 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Patienten-Karteikarte Emma Levi der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; UKE/IGEM, Patientenakte Emma Levi der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Standesamt Prien am Chiemsee, Sterberegisterauszug Nr. 18/1980 Giedchen Stoppauer.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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