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Jasper Holtmann * 1904

Suhrenkamp 98 (Hamburg-Nord, Ohlsdorf)


HIER WOHNTE
JASPER HOLTMANN
JG. 1904
VERHAFTET
KZ FUHLSBÜTTEL
FLUCHT IN DEN TOD
19.1.1939

further stumbling stones in Suhrenkamp 98:
Harald Kosmo, Teressa Scira, Hanka Scira

Jasper Peter Holtmann, geb. am 29.11.1904 auf Helgoland, Flucht in den Tod am 19.1.1939 im KZ Fuhlsbüttel

Suhrenkamp 98, Gedenkstätte KZ und Strafanstalten Fuhlsbüttel

Der Kaufmann Jasper Holtmann wurde am 29. November 1904 auf der Insel Helgoland als Sohn des Hummerfischers Erich Holtmann und Maria, geb. Haarkens, geboren. Er hatte sechs Geschwister, von denen nur zwei, die 1907 geborene Schwester Alwine und der 1910 geborener Bruder Jonny, nicht im Kleinkindalter verstarben.

Über Jasper Holtmanns Kindheit und Jugendzeit ist uns nichts bekannt. Am 7. August 1929 heiratete er Margarethe Harste in Altona-Ottensen und lebte mit ihr auf Helgoland. Aus der Ehe stammte eine 1930 geborene Tochter, eine 1937 geborene zweite Tochter war nicht seine leibliche. Die Ehe soll vor dem Tod Jasper Holtmanns geschieden worden sein.

Jasper Holtmann erlernte wie die meisten Helgoländer einen seemännischen Beruf und wurde Steurer (Steuermann), hatte aber zur Mitte der 1930er-Jahre bereits einige Jahre kaufmännische Tätigkeiten als Agentur-Vertreter des Norddeutschen Lloyds auf Helgoland übernommen. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit reiste er häufiger auf das Festland und nach Altona. Auf einer dieser Reisen im Winter 1933/34 hatte er in einer Bedürfnisanstalt in Altona einen Mann kennengelernt und mit diesem sexuelle Handlungen durchgeführt. Dieser erpresste ihn später. Um die hohen Geldforderungen zu erfüllen, veruntreute Holtmann Gelder aus der von ihm für den Norddeutschen Lloyd verwalteten Kasse und stellte falsche Quittungen aus. Die veruntreuten ca. 1000,- RM erstattete er zwischenzeitlich wieder zurück.

Am 5. März 1936 fanden deshalb zwei Verfahren vor dem Schöffengericht in Altona statt. In dem ersten Prozess wurde Holtmann wegen Untreue mit Urkundenfälschung zu vier Monaten Haft und einer Geldstrafe von 100,- RM verurteilt. Die Erpressung als Tatursache wirkte sich strafmildernd aus. Allerdings wurde Holtmann in einem zweiten Verfahren wegen Vergehen gegen § 175 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Falle einer Bekanntschaft aus dem Jahr 1933/34 erfolgte ein Freispruch, dafür wurde er für zwei andere, aktuellere Fälle bestraft. In dem Urteil heißt es: "[...] um diese Zeit wurde gegenseitige Onanie nach der Volksauffassung und der Rechtsprechung nicht als widernatürliche Unzucht im Sinne des § 175 alter Fassung Str. G.B. angesehen. Ein Wandel der Rechtsanschauung trat vielmehr erst im Sommer 1934 nach der Röhmrevolte in die Erscheinung". Die Gesamtstrafe betrug ein Jahr Gefängnis und eine Zahlung von 100,- RM. Die Geldstrafe wurde später in eine zehntägige Haftstrafe umgewandelt.

Wegen einer in Pforzheim erfolgten Festnahme kam Jasper Holtmann erst am 20. Februar 1936 von dort zum Prozessbeginn in das Gerichtsgefängnis Altona; die offizielle Strafverbüßung begann am 15. April. Am 30. Mai wurde er in das Strafgefangenenlager Aschendorfermoor im Emsland überführt, kam aber tatsächlich zunächst nach Börgermoor und erst am 19. Januar 1937 nach Aschendorfermoor. Aus diesem Lager wurde er am 1. April 1937 auch entlassen.

Am 16. Januar 1939 geriet Holtmann erneut wegen seiner Homosexualität in den Blick des NS-Verfolgungsapparates. Vom hamburgischen Kriminalkommissariat K 24 (Kommissariat für Delikte im Zusammenhang mit homosexuellen Verhalten) wurde er in "Vorbeugehaft" genommen und in das seit 1935 "Polizeigefängnis" genannte KZ Fuhlsbüttel überführt. Drei Tage später, am 19. Januar 1939, erhängte sich Jasper Holtmann dort mit seinem Leibriemen in seiner Zelle.

Der Gerichtsmediziner Dr. Hans Koopmann ließ den Leibriemen (Gürtel) von Jasper Holtmann als "Tatwerkzeug" dem gerichtsmedizinischen Institut "für Lehrzwecke" überweisen.

Der offizielle letzte Wohnort von Jasper Holtmann war trotz seiner nach den Verurteilungen "vernichteten Existenz" weiterhin auf Helgoland (Oberland, Neubaublock 2). Da er aber seine Sexualität in Altona und Hamburg ausgelebt hat, dort auch verhaftet und inhaftiert wurde, ist sein Stolperstein beispielhaft für die im KZ Fuhlsbüttel auch von homosexuellen Männern erlittenen Qualen vor der heutigen Gedenkstätte verlegt worden. Bisher sind nachweislich neun Männer bekannt, die als Opfer der Homosexuellenverfolgung im KZ Fuhlsbüttel durch eigene Hand aus dem Leben schieden.

© Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13, jüngere Haftkartei Männer; StaH, 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, Nr. 278/ 1939; StaH, 332-5 Standesämter, 9907 Nr. 149; Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abteilung 352 (Altona), Nr. 7259 und Nr. 7260 sowie Dank an Peter von Rönn für die Zurverfügungstellung seiner Recherchen aus 1997; Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann/Gottfried Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969, Hamburg 2009, S. 219; Eckhard Wallmann: Eine Kolonie wird deutsch: Helgoland zwischen den Weltkriegen, 2. Aufl., Bredstedt 2016. Dank an den Helgoland-Genealogen Erich-Nummel Krüss (1932–2018)!

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