Search for Names, Places and Biographies


Already layed Stumbling Stones



Helga Liebschner * 1939

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

HELGA LIEBSCHNER
GEB. 18.4.1939
ERMORDET 22.10.1942

further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Helga Liebschner, geb. am 18.4.1939 in Hamburg, getötet am 22.10.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Helga Wilma Ella Liebschner kam am 18. April 1939 in Hamburg zur Welt. Sie war die Tochter von Alma Amalie Johanna, geb. Lau, und dem Arbeiter Richard Walter Liebschner. Die Schwangerschaft verlief normal, allerdings war die Mutter acht Tage vor der Geburt auf einer Treppe schwer gestürzt. Helga wurde von ihrer Mutter längere Zeit gestillt. Zunächst wuchs sie zusammen mit einer Schwester bei ihren Eltern in Hamburg-Ottensen, Holstentwiete 6, Haus 2, 1. Stock, auf.

Es fiel auf, dass ihre Entwicklung verzögert war. Sitzen konnte Helga erst mit neun Monaten. Am 11. August 1941 kam sie für acht Tage zur Untersuchung in das Altonaer Kinderhospital, Treskow-Allee. Mit über zwei Jahren war Helga in der Entwicklung sehr zurückgeblieben, sie sprach nicht und lief nicht. Ein Ekzem wurde bei ihr behandelt, und die Mutter bekam die Anweisung, ihr keine Milch und Eier zu geben.

Am 2. Dezember 1941 wurde Helgas Vater als Soldat an der Ostfront getötet. Von der Jugendfürsorge wurde Alma Liebscher nun dazu gedrängt Helga zur Beobachtung in eine Anstalt zu geben, da das Kind zu Hause bei den häufigen Fliegerarlarmen eine Last sei. Eines Tages kam die Fürsorgerin und sagte, sie bringe das Kind in eine Anstalt, in welche, sagte sie der Mutter nicht.

Helga war drei Jahre alt, als sie am 20. Mai 1942 mit dem Attest von Dr. Stuhlmann, Gesundheitsamt Altona, und der Diagnose "Geist. Schwäche" in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" eingeliefert wurde. Sie konnte noch nicht sprechen und erst seit kurzer Zeit ein wenig unsicher laufen. Dr. Friedrich Knigge protokollierte bei der Aufnahme: "Die Mutter hat gegen eine erfolgversprechende Behandlung nichts einzuwenden". Er beschrieb Helga als ein sehr nervöses, reizbares Kind: "[…] spielen kann sie nicht, sie wirft nur Bauklötze durch die Gegend. […] Das Anlehnungsbedürfnis an die Schwester ist sehr gross, sie versucht auch immer in deren Nähe zu kommen, um auf den Schoss genommen zu werden. Dabei stösst sie andere Kinder fort".

Die Einweisung war dem "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" in Berlin schon drei Tage nach der Einlieferung gemeldet worden. Wie aus Schreiben vom Juni 1942 zu ersehen ist, lag die "Ermächtigung zur Behandlung des Kindes" vom Reichsausschuß bereits mit einem Schreiben vom 15. November 1941 vor. Am 31. Juli 1942 wurde sie auch von Stadt-Oberinspektor Freese nach Berlin gemeldet.

Als die letzten Protokolle von Dr. Knigge verfasst wurden, war Helgas Tötung bereits beschlossen und eingeleitet:
"17.IX.42. Hat bisher nicht die geringsten Fortschritte gemacht. Bleibt stumm und teilnahmslos.
19.X.42. Ist unter den Erscheinungen einer schweren Bronchitis erkrankt.
22.X.42. Exitus letalis [tödlicher Ausgang] unter den Erscheinungen einer Bronchopneumonie [Lungenentzündung].
Diagnose: Organischer Gehirnprozeß. Idiotie. Dr. Knigge"

Helga Liebschner wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet. Am 22. Oktober 1942 verstarb sie um 8:30 Uhr in Haus M 10, Frauenabteilung II.
In der Todesbescheinigung gab Friedrich Knigge als Todesursache "Organischer Hirnprozess, Idiotie, Bronchopneumonie" an. Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Helga, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.

Die Mutter erhielt am selben Tag, zwei Stunden nach Helgas Tod, per Telegramm die Mitteilung: "Tochter Helga leider verstorben erbitten Geburtsurkunde und Elternheiratskunde Anstalt Langenhorn".

Helga wurde 3 Jahre 6 Monate und 4 Tage alt.

Am 26. Oktober 1942 wurde Helga Liebscher von Haus M 10 um 13:00 Uhr von dem Beerdigungsunternehmer Behn auf den Ottenser Friedhof überführt, wo ihre Beerdigung einen Tag später, am 27. Oktober 1942, um 15:00 Uhr stattfand.

Der Reichsausschuß teilte Knigge am 27. November 1942 mit, dass er die Pflegekosten ab 20. September 1942 nur zur Hälfte übernehmen wolle. Die Beerdigungskosten trug die Mutter.

Nach dem Krieg gab Friedrich Knigge am 18. Januar 1946 in der Strafsache gegen ihn und andere wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn in einer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg zum Fall Helga Liebschner als Rechtfertigung an: "In der Beobachtungszeit hatte ich die Überzeugung gewonnen, daß ein unheilbares Gehirnleiden vorlag, und nach 5 Monaten konnte ich auch hier die Diagnose Idiotie bestätigen. Ich berichtete an den Reichsausschuß um die Genehmigung zur Euthanasie-Behandlung. Nachdem die zustimmende Antwort eingetroffen war, gab ich dem Kind am 19. Oktober 1942 eine Luminal-Injektion, an der es am 22. Oktober gestorben ist. Die Mutter, deren Mann gefallen war, klagte sehr über die Schwierigkeit, die sie mit dem idiotischen Kind zu Hause hatte. Sie war mit der ‚Behandlung‘ einverstanden weil sie die Erfahrung gemacht hatte, daß die beiden gesunden Kinder durch die kranke Geistesschwache in der Pflege und Betreuung zu kurz kamen."

Als Zeugin vor Gericht erklärte am 5. Februar 1948 Helgas Mutter: "Der Arzt stellte lediglich an mich die Frage, ob Geisteskrankheiten meiner Familie vorlägen. Nach der Krankengeschichte des Kindes hat er mich nicht gefragt. Abschließend erklärte er mir, daß er mit dem Kind etwas unternehmen wolle und fragte mich, ob ich damit einverstanden sei. Er hat mir nichts davon gesagt, daß bei der Behandlung des Kindes der Tod eintreten könne."

© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060 Sonderakte Bd. 40, Schirbaum, Gottfried u. a., Akte 29840, 0017 Bd. 001 Bayer u. a. Knigge, S. 71, S. 146 f., S. 175 f.; 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64214 u. 887/1942 Helga Liebschner; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9934 u. 887/1942 Helga Liebschner; StaH, StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 887 Helga Liebschner; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 64 UA 7; Standesamt Hamburg 7, Geburtsregister, Nr. 515/1939 Helga Liebschner.

print preview  / top of page