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Hermann Scheel * 1939

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

HERMANN SCHEEL
GEB. 16.8.1939
ERMORDET 22.8.1942

further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Hermann Scheel, geb. am 16.8.1939 in Hamburg, getötet am 22.8.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Hermann Horst Scheel kam am 16. August 1939 als drittes Kind von Wilma Henriette Maria, geb. Heesch, und dem Arbeiter Ernst August Scheel in Hamburg zur Welt. Zusammen mit seinen älteren Geschwistern lebte er bei seinen Eltern in der Telemannstraße 13a, Eimsbüttel, und wurde evangelisch-lutherisch getauft. Körperlich entwickelte sich Hermann zunächst normal. Nach sieben Monaten traten dann bei ihm im Abstand von drei bis vier Tagen Krämpfe auf und es fiel auf, dass seine geistige Entwicklung nicht altersgemäß war.

Im Alter von einem Jahr und zehn Monaten kam er am 13. Juni 1941 für drei Wochen in die Universitäts-Kinderklinik Eppendorf. Dort wurde beobachtet, dass er "geistig recht zurück ist, mit starker motorischer Unruhe, unmotivierten Affektäusserungen. Er greift nach Gegenständen, spielt auch, reagiert aber wenig und nicht sinngemäss auf seine Umgebung. Neurologisch ist kein krankhafter Befund zu erheben." Krampfanfälle wurden bei ihm in dieser Zeit nicht festgestellt. Zunächst war vom Landesfürsorgeamt beabsichtigt, Hermann Scheel in die "Alsterdorfer Anstalten" einzuweisen. Am 24. Dezember 1941 stellte die Sozialverwaltung Landesfürsorgeamt, Sonderstelle Scha 7459 S.St.I einen Überweisungsschein an die "Alsterdorfer Anstalten" aus. Doch diese leiteten mit einem Schreiben vom 12. Februar 1942 die Einweisungspapiere an die "Heil- und Pflegeanstalten Langenhorn" weiter.

Am 13. Februar 1942 brachte Wilma Scheel ihren Sohn Hermann von der elterlichen Wohnung mit dem vom Hauptgesundheitsamt ausgestellten Attest "Schwachsinn" in die "Heil- und Pflegeanstalten Langenhorn". Dreieinhalb Monate später, am 1. Juni 1942, lieferte Dr. Knigge einen Bericht an den "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" in Berlin: "[…] nach Verlauf und Krankheitsbefund nehme ich als Grundlage der bestehenden Idiotie einen mit epileptiformen Anfällen verbundenen organischen Gehirnprozess an. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass noch nennenswerte geistige Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind, habe ich keine Bedenken, eine Behandlung des Kindes einzuleiten. Dr. Knigge, Leitender Arzt der Kinderabteilung."

Seine letzten Protokolle über Hermann Scheel lauten:
"6.VII.42. Im allgemeinen gutartig, trollt im Zimmer umher, zeigt keine Fähigkeit, ruhig und sinnvoll zu spielen. Macht im Bett mit Vorliebe rhythmische Schaukelbewegungen
22.VIII.42. Exitus letalis [tödlicher Ausgang]. (Bronchopneumonie.)
Diagnose: Organischer Gehirnprozess mit epileptiformen Anfällen. Idiotie. Dr. Knigge"

Hermann Scheel ist in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet worden. Er verstarb am 22. August 1942 um 7:00 Uhr in Haus M 10.
In der Todesbescheinigung gab Dr. Knigge die Todesursache mit "Idiotie, Bronchopneumonie" an.

Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Hermann, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.

Ein Telegramm, am selben Tag um 9:53 Uhr an die Adresse der Eltern in der Telemannstraße geschickt, lautete: "Hermann leider verstorben erbitten zu Montag Geburts- und Elternheiratsurkunde. Anstalt Langennhorn." Ein weiteres Telegramm erreichte zwei Tage später um 9:50 Uhr seinen Vater, den Gefreiten Ernst Scheel, Luftgaupostamt Berlin: "Sohn Hermann verstorben Beisetzung Donnerstag. Anstalt Hamburg-Langenhorn."

Hermann wurde 3 Jahre und 6 Tage alt.

Sieben Tage später wurde Hermann Scheel am 27. August 1942 um 11:00 Uhr von Langenhorn auf den Ohlsdorfer Friedhof Kapelle 12 überführt. Um 13:00 fand seine Beisetzung durch Beerdigungsunternehmer Hippel "mit Dekoration, Pflanzen und Harmonium- bzw. Orgelmusik" statt, Grablage Bo 63, Reihe 22, Nr. 13. Seine Grabstelle ist nicht mehr erhalten.

Nach über einem halben Jahr, am 9. März 1943, bat Hermanns Mutter in Langenhorn um Auskunft: "Werter Herr Doktor! Ich möchte mal höflich bei Ihnen anfragen, ob Sie mir schon das Ergebnis mitteilen können, was für eine Krankheit mein Sohn Hermann in seinem Gehirn hatte. Er ist doch dort im August verstorben. Sie teilten mir damals mit, dass ich es mir auch schriftlich mitteilen lassen könnte. Ich bitte um Nachricht! Mit Deutschem Gruß Frau W. Scheel."

Zehn Tage später, am 19. März 1943, wurde das Antwortschreiben verschickt:
"Sehr geehrte Frau Scheel! Die Untersuchung des Gehirns Ihres hier verstorbenen Sohnes Hermann befindet sich noch im Stadium der Vorbereitung. Eine eingehende mikroskopische Durchforschung erfordert sehr viel Zeit, die augenblicklich nicht zur Verfügung steht. Der mit derartigen Untersuchungen beauftragte Arzt ist ausserdem seit vorigen Sommer eingezogen. Vor Beendigung des Krieges wird wohl kaum mit einem Ergebnis zu rechnen sein. Heil Hitler! Dr. Knigge."

Nach dem Krieg gab Dr. Knigge am 18. Januar 1946 in der Strafsache gegen ihn und andere wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn in einer Vernehmung zum Fall Hermann Scheel als Rechtfertigung an: "Die Beobachtung dauerte fast ein halbes Jahr. Ich berichtete am 1. Juni, wie das beiliegende Blatt zeigt, dem Reichsausschuß, der seine Zustimmung zur Euthanasie-Behandlung gab. Die Luminal-Injektion hat am 20. oder 21. August stattgefunden. Am 22. August ist das Kind gestorben. Diagnostisch stimme ich mit der Eppendorfer Klinik und dem Oberarzt der Wohlfahrtsbehörde überein. Eine Heilung oder Besserungsmöglichkeit war für das idiotische Kind nicht vorhanden. Die Eltern empfanden das Kind zu Hause als sehr störend. Es sprach nicht, schlug aber oft um sich und biß und kratzte. Es zerriß alles und war nicht zu lenken. Wegen seiner Bösartigkeit mußten sich die Geschwister von ihm fernhalten. Die Eltern wollten sich auf jeden Fall von dem Kinde trennen. Die Mutter klagte mir darüber, daß das Kind sie gar nicht kenne. Bei den Besuchszeiten nahm es auch keine Notiz von der Mutter. Die Eltern waren schon mit der ‚Behandlung‘ einverstanden als das Kind gebracht wurde."

Als Zeugin erklärte Hermanns Mutter Wilma Scheel am 5. Februar 1948 vor Gericht: "Die Ärztin, deren Namen mir entfallen ist und früher in der Bundesstraße wohnte, veranlaßte, daß das Kind nach Langenhorn kam. Die Ärztin hat von sich aus die Einweisung nach Langenhorn vorgenommen. Ich habe einen entsprechenden Wunsch der Ärztin nicht vorgetragen. Mir fällt ein, daß die Ärztin Botemps hieß. Sie ist ausgebombt. Dr. Knigge habe ich in der Anstalt Langenhorn 3 oder 4 Mal gesprochen. Bei meiner ersten Rücksprache meinte Dr. Knigge, daß Hermann keine Krämpfe habe, er wolle das Kind noch weiter beobachten. Beim zweiten Besuch, sagte Dr. Knigge dasselbe. Dr. Knigge hat mir mit keinem Wort erzählt, daß er eine besondere Behandlung oder eine Operation an dem Kinde vornehmen wolle. Er sagte zu mir gelegentlich, er wisse nicht, was dem Kinde fehle. Ich würde das aber noch einmal erfahren. Ich war völlig überrascht, als ich eines Tages die Nachricht erhielt, daß Hermann an Lungenentzündung gestorben sei. Ich kann mich nicht entsinnen, daß ich der Krankenschwester im Krankenhaus Langenhorn gesagt habe, daß ich mit einer erfolgversprechenden Behandlung von Hermann einverstanden sei. Ich weiß auch gar nicht, was die Krankenschwester damit gemeint hat."

© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060 Sonderakte Bd. 40, Schirbaum, Gottfried u. a., Akte 29465, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 72, 148 f., 231 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 711/1942 Hermann Scheel; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9934 u. 711/1942 Hermann Scheel; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 711 Hermann Scheel; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 1 Akte 29465; Standesamt Hamburg 1a, Geburtsregister, Nr. 1269/1939 Hermann Scheel; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1942, Nr. 6809.

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