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Adolf Biedermann
© Maren Münchow

Adolf Biedermann * 1894

Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


ADOLF BIEDERMANN
MDHB 1919 – 1927 SPD
JG. 1881
11.5.1933 STURZ AUS NACHTZUG
WIRD TOT AUFGEFUNDEN
VORGANG NIE GEKLÄRRT

further stumbling stones in Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus):
Kurt Adams, Etkar Josef André, Bernhard Bästlein, Gustav Brandt, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Hugo Eickhoff, Theodor Haubach, Wilhelm Heidsiek, Ernst Henning, Hermann Hoefer, Franz Jacob, Friedrich Lux, Fritz Simon Reich, August Schmidt, Otto Schumann, Theodor Skorzisko, Ernst Thälmann, Hans Westermann

Adolf Biedermann MdHB

Adolf Biedermann wurde am 30. März 1881 in Hamburg als Sohn des Malers Arthur Biedermann geboren. Er verlor bereits im Kindesalter seine Eltern und wurde ab 1888 in einem Hamburger Waisenhaus erzogen.

1895 verließ er nach achtjähriger Schulzeit die Hauptschule, um in Eckernförde eine fünfjährige Schlosser- und Mechanikerlehre zu absolvieren. Montagereisen führten den jungen Gesellen anschließend an verschiedene Orte im In- und Ausland. 1901 leistete Biedermann seinen Militärdienst ab und ließ sich anschließend in Hamburg nieder – damit hatten seine Wanderjahre ein Ende gefunden. Mit einer früheren Schulfreundin gründete er eine Familie, beruflich etablierte er sich in einer Hamburger Maschinenbaufirma.

Biedermanns politische Heimat war die SPD, seine gewerkschaftliche der "Deutsche Metallarbeiterverband" (DMV). Die Arbeit in Gewerkschaft und Partei verschmolz für Biedermann zu einer Einheit: für die SPD leitete er den Distrikt Barmbek, für die Metaller übernahm er nach einigen Jahren als Werkstattdelegierter die Hamburger Bezirksführung.

Biedermann machte sich schon bald als Redner und im "Hamburger Echo" sowie in der Metallarbeiterzeitung auch als Redakteur einen Namen. Daneben besuchte er Kurse im Arbeiterbildungswesen und Allgemeinen Vorlesungswesen – u.a. zwölf Semester Geschichte und Nationalökonomie. 1914 folgte die Zulassung für die SPD-Parteischule in Berlin.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die so angebahnte Parteikarriere vorerst beendet: Im August 1914 erfolgte die Einberufung des Reservisten Biedermann zum Heeresdienst. Bis 1917 war er als Unteroffizier an der Front, wurde dann in ein Feldrekrutendepot versetzt, wo ihn seine Kameraden im November 1918 zum Vorsitzenden des Soldatenrates wählten. Nach Kriegsende kehrte er nach Hamburg zurück und fand eine Anstellung beim Arbeitsamt.

In der Hansestadt gehörte Biedermann zu den Politikern, die hier den Übergang zu demokratischen Verhältnissen in der neu gegründeten Republik auf den Weg brachten und vollendeten.

Bei den ersten Bürgerschaftswahlen nach dem Krieg 1919 wurde er, der inzwischen SPD-Parteisekretär geworden war, in die Bürgerschaft gewählt. Seine langjährige Abgeordnetentätigkeit im Hamburger Landesparlament erstreckte sich auf viele unterschiedliche Felder. Er wurde u.a. zum Mitglied der Behörde für öffentliche Jugendfürsorge, des Verwaltungsgerichts und des Jugendamtes bestellt, war tätig im "Eingabenausschuß" und in der "Vertrauenskommission für die Groß-Hamburgfrage".

Weitere Ämter kamen hinzu: Seit Oktober 1919 leitete er die "Reichszentrale für den Heimatdienst" in Hamburg, im Mai 1924 kam er zusammen mit Theodor Haubach in den Bezirksvorstand des neugegründeten "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold". Als am 31. Oktober 1926 der Hamburger Reichstagsabgeordnete Fritz Paeplow sein Mandat niederlegte, rückte Adolf Biedermann nach und wirkte fortan in der Sozialdemokra-tischen Reichstagsfraktion. Sein Hamburger Abgeordnetenmandat legte er 1927 nieder, um sich ganz seinen Verpflichtungen in Berlin widmen zu können.

Adolf Biedermann zählte zum rechten Flügel der SPD-Reichstagsfraktion. Er war ein zäher Befürworter einer Regierungsbeteiligung der SPD auf Reichsebene und bezog wiederholt Stellung gegen den Flügel seiner Partei, der eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien ablehnte. Aber genau hierin sah Biedermann die Chance, sozialdemokratische Inhalte politisch umzusetzen. Für ihn lag politisches Handelns nicht allein in der Parteidoktrin:

"Oppositionelles Fensterscheibenwerfen" werde – so Biedermann im April 1930 vor einer Versammlung von Betriebsvertauensleuten – den Interessen der SPD-Wähler nicht gerecht; vielmehr sei es notwendig, "unter höheren Gesichtspunkten auch Unangenehmes, nicht immer mit der Theorie Übereinstimmendes" hinzunehmen. Kritisch betrachtete Biedermann im März 1930 die starre Haltung seiner Fraktion in der Frage einer Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die den Koalitionspartnern den Vorwand zur Auflösung der Großen Koalition unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Hermann Müller lieferte und so den im Präsidentenpalais und in der Reichswehrführung lange geplanten Übergang zum Präsidialregime auf den Weg brachte. Es war Biedermanns dezidiert regierungsfreundliche Haltung, die ihn nach den Reichstagswahlen vom September 1930 zum Befürworter einer Tolerierung des Kabinetts Brüning werden ließ.

Ähnlich wie Otto Braun, der als preußischer Ministerpräsident Garant des Brüningschen Tolerierungskonzeptes auf sozialdemokratischer Seite war, sah er hier die Möglichkeit, wenigstens teilweise die Notverordnungspolitik der Reichsregierung beeinflussen zu können. Der von Biedermann geforderte Eintritt von SPD-Ministern in die Reichsregierung war weder vom Reichskanzler selbst noch von den eigentlichen Trägern des Brüning’schen Präsidialkabinetts erwünscht.

Auch bei den nicht mehr freien Wahlen vom 5. März 1933 wurde Adolf Biedermann in seinem Hamburger Wahlkreis noch einmal in den Reichstag gewählt. Am 23. März 1933 wandte er sich in einem von SA "geschützten" Parlament als Abgeordneter einer schon lange nicht mehr vollzähligen SPD-Fraktion mit einem mutigen "Nein" gegen das "Ermächtigungsgesetz".(46 Gut zwei Monate später fand man seine Leiche neben den Bahngleisen in der Nähe von Recklinghausen. Auch wenn die näheren Umstände seines Sturzes aus dem Nachtschnellzug Köln-Hamburg am 11. Mai 1933 nicht abschließend geklärt werden konnten, so kann davon ausgegangen werden, dass er von SA-Leuten aus dem fahrenden Zug gestoßen wurde.(47 Bei der Trauerfeier auf dem Ohlsdorfer Friedhof erwiesen mehrere tausend Hamburger Adolf Biedermann das letzte Geleit. Hans Podeyn, der damalige Fraktionsführer der SPD-Bürgerschaftsfraktion, hielt die Gedenkrede. Noch ein Jahr später fanden sich trotz strengster Überwachung und trotz Versammlungsverbots mehrere hundert – einige Berichte sprechen gar von tausenden – Sozialdemokraten an seinem Grab ein und setzten damit ein mutiges Zeichen gegen staatliche Unterdrückung und Gewalt.

Heute erinnert an der Ecke Jarrestraße/ Jean-Paul-Weg, dem Standort des früheren Adolf-Biedermann-Hauses, eine Gedenktafel an den früheren Bürgerschafts- und Reichstagsabgeordneten.

In Barmbek, dem Ausgangspunkt seines langjährigen und bedeutenden politischen Wirkens, ist heute ein Platz nach ihm benannt.

© Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012

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