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Julius Speyer-Kleeberg * 1859

Grindelberg 1 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
JULIUS
SPEYER-KLEEBERG
JG. 1859
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.6.1943

Julius Speyer-Kleeberg, geb. am 12.3.1859 in Wolfhagen, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, dort umgekommen am 21.6.1943

Grindelberg 1

Julius Speyer-Kleeberg wurde als Sohn von Abraham Kleeberg und seiner Frau Johanna, geborene Wolff, geboren. Die Herkunft des Doppelnamens Speyer-Kleeberg ist unklar (von seinen Kindern wurde nach dem Krieg beim Amt für Wiedergutmachung auch nur der Nachname Speyer angegeben).

Julius war von Beruf ausgebildeter Pferdehändler. Es ist nicht bekannt, wo er die ersten dreißig Jahre seines Lebens verbrachte. Am 31. August 1890 heiratete er in Altona seine Frau Cassy Caroline, geborene Leopold, die ursprünglich aus dem südafrikanischen Philippolis stammte, wo sie am 11. Januar 1869 zur Welt gekommen war. Sie hatte zwei Brüder, Otto und Garry Leopold.

Seit den 1890er-Jahren lebten die Speyers in Göttingen, in der Groner Straße Nr. 5, wo am 18. Juni 1891 ihre Tochter Erna geboren wurde. Am 12. März 1894 kam die zweite Tochter Else zur Welt und hatte folglich gemeinsam mit ihrem Vater Geburtstag. Es gab auch noch eine dritte Tochter, Gertrud, deren Geburtsdatum unbekannt ist.

Erna Speyer besuchte zunächst die höhere Töchterschule in Göttingen und wechselte dann auf eine ähnliche Schule im benachbarten Northeim. Später besuchte sie noch für ein Jahr die Handelsakademie in Hannover und machte anschließend Gesangsstudien. Am 1. August 1919 heiratete sie in Göttingen den Kaufmann Friedrich Nattenheimer, geboren am 16. Juni 1891 in Göttingen. Mit ihm siedelte Erna wohl nach Hamburg über, wo sie zuerst in einer großen Wohnung mit Hausangestellten in der Parkallee wohnten, später in der Klosterallee. Friedrich Nattenheimer war Generalvertreter für den Bereich Groß-Hamburg der Trikotagenfabrik Geritz, die ihren Sitz in Lübben hatte. Er verdiente 800 bis 1000 Reichsmark im Monat und verfügte für Geschäftsreisen über ein Auto. Erna und Friedrich hatten ein Kind, einen Sohn namens Kurt.

Über den Ausbildungsweg der Tochter Else ist nichts bekannt. Sie arbeitete später als Tagesmädchen bei der Familie Robery. Durch ihre Hochzeit mit Max Robery heiratete sie dann in die Familie ein.

1923 starb Gertrud, die dritte Tochter. Im selben Jahr siedelten Julius und Cassy Speyer nach Hannover über, wo sie bis 1934 lebten. Wohl weil sie beide unter gesundheitlichen Problemen litten, zog es sie dann nach Hamburg in die Nähe ihrer Kinder. Allerdings litten auch diese unter gesundheitlichen Problemen. So soll Else ebenso wie ihr Vater pflegebedürftig gewesen sein, während Erna unter Arthritis litt. Am 4. April 1937 starb Julius‘ Frau Cassy in Hamburg im Alter von 68 Jahren.

Zwischen 1934 und 1943 hatte Julius Speyer – zunächst noch zusammen mit seiner Frau – in Hamburg zahlreiche Adressen, unter anderem Brahmsallee 16, Grindelberg 77, Werderstraße 7, Grindelallee 146, Sedanstraße 23 und ein weiteres Mal in der Grindelallee. Wahrscheinlich war seine letzte frei gewählte Adresse Grindelberg 1, wo auch der Stolperstein für ihn liegt. Bei der letzten, auch auf der Deportationsliste vermerkten Adresse in Hamburg handelte es sich um die Beneckestraße 6, ein "Judenhaus".

Am 10. März 1943, also zwei Tage vor seinem 84. Geburtstag, wurde Julius Speyer zusammen mit 49 anderen Jüdinnen und Juden in die ehemalige Garnisonsstadt Theresienstadt deportiert. Dort wurden die Deportierten vor allem in den Kasernen, aber auch in anderen Gebäuden auf engem Raum zusammengepfercht. Julius überlebte im Lager nicht lange, er starb etwa drei Monate später am 21. Juni 1943. In der Todesfallanzeige wurde eine Herzmuskeldegeneration angegeben. Außerdem wurde vermerkt, er habe schon vorher an einer Darmentzündung gelitten.

Beide Töchter von Julius hatten mit ihren Ehemännern Deutschland bereits 1939 verlassen. Erna und ihr Mann Friedrich Nattenheimer waren in die USA emigriert, nach Chicago, wo Friedrich zunächst Arbeit als Bote fand und anschließend in einer Fabrik arbeitete. Allerdings starb er plötzlich am 14. Februar 1942.

Else Speyer war mit ihrem Mann Max Robery 1939 nach Belgien geflohen, fiel nach dem deutschen Überfall 1940 allerdings in die Hände der Nationalsozialisten oder des Vichy-Regimes. Zwischen 1940 und 1941 war sie im französischen KZ Rieucros interniert. Nach eigenen Angaben befand sie sich nach dieser Internierungszeit unter haftähnlichen Bedingungen mehrmals im Krankenhaus, unter anderem in St. Eloit und Montpellier. Nach ihrer Freilassung 1944 infolge der Befreiung Frankreichs und dem Ende Vichy-Frankreichs ging sie zunächst wieder nach Brüssel und anschließend nach Spanien, wo sie ihren Mann wiedertraf, der den Repressionen offenbar entgehen konnte. Wohl infolge ihrer Erlebnisse litt Else später an einer Nervenerkrankung. In der Nachkriegszeit wanderte das Ehepaar in die USA aus und lebte in New York. Etwa um das Jahr 1960 herum kehrte Else mit ihrem Mann nach Hamburg zurück, wo sie in einem Altersheim wohnten.

Erna Nattenheimer lebte nach dem Krieg ebenso wie ihre Schwester zunächst in New York, allerdings sollen ihre Lebensverhältnisse recht ärmlich gewesen sein. Zuvor hatte sie die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Von New York aus zog sie für kurze Zeit in einen Kibbuz in Israel, in dem auch ihr Sohn Kurt lebte. Danach ging sie nach Miami in ein Altersheim. Else und Erna fochten beide lange Kämpfe mit dem Hamburger Amt für Wiedergutmachung aus. 1964 kehrte Erna ebenfalls nach Hamburg zurück und lebte fortan im selben Altersheim wie ihre Schwester.

Das Wiedersehen währte jedoch nur kurze Zeit. Erna starb noch im selben Jahr, am 25. August 1964, im Alter von 73 Jahren. Else, die schon einige Jahre vor ihrem Tod bettlägerig war, starb am 7. Februar 1968 ebenfalls im Alter von 73 Jahren.

Stand: Juli 2017
© Fabian Boehlke

Quellen: 1; 5; 8; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 697 Else Johanne Robery, 698 Erna Nattenheimer, 13508 Erna Nattenheimer; StaH 351-14 Arbeits– und Sozialfürsorge – Sonderakten 1859 Julius Speyer; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 5, Deportationsliste von Hamburg nach Theresienstadt am 10.3.1943, www.statistik-des-holocaust.de/VI4–3.jpg (Aufruf 29.4.2016); Todesfallanzeige Julius Speyer-Kleeberg, www.holocaust.cz/en/database-of-digitised-documents/document/96876-speyer-klee berg-julius-death-certificate-ghetto-terezin (Aufruf 29.4.2016); Meyer: Die Deportation, S. 42–78.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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