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Ilse Silbermann
Ilse Silbermann
© Matthias Weber

Ilse Silbermann * 1920

Godeffroystraße 42 (Altona, Blankenese)

1942 Auschwitz

Ilse Silbermann, geb. am 26.3.1920 in Berlin, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942, Todesdatum 13.7.1942

Godeffroystraße 38 (Godeffroystraße 42)

Geboren wurde Ilse Silbermann in Berlin als Tochter von Theodor und Helene Silbermann, geborene Blumenthal. Ihr Vater war nach der späteren NS-Terminologie "Halbjude", ihre Mutter Jüdin. Nach dem Scheitern der Ehe wurde Ilse Silbermann ab Januar 1923 von ihrem Vater sowie dessen zweiter nicht-jüdischer Frau Luise Silbermann aufgezogen. In den 1920er Jahren zogen die Silbermanns nach Hamburg, eine Wohnung fanden sie in der Steinbecker Straße 29 (heute Steinbeker Straße) in Hamm. Ilse Silbermann besuchte die Osterbrookschule. Sie wurde von ihrer Stiefmutter evangelisch erzogen und am 17. Dezember 1929 in der St. Johannis-Gemeinde in Harburg-Wilhelmsburg getauft, am 14. April 1935 in der Jerusalem-Kirche in Hamburg-Eimsbüttel von Pastor Ernst Moser konfirmiert. Diese von irischen Presbyterianern gegründete Gemeinde hatte sich in früheren Zeiten die Judenmission zum Ziel gesetzt, nach 1933 kümmerte sie sich in besonderer Weise um die "nichtarischen Christen" in ihren Reihen, denen sie neben geistlichem Zuspruch auch die Möglichkeit zum geselligen Zusammensein bot. Ilse verkehrte dort im Jugendkreis.

Mit der NS-Zeit hatten für Ilse erste Schwierigkeiten begonnen. Nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 wurde sie, die drei jüdische Großelternteile hatte, als "Geltungsjüdin" eingestuft. Einige Mitschülerinnen distanzierten sich von ihr. An Klassenreisen durfte sie nicht teilnehmen. 1936 legte sie an der Osterbrookschule die Prüfung zur mittleren Reife ab. Ihre Lehre absolvierte sie in einem Exportunternehmen, das von einem jüdischen und einem nicht-jüdischen Chef geleitet wurde. Dank ihrer guten Englisch- und Französischkenntnisse entwickelte sie sich zur Fremdsprachenkorrespondentin. Nachdem der jüdische Chef des Unternehmens ins Ausland geflüchtet war, wurde Ilse Silbermann entlassen. Daraufhin suchte sie Arbeit in jüdischen Haushalten als Haushaltsgehilfin.

Zuerst war sie bei Gerhard Alexander in der Godeffroystraße 42 (heute 38) in Blankenese angestellt, einem promovierten Bibliothekar, wie Ilse Silbermann getauft, aber durch die "Rassegesetze" nun zum Juden erklärt. Er wurde später, am 14. Februar 1945, nach There-sienstadt deportiert, im Gegensatz zu seinen Eltern Walter und Hedwig Alexander (siehe dieselben) überlebte er das Lager. Bei der Volkszählung 1939 war Ilse Silbermann noch als Haushaltsmitglied mit der Wohnadresse Godeffroystraße 42 verzeichnet. Ab diesem Jahr musste sie – wie alle Jüdinnen – zusätzlich den Namen "Sara" annehmen, ab September 1941 den "Judenstern" tragen. Wie lange sie im Haus Alexander blieb, ist nicht bekannt. Sie wechselte dann zum Rechtsanwalt Walter Schüler am Siemersplatz in Lokstedt, einem der wenigen für jüdische Mandanten zugelassen "Konsulenten". (Walter Schüler wurde am 10. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert und starb am 24. April 1945 im Außenlager Ebensee des KZ Mauthausen, siehe www.stolpersteine-hamburg.de, Biographie Walter Schüler.) Lange blieb Ilse Silbermann nicht in seinem Hause, denn sie war – vermutlich 1941 – zur Zwangsarbeit in der Lokstedter Seilfabrik und Spinnerei Firma Steen & Co verpflichtet worden.

Im Rahmen der Zwangsumquartierung der jüdischen Bevölkerung musste sie in das sogenannte Judenhaus Wohlersallee 58 in Hamburg-Altona ziehen.

Das folgende Geschehen schilderte ihr Vater Theodor Silbermann in einem Brief vom 23. Februar 1971 an die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten in Hamburg:

"Ilse hatte verschiedene Evakuierungsbefehle erhalten. Wir hatten das Glück, bei der Verhandlung bei der Gestapo über die Zurückstellung ihrer Evakuierung mit einem menschlich denkenden Beamten zu verhandeln, der zwei- oder dreimal die Evakuierung zurückstellte. Ilse besuchte uns trotz Judenstern in ihrer Freizeit in unserem ,arischen‘ Hause. Weihnachten 1941 war sie wieder bei uns und wir verlebten die Feiertage still. Als sie sich am dritten Feiertag von uns verabschiedete, fing sie herzzerreißend an zu weinen. Auf eindringliche Fragen stellte sich heraus, dass sie wieder einen Evakuierungsbefehl erhalten hatte und sofort weg sollte. Es gelang uns diesmal wieder durch Verhandlungen mit demselben Beamten, den Evakuierungsbefehl zurückzustellen. Dann trat das ein, was wir schon lange befürchtet hatten. Der ganze jüdische Arbeitseinsatz bei der Firma Steen hatte Evakuierungsbefehle erhalten und musste sich im Sammellager in der Hartungsstraße einfinden [heute Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9–11]. Ilse war nunmehr für uns verloren. Ich und eine Freundin gingen noch mit ihr mit. Von meiner Frau hatte sie sich in der Wohnung verabschiedet, und ich habe die erschütternde Szene nicht vergessen. In der Hartungsstraße wurden die Koffer mit den Habseligkeiten durchsucht. Ich sah dabei, dass man Seife und anderes den Juden wegnahm, und ich sah auch, wie ein Gestapo-Mensch einer Jüdin die Armbanduhr abnahm und in seine Jackettasche steckte. Die Firma Steen hatte noch die Arbeitspapiere und den rückständigen Lohn für die Leute ihres jüdischen Arbeitseinsatzes nach der Hartungsstraße gesandt. Keiner davon erhielt aber ein Arbeitspapier oder einen Pfennig Lohn. Das hat die Gestapo wohl über den Schnabel genommen."

Und weiter:
"Der Evakuierungsbefehl für Ilse datierte vom 9.7.1942 mit der Weisung, sich sofort im Sammellager Hartungsstraße einzufinden. Ilse schrieb uns noch am 10.7. und am 11.7.1942 eine Postkarte aus dem Sammellager. Sie schrieb, wahrscheinlich uns zum Trost, sehr optimistisch, hatte auch dort Bekannte getroffen und glaubte, nunmehr alles, was an sie herantritt, durchstehen zu können."

Theodor Silbermann selbst musste während des Krieges als "Halbjude", der zudem mit einer Jüdin verheiratet war, Zwangsarbeit leisten. Nach Informationen der Jerusalem-Gemeinde überlebte er einen KZ-Aufenthalt, die KZ-Nummer soll in seinem Arm eingebrannt gewesen sein. Bis zum Tod in den 1970er Jahren lebte das Ehepaar Silbermann in der Rendsburgerstraße 1 in Hamburg-St. Pauli, beide waren aktive Mitglieder der Jerusalem-Gemeinde. Über das Schicksal ihrer Tochter erfuhren sie 1945 von der jüdischen Gemeinde in Hamburg lediglich, dass der 5. Transport am 11. Juli 1942 mit ca. 1000 Menschen und einer Sanitätseinrichtung abgefahren sei, man aber keinerlei Nachricht habe, wo dieser Transport geblieben sei. Tatsächlich war das Ziel dieses Transportes von der Gestapo nicht vermerkt worden und es hatte niemand überlebt, der Auskunft geben konnte. Erst später wurde es durch eine eidesstattliche Erklärung von Max Plaut und anderen Dokumenten als Auschwitz belegt.

Am 13. September 1949 erklärte das Amtsgericht Hamburg Ilse Silbermann offiziell für tot. Als Zeitpunkt des Todes der "vorgenannten Verschollenen" wurde der "8. Mai 1945, 24 Uhr" festgelegt.

Ilse Silbermann wurde im Alter von 22 Jahren am 11. Juli 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Stand September 2015

© Matthias Weber

Quellen: 1; 4; 5; Privatbesitz Matthias Weber: Unterlagen des Ehepaares Theodor und Luise Silbermann, darunter Geburtsurkunde, Taufe- und Konfirmations-Urkunden sowie Sterbebescheinigung von Ilse Silbermann; Auskunft des Archivs der Jerusalem-Gemeinde in Hamburg, Februar 2015; Jürgen Sielemann, Der Zielort des Hamburger Deportationstransports vom 11. Juli 1942, online unter http://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh/cntmng;jsessionid=0DBF730274CBC228B6A9945AF8CD4FBA.jvm1?type=pdf&did=c1:59761 (Zugriff 27.3.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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