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Julius Hirtz * 1924

Bei der Osterkirche 8 (Altona, Ottensen)


HIER WOHNTE
JULIUS HIRTZ
JG. 1924
MEHRERE INHAFTIERUNGEN
GEFÄNGNIS GLASMOOR, JUGEND-KZ MORINGEN
TOT 19.3.1945

Julius Hirtz, geb. am 30.10.1924, inhaftiert im Gefängnis Glasmoor und im Jugend-KZ Moringen, dort gestorben am 19.3.1945

Bei der Osterkirche 8

Julius Hirtz wurde am 30. Oktober 1924 als Sohn des Arbeiters Friedrich Hirtz und seiner Ehefrau Meta, geb. Laps, geboren. Er hatte sieben Geschwister. Die Familie wohnte ab 1940 im Arbeiterviertel von Altona-Ottensen, erst in einer Kellerwohnung Bei der Osterkirche 10 und ab 1942 in einer Kellerwohnung im Haus 8.

Da Julius Hirtz Schwierigkeiten in der Schule hatte, wurde er als "schwachbegabter Schüler" in die "Hilfsschule" umgeschult. Danach verdingte er sich als Gelegenheitsarbeiter, doch wegen "Frechheit und Bummeligkeit" kam es immer wieder zu Konflikten mit seinen Arbeitgebern, sodass er häufig den Arbeitsplatz wechselte.

Am 8. August 1940 wurde der 16-Jährige in Fürsorgeerziehung genommen und im geschlossenen Jugendheim Hamburg-Wulfsdorf, einem von drei solcher Heime der Hansestadt, untergebracht. Ein Jahr später entließ man ihn auf Wunsch der Eltern wieder, aber er unterlag weiterhin der Aufsicht des Fürsorgeamtes. Dieses verfügte, nachdem er nicht zur Berufserziehung erschienen war, im Dezember 1941 seine erneute Einweisung ins geschlossene Heim. Dort brach Julius Hirtz aus, wurde jedoch einige Tage später aufgegriffen und zurückgebracht und flüchtete im Februar 1942 erneut. Nach einer Haftstrafe wegen Diebstahls bei Angehörigen kam er wiederum ins Jugendheim, aus dem er erneut floh. Am 20. März 1942 verurteilte ihn das Jugendgericht Hamburg-Altona wegen Einbruchsdiebstahls in einer Wohnlaube zu acht Monaten Gefängnis, die er vom 28. März bis zum 28. November 1942 im Gefängnis Glasmoor verbüßte.

Während der Haftzeit untersuchte ihn ein Amtsarzt, diagnostizierte "angeborenen Schwachsinn" und legte dem Erbgesundheitsgericht ein Gutachten mit der Empfehlung zur "Unfruchtbarmachung" nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vor. Am 6. Juni 1942 beschloss das Erbgesundheitsgericht Hamburg, vertreten durch den Vorsitzenden Amtsgerichtsrat Deutsch, den Medizinalrat Maintz und den Arzt Hessch, die "Unfruchtbarmachung". Der Pfleger von Julius Hirtz, d. h. der Zuständige im Fürsorgeamt, stimmte zu.

Das Gericht bescheinigte Julius Hirtz "deutliche Intelligenzstörungen", "schwere charakterliche Störungen", und urteilte, dass insgesamt "bei ihm eine geistig-seelische Störung der Gesamtpersönlichkeit im Sinne eines angeborenen Schwachsinns vorliegt". Zurückzuführen sei das auch auf eine erbliche Belastung, denn schon der Vater sei 1927 wegen Trunksucht entmündigt und im Arbeitshaus Glückstadt untergebracht worden.

Ob und wann Julius Hirtz kastriert wurde, ist nicht bekannt. Die Akten des Gefängnisses Glasmoor verzeichnen zwei Aufenthalte im Lazarett des Untersuchungsgefängnisses Hamburg: vom 24. Juni bis 1. Juli 1942 und vom 19. August bis 16. September 1942.

Auf jeden Fall erfolgte seine Einweisung in das Jugend-Konzentrationslager Moringen am 24. Dezember 1942. Die Polizeibehörde, in dem Fall das in Altona gelegene 52. Kriminalkommissariat, hatte seine Entlassung überprüft. Trotz verbüßter Strafe kam er nicht in Freiheit, sondern in das Jugend-KZ Moringen, das offiziell "Polizeiliches Jugendschutzlager" hieß.

Julius Hirtz erhielt die Häftlingsnummer 825. In der Zeit des Bestehens dieses Lagers von 1940 bis 1945 waren hier ca. 1400 Jugendliche und jungerwachsene Männer inhaftiert. Sie mussten schwere körperliche Arbeit in Werkstätten innerhalb und außerhalb des Lagers leisten, erhielten wenig zu essen und standen unter der Knute von "Erziehern", die aus der Waffen-SS und dem Sicherheitsdienst der SS (SD) kamen. Einige Jugendliche verhungerten, andere begingen Suizid.

Das Jugend-KZ Moringen war ein "Laboratorium" der Kriminalbiologen um den "Rasseforscher" Robert Ritter. Ritter leitete das "Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei", er legte ein "Archiv" an, in dem alle "asozialen und kriminellen Sippschaften innerhalb des Reichsgebiets" erfasst werden sollten. Die Jugendlichen wurden deshalb nach ihren vermeintlichen charakterlichen und biologischen Merkmalen auf verschiedene Wohnblöcke verteilt. Julius Hirtz lebte im Block B 2 (Beobachtungsblock), Block G 2 (Gelegenheitsversager) und Block F 1 (Fraglich Erziehungsfähige). Eine Aussicht auf Entlassung hatten nur solche Jungen, die als "erziehungsfähig" eingestuft und in den entsprechenden Block E verlegt wurden. Andere wurden nach einer negativen Prognose in Erwachsenen-KZs oder Heil- und Pflegeanstalten verlegt. Zu denen, die auf Entlassung hoffen konnten, gehörte Julius Hirtz nicht. Zwei Mal, im September 1943 und Anfang März 1945, untersuchten ihn Mitarbeiter des Kriminalbiologischen Instituts der Sicherheitspolizei (KBI). Es gibt bisher keine weiteren Informationen über Julius Hirtz’ Erfahrungen in den mehr als zweieinhalb Jahre, die er im Lager verbrachte, wir wissen nichts über seinen Alltag, die Art der Zwangsarbeit, die er leisten musste, oder seine Beziehungen zu anderen Jugendlichen.

Das Jugend-KZ wurde am 9. April 1945 befreit. Diesen Tag erlebte Julius Hirtz nicht mehr: Er starb am 19. März 1945. Die im Lagerbuch eingetragene Todesursache lautete: "Grippe mit doppelseitiger Lungenentzündung, Lungenoedem, Herzschwäche".

Julius Hirtz wurde auf dem örtlichen Friedhof begraben.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: StaH 242-1II Gefängnisverwaltung II, Signatur Ablieferung 13; StaH 224-2 Erbgesundheitsgericht, Signatur 12 (darin der Vorgang 340/41); Auskunft Markus Hunold, KZ-Gedenkstätte Moringen, 13.11.2013; Auskunft Martin Guse (auf der Grundlage seiner Recherchen beim ITS) v. 28.3.2015; Ayass, "Asoziale" im Nationalsozialismus, S. 182; Baumann, Dem Verbrechen auf der Spur, S. 111; Guse, Die Jugendschutzlager Moringen und Uckermark, S. 101–114.

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