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Rosa Krause * 1929

Hellkamp 63 (vor dem Spielplatz) (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
ROSA KRAUSE
JG. 1929
EINGEWIESEN 1940
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 16.8.1943
AM STEINHOF WIEN
ERMORDET 29.3.1945

Rosa Krause, geb. 6.1.1929 in Hamburg, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 16.3.1940, verlegt nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" am 16.8.1943, dort gestorben am 29.3.1945

Hellkamp 63 (Eimsbüttel)

Rosa Krause wurde am 6.1.1929 in Hamburg geboren. Sie war das jüngste der neun Kinder des Schmieds William Thies Krause, geboren am 7.10.1881 in Hohenfelde, Kreis Steinburg, und Mathilde Louise, geb. Martens, geboren am 15.3.1888 in Nütschau, Kreis Stormarn.
Rosa Krauses vier Brüder und vier Schwestern waren zwischen 1910 und 1924 zur Welt gekommen. Mehrere Geschwister besuchten die "Hilfsschule" in der Eichenstraße in Eimsbüttel. ("Hilfsschule" war ein heute nicht mehr verwendeter Name für eigenständige sonderpädagogische oder heilpädagogische Schulen für Kinder, die man aus unterschiedlichen Gründen als nicht fähig zum Volksschulbesuch betrachtete).

Die Schule in der Eichenstraße hatte das Jugendamt schon zu Beginn des Jahres 1923 auf "ungünstige Verhältnisse" in der Familie Krause aufmerksam gemacht. Dies bezog sich auf den Pflegezustand der Kinder, auf häusliche Reinlichkeit sowie fehlende Betreuung und Förderung der Kinder durch die Eltern. Im Mai 1923 waren die sechs ältesten Kinder in staatliche Erziehung genommen worden. Für zwei der Kinder wurde "Schulaufsicht" angeordnet.

In einem Fürsorgebericht vom Juni 1929 heißt es, dass Rosas Mutter, die von Beginn der staatlichen Aufsicht an als "schwachsinnig, willensschwach, unwirtschaftlich und menschenscheu" eingestuft worden war, "immer mehr nachlasse". (Der heute nicht mehr verwendete Begriff "Schwachsinn" bezeichnete eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche.)

Wie ihre Geschwister wurde Rosa Krause von früher Kindheit an vom Hamburger Jugendamt betreut. 1934, Rosa war fünf Jahre alt, ließ das Jugendamt sie psychiatrisch untersuchen – vermutlich weil sie im folgenden Jahr eingeschult werden sollte. Sie wurde als körperlich altersgemäß entwickelt, aber durch Fehlstellung der Augen in ihrer Sehwahrnehmung beeinträchtigt (Schielen), beurteilt. Rosa hatte im Alter von zwei Jahren das Laufen gelernt und mit zweieinhalb Jahren zu sprechen begonnen. Ihre geistigen Entwicklungsverzögerungen wurden auf "Schwachsinn" zurückgeführt. Die fehlende Förderung der dazu nicht fähigen Eltern wurde in dieser Beurteilung nur am Rande berücksichtigt. Maßnahmen erschienen nicht erforderlich, weil "das Kind zu Hause gut aufgehoben ist". Der bevorstehenden Einschulung stand somit nichts im Wege.

Nachdem Rosa Krause einige Jahre u.a. auf die "Hilfsschule" Schwenckestraße gegangen war, wurde sie durch eine Verfügung der Schulbehörde vom weiteren Besuch ausgeschlossen, weil sie "zu jeglicher Schularbeit unfähig" sei.

Im November 1939 wurde Rosa Krause dem Jugendamt "vorgestellt". Es sollte geprüft werden, ob sie "anstaltsbedürftig" sei. Dabei wurde ihr "Schwachsinn erheblichen Grades" attestiert. "Da die häuslichen Verhältnisse bei der schwachsinnigen Mutter unmöglich sind und selbst für eine primitive Erziehung ganz ungenügend, halte ich die Versetzung in die Alsterdorfer Anstalten für notwendig. Gez. Dr. Bosse."

Nachdem ihr Vater sich einverstanden erklärt hatte, wurde Rosa Krause am 16. März 1940 in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Sie habe lange gebraucht, um sich einzuleben, wurde Anfang 1941 in Rosa Krauses Patientenakte notiert. Anfangs sei sie scheu gewesen und habe unter Heimweh gelitten. Allmählich jedoch habe sie Kontakt zu anderen Kindern aufgenommen. 1942 hieß es, sie habe mit kleineren Patienten sehr viel Streit, kratze sich Wunden immer wieder auf. Anfang Juli 1943 wurde berichtet, sie könne sich alleine kleiden und waschen, sei ein ruhiges und verträgliches Mädchen, das keinerlei Schwierigkeiten bereite, jedoch weder lesen noch schreiben könne.

Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Die Anstaltsleitung nutzte die Gelegenheit, nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, in andere Heil- und Pflegeanstalten zu verlegen. Am 16. August 1943 ging ein Transport mit 228 Frauen und Mädchen aus Alsterdorf sowie 72 Mädchen und Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" in Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof") ab. Unter ihnen befand sich Rosa Krause.

Während der "Aktion-T4" (Tarnbezeichnung für das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten, so genannt nach dem Sitz der Berliner Euthanasiezentrale in der Tiergartenstraße 4) war die Anstalt in Wien Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gewesen. Nach dem offiziellen Ende der Gasmorde in den Tötungsanstalten wurde in der bisherigen Zwischenanstalt weiter gemordet.

Bei ihrer Aufnahme in Wien galt die vierzehnjährige Rosa Krause als vollkommen desorientiert. Diese Bewertung setzte sich in den folgenden Monaten fort.

Rosa Krauses Eltern versuchten mehrmals vergeblich zu erfahren, wie es ihrer Tochter erging. Schließlich schickten sie am 26. Mai 1944 ein Telegramm nach Wien: "Was macht unsere Tochter Rosa Krause – auf drei Briefe keine Antwort – warum nicht? Eltern in Sorge – Heil Hitler – die Eltern."

Am 12. Januar 1945 erhielten sie endlich eine Antwort vom Arzt Karl Wunderer: "Der Geisteszustand ihrer Tochter ist unverändert, das körperliche Befinden hat sich infolge einer Lungentuberkulose stark verschlimmert. Solange sich ihr Zustand nicht bessert, muss von einer Entlassung abgeraten werden."

Rosa Krause starb am 29. März 1945 im Alter von 16 Jahren. Als Todesursache wurde "Lungentuberkulose" angegeben.

In der "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" wurden Patientinnen und Patienten systematisch durch Überdosierung von Medikamenten, durch Nichtbehandlung von Krankheiten und vor allem durch Nahrungsentzug ermordet. Bis Ende 1945 kamen dort 196 der 228 Mädchen und Frauen aus Alsterdorf ums Leben.

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg; StaH 332-5 Standesämter 10005 Geburtsregister 537/1888 Mathilde Louise Martens, 3193 Heiratsregister 247/1912 William Thies Krause/ Mathilde Louise Martens; Gemeinsames Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe Geburtsregisterauszug Hohenfeld Nr. 17/1881 William Thies Krause; Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv Sonderakte V 177 Rosa Krause; Peter von Rönn, Der Transport nach Wien, in: Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 425 ff.; Waltraud Häupl, Der organisierte Massenmord an Kindern und Jugendlichen in der Ostmark 1940-1945, Wien 2008, S. 66f.; Harald Jenner, Michael Wunder, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 317. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 331 ff.

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