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Fred Sally Hockenheimer * 1881

Mansteinstraße 15 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)

1944 Theresienstadt
28.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz

Fred Sally Hockenheimer, geb. am 25.8.1881 in Bruchsal/Baden, am 19.1.1944 deportiert nach Theresienstadt, am 28.10.1944 deportiert nach Auschwitz

Mansteinstraße 15 und Eiffestraße 123/125, Hamm

Fred Sally Hockenheimers Vater Karl wurde 1847 in dem Ort Hockenheim geboren. Daher stammt also der Familienname. Der Kaufmann Fred Sally Hockenheimer war gebürtig aus Bruchsal. Seine Mutter hieß Frieda, geborene Meyer. Der Vater war Kaufmann und betrieb die Malzfabrik Hockenheimer & Hilb und einen Getreide- und Futtermittelhandel. Fred Sally war das jüngste von fünf Kindern. Er hatte drei Schwestern und einen Bruder.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Bruchsaler Juden für die Stadt von großer wirtschaftlicher Bedeutung. So war der Tabak- und Hopfengroßhandel fast ausschließlich in ihrer Hand. Mehrere wichtige Industriebetriebe wurden von jüdischen Unternehmern gegründet. 1880 gab es 730 Juden in Bruchsal, 6,4 Prozent der 11373 Einwohner.

1922 gründete Fred Sally Hockenheimer in Hamburg eine eigene Firma, die im Handelsregister unter dem Namen "Waste Products House" eingetragen wurde. Es handelte sich um eine Firma für den Ex- und Import von Lumpen und Abfallprodukten. Laut Adressbuch von 1927 befand sich der Firmensitz am Hopfensack 17 und 1938 am Hammerdeich 28/34. In der NS-Zeit wurde die Firma umbenannt in "F. S. Hockenheimer – Rohproduktenhandel". Am 21. September 1926 heiratete Sally Hockenheimer, mittlerweile 45-jährig, die zwanzig Jahre jüngere Helene Ida Dorothea Stöver (geb. 11.11.1904). Der Sohn Karl Heinz wurde am 17.5. 1927 geboren. Fred Sallys Frau war Harburgerin und nichtjüdischer Herkunft. Fred Sally Hockenheimer war 1924 aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten. Vermutlich bedeutete ihm seine Religion nichts mehr. Als Fred Sally und Helene heirateten, wohnte Fred Sally Hockenheimer in der Hammer Landstraße 62. Die gemeinsame Wohnung bezogen sie dann im Dimpfelsweg 26 in Hamm. Dort wohnten sie auch noch während der NS-Zeit. Die Straße existiert heute nicht mehr. Sie war eine Verbindung zwischen Hammer Landstraße und Eiffestraße. Seit den 1960er Jahren gibt es einen Dimpfelweg an anderer Stelle, der genauso wie der ehemalige Dimpfelsweg auf die Kaufmannsfamilie Dimpfel verweist.

"Vorläufig stehen der Auswanderung die schwierigen Zuwanderungsmöglichkeiten für Juden in andere Länder, sowie, da er mittellos ist, die finanzielle Frage hindernd gegenüber." Mit dieser Begründung verzichtete der Oberfinanzpräsident am 1. November 1938 auf eine "Sicherungsanordung" gegen den Firmeninhaber Fred Sally Hockenheimer, wohnhaft Dimpfelsweg 26. Seit der Einführung von Devisenbeschränkungen im Jahre 1935 musste er sich auf den Handel im Inland beschränken. Sein Umsatz brach so stark ein, dass er die Firma am 30. Septem­ber 1938 auflösen musste. Seine Frau war gezwungen zu arbeiten, um den Familienunterhalt zu sichern. Fred Sally Hockenheimer plante für sich und seine Familie die Emi­gration in die USA. Die Behörden hatten etliche bürokratische Hürden errichtet, um Juden die Auswanderung zu erschweren bzw. ihr Vermögen zu rauben. Mit dem Verdacht auf Kapitalflucht, Steuerrückstände und nicht angegebene Vermögenswerte wurde die Auswanderung verzögert und letztlich verhindert, zumal Fred Sally Hockenheimer, wie er selbst resigniert zu Protokoll gab, nach dem Verlust seiner Firma mittellos und verschuldet dastand. Den Lebensunterhalt bestritt nun allein seine Ehefrau als Büroangestellte in Harburg. Fred Sally Hocken­heimer war durch seine "privilegierte" Mischehe zunächst vor der Deportation geschützt.

Die Luftangriffsserie der "Operation Gomorrha" im Juli/August 1943 wurde für Fred Sally Hockenheimer zu einer persönlichen Katastrophe. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943, als große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt wurden und ein Feuersturm in den Gebieten östlich der Alster wütete, kamen sein Sohn und seine Ehefrau ums Leben. Karl-Heinz Hockenheimer wurde nur 17 Jahre alt. Fred Sally Hockenheimer hielt sich während des Bombenangriffs nicht in seiner Wohnung auf. Es ist nicht ganz klar, ob er zu dieser Zeit vielleicht schon in der Mansteinstraße 15 bei Familie Rothgiesser gewohnt hat, um seine nichtjüdische Frau und seinen Sohn zu schützen, oder ob er erst nach der Zerstörung der Wohnung im Dimpfelsweg nach Hoheluft-West zog. Im September 1943 ging Fred Sally Hockenheimer zur Polizei, um nachzuforschen, ob seine Frau und sein Sohn gefunden und registriert worden seien. Im Polizeiprotokoll hieß es: "Ich selbst bin in der Angriffsnacht nicht im Hause gewesen. Meine Frau und mein Sohn sind immer in den Schutzraum gegangen, wenn es Alarm gab. Auch in der fraglichen Nacht sollen sie nach Angaben von überlebenden Einwohnern im Schutzraum gewesen sein. Es besteht kein Zweifel, dass meine beiden genannten Angehörigen mit ums Leben gekommen sind. Unter den Gegenständen, die direkt bei Leichen gefunden worden sind, sind eine Platin-Armbanduhr, eine Perlenkette, 1 Brosche (Spinne darstellend), 1 Busennadel, Eigentum meiner Frau. Von meinem Sohn konnte ich nichts finden, da er nie etwas bei sich getragen hat. Er muss aber bestimmt mit ums Leben gekommen sein, da er seine Mutter nie verlassen hat. Von den überlebenden Hauseinwohnern habe ich auch erfahren, dass meine Frau während des Angriffs einen Nervenzusammenbruch bekommen hat und dass sie Karl-Heinz in diesem Zustand aufgefordert hat, sie nicht zu verlassen, was der Junge auch mit Bestimmtheit dann getan haben wird. Ich bitte, die von mir bezeichneten Sachen mir auszuhändigen." Die Gegenstände wurden ihm ausgehändigt.

In der Mansteinstraße 15 war er in der Wohnung des Malers Richard Rothgießer untergekommen. Ob sich die beiden persönlich kannten oder ob Rothgießers ein Zimmer für Ausgebombte zur Verfügung stellen mussten, wissen wir nicht. Richard Rothgießer war ebenfalls jüdischer Herkunft, denn bei einer "arischen" Familie hätte Fred Sally Hockenheimer nicht wohnen dürfen. Richard Rothgießer hat überlebt und wohnte noch nach dem Krieg in dem unzerstörten Haus in der Mansteinstraße. Durch die "priviligierte Mischehe" mit seiner Frau Margarethe war er geschützt und "nur" schikaniert und aus der Reichskunstkammer ausgeschlossen worden. Allerdings trug er schwere gesundheitliche Schäden durch die Verfolgung davon. Er starb 1950.

Fred Sally Hockenheimer wurde am 19. Januar 1944 aus der Mansteinstraße 15 nach Theresienstadt deportiert. Da seine Frau "gefallen" war, wie es amtlich hieß, schützte ihn seine "privilegierte Mischehe" nicht länger. Die letzte Spur von ihm war eine Postkarte, die er am 9. Juli 1944 aus Theresienstadt an Juda Elias Katz schrieb. Darin hieß es "Ich bin Verwalter der Oper geworden und ist meine Zeit dadurch gut ausgefüllt. (An Deinem Paket) hat mich besonders Marmelade und Rasierseife gefreut." Knapp vier Monate später, am 28. Oktober 1944, wurde er im Rahmen der Herbsttransporte nach Auschwitz gebracht und vermutlich so­fort ermordet.

Fred Sallys Schwester Anna Joseph, geb. Hockenheimer, wurde wie er Opfer der Shoah. 1942 nach Theresienstadt deportiert, wurde sie 1944 in Auschwitz ermordet.

© Stefanie Antoniadis-Wiegel / Susanne Lohmeyer / Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2 (FVg 4263; R 1938/3442); 4; 5; StaH 332-5 Standesämter, 3538 und 606/1926; StaH 552-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Deportationslisten Bd. 5; StaH 552-1, Abl. 1993, Ordner 15; Volkszählung 1939; HAB II 1933 und 1942; Maike Bruhns, Kunst in der Krise, Bd. 2, S. 332; Stadtarchiv Bruchsal; mündliche Mitteilung von H. V.

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