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Bereits verlegte Stolpersteine



Edith Juschka (o. J.)
Edith Juschka (o. J.)
© Archiv Ev. Stiftung Alsterdorf

Edith Juschka * 1928

Erste Brunnenstraße 1 / Ecke Michaelisstraße (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
EDITH JUSCHKA
JG. 1928
EINGEWIESEN 1932
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
AM STEINHOF / WIEN
ERMORDET 11.11.1944

Weitere Stolpersteine in Erste Brunnenstraße 1 / Ecke Michaelisstraße:
Helga Nieber

Edith Paula Marie Juschka, geb. am 19.9.1928 in Hamburg, eingewiesen am 27.5.1932 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 16.8.1943 in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, gestorben am 11.11.1944

Erste Brunnenstraße 1/Ecke Michaelisstraße (Mauerstraße 14a)

Edith Juschka kam als jüngstes Kind des Arbeiters Johann Juschka (geb. 4.4.1886 in Colleschen) und seiner Ehefrau Emma, geb. Putzar (geb. 6.8.1892 in Engelswacht), in Hamburg zur Welt. Ihre Eltern hatten am 13. Juni 1914 geheiratet. Die Familie, in der es noch die 14-jährige ältere Schwester Hertha und den 8-jährigen Bruder Hans Wilhelm gab, lebte in der heute nicht mehr existierenden Mauerstraße 14a (die Mauerstraße wurde in Michaelisstraße umbenannt, der westliche Teil, der über die Erste Brunnenstraße führte, wurde mit Büroflächen überbaut).

Anfang der 1930er Jahre wurde Johann Juschka arbeitslos und sah sich gezwungen, Wohlfahrtsunterstützung zu beantragen. Aus einem Auszug der Fürsorgeakte vom 4. Februar 1932 geht hervor, dass Edith im Kleinkindalter an Kinderlähmung erkrankt war. Weiter wurde notiert: "Das Kind ruiniert sehr viel. Alle erreichbaren Gegenstände werden mit [den] Zähnen zerrissen, es lässt unter sich und dadurch ist der Verbrauch an Wäsche erheblich." Bereits 1931 empfahlen Ärzte Ediths Unterbringung in eine Anstalt. Zu diesem Schritt konnte sich das Ehepaar Juschka jedoch nicht entschließen. Nach erneutem Anraten eines Arztes der "Deutschen Vereinigung für Säuglingsschutz Hamburg" wurde die dreijährige Edith am 27. Mai 1932 mit der Diagnose "rechtsseitige spastische Lähmung als Folgezustand nach cerebraler Kinderlähmung und hochgradiger Schwachsinn incontinent" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) eingewiesen.

Edith wurde als wildes, unruhiges Kind beschrieben, das sich trotz der einseitigen Lähmung gut zu helfen wusste. So hielt das Pflegepersonal später fest, sie könne rennen, "dass man sich wundern muss". 1934 machte sie "Fortschritte" wie: "Kommt jetzt immer sofort, wenn sie gerufen wird, kleine Befehle führt sie genau aus." Sie sei sehr viel ruhiger geworden und versuche alles nachzusprechen. Dann folgten nur noch negative Beurteilungen, besonders wenn sie nach einem Familienaufenthalt zurückgebracht worden war oder ihre Mutter sie, wie jeden Mittwoch und Sonntag, besucht hatte. Im August 1939 wurden erstmals epileptische Anfälle vermerkt.

In den letzten Eintragungen während ihres 11-jährigen Aufenthaltes in "Alsterdorf" wurde Edith als "unangenehmes Kind" und sogar, da sie angeblich ihre Mitpatienten immer kratzte und biss, als "bösartig" charakterisiert. Da sie häufig Anfälle hatte, wurde sie in "Schutzjacke" gehalten. Ihr oft beschriebener "Eigensinn" und ihre epileptischen Anfälle waren sicherlich zwei der Gründe, warum sie am 16. August 1943 als eines von 228 behinderten Mädchen und Frauen mit der Begründung, die Anstalt sei durch Fliegerangriffe beschädigt worden, in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien verlegt wurde.

Aus ihrer Wiener Akte geht hervor, dass sie auch dort rasch als unruhig und wild galt. Um sie ruhigzustellen, bekam sie nachts ein Schlafmittel.

Knapp einen Monat nach ihrem Abtransport erkundigte sich Ediths Mutter bei der Anstaltsleitung in Wien nach dem Befinden ihrer Tochter. Auch Ediths verheiratete Schwester, Hertha Timm, zeigte sich Anfang November 1944 beunruhigt und bat brieflich um Nachricht. Sie erhielt, unterschrieben vom Anstaltsarzt Wunderer, einen sogenannten Warnbrief, der auf die Todesnachricht vorbereiten sollte: "Auf Ihr Schreiben wird Ihnen mitgeteilt, dass ihre Schwester durch die Luftangriffe auf Wien nicht Schaden gelitten hat, dass sie aber derzeit an einer Lungenentzündung erkrankt und ihr Zustand sehr ernst ist."

Vier Tage später, am 11. November 1944, starb die 16-jährige Edith Juschka. Sie wog zuletzt nur noch 31 Kilo, was auf Verhungern schließen lässt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakten der Alsterdorfer Anstalten, V 187 Edith Juschka; StaH 332-5 Standesämter 3246 u 428/1914; Wunder: Exodus, S. 213f.

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