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Anna Krebs, Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn (o. J.)
Anna Krebs, Aufnahme in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn (o. J.)
© StaH

Anna Krebs * 1874

Colonnaden 54 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ANNA KREBS
JG. 1874
EINGEWIESEN 1904
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 9.4.1943
HEILANSTALT
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 1.9.1943

Anna Krebs, geb. am 17.9.1874 in Halberstadt, verlegt am 9.4.1943 aus der "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde, dort ermordet am 1.9.1943

Colonnaden 54

Anna Krebs wurde am 17. September 1874 in Halberstadt geboren. Sie gehörte der evangelisch-lutherischen Kirche an, wurde konfirmiert und arbeitete nach ihrer Schulzeit als Dienstmädchen und Köchin. Am 14. November 1898 kam sie nach Hamburg, um hier "in Stellung" zu gehen. Nach ihren Angaben lebten die Eltern zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Ihre Mutter Johanna, geb. Krebs, soll sich ertränkt haben, als Anna 16 Jahre alt war. Der Vater, Friedrich Krebs, arbeitete in Halberstadt als Maurer.

Anna Krebs war erst seit einigen Tagen im Haushalt von Emilie Schmidtke in den Colonnaden 54 beschäftigt, als sie ins Krankenhaus St.Georg und von dort am 12. September 1901 wegen einer "Melancholie" in die damals noch "Irrenanstalt" genannte Staatskrankenanstalt Friedrichsberg eingewiesen wurde.

Bei ihrer Aufnahme klagte sie über Kopfschmerzen und Schwindel, war "gedrückter Stimmung", meinte, dass es für sie keine Hilfe mehr gäbe und wollte in die "Alster gehen".

Das Krankheitsbild ihrer "Psychose" besserte sich nicht. Mit der Zeit fiel auf, dass sie unter Sinnestäuschungen litt und die Stimme ihrer Großmutter hörte. Für Anna Krebs wurde ein Pfleger bestellt, um ihre Angelegenheiten zu regeln.

Am 6. Dezember 1904 wurde sie mit der Diagnose "Dementia" auf Beantragung der Dienstbotenkrankenkasse und auf Kosten der Allgemeinen Armenanstalt in die Staatskrankenanstalt Langenhorn verlegt. Bei ihrer Ankunft war sie ruhig und freundlich, zeitlich und örtlich orientiert. Auf die Frage, warum sie nach Friedrichsberg gekommen sei, antwortete sie: "Die Nerven waren zerrüttet." Bei einem Intelligenztest rechnete sie auffallend schnell und richtig. Anna Krebs wurde im Anstaltsbetrieb mit leichter Hausarbeit und in der Schälküche beschäftigt, arbeitete sehr fleißig, war verträglich und kümmerte sich nicht um ihre Umgebung.

1927 wurde in ihrer Krankenakte die ärztliche Prognose vermerkt, sie sei "vorgeschritten schwachsinnig" und benötige weitere Anstaltsbehandlung.

Wegen Überfüllung der Anstalt wurde Anna Krebs am 21. Mai 1928 in die Lippische Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus in Brake bei Lemgo verlegt. Auch dort wurde sie mit Kartoffelschälen und leichter Hausarbeit beschäftigt. Beim Stricken machte sie "ihre Sache recht gut", war aber für jeden Kontakt unzugänglich. Oft führte sie leise Selbstgespräche, sonst fiel sie in keiner Weise auf. Ihre Rückverlegung nach Langenhorn erfolgte am 10. September 1930.

Im September 1932 lautete die Diagnose "Schizophrenie Endzustand" und obwohl sie im November innerhalb der Anstalt von der Heil- in die Pflegeabteilung kam, schälte Anna Krebs weiterhin Kartoffeln. Anfang 1933 wurde sie wieder etwas lebhafter, gab auf Fragen richtige Antworten, legte sich aber Titel wie "Gräfin" und "Kaiserin" zu oder zitierte aus dem Stehgreif: "Die Liebe und das blaue Himmelzelt, das ist das schönste hier auf der Welt." Anna Krebs‘ psychischer Gesundheitszustand veränderte sich kaum, sie blieb aber eine leicht lenkbare und willige Patientin, wie noch 1935 in ihrer Akte notiert wurde.

Im August 1940 füllte die Anstaltsleitung für Anna Krebs den Meldebogen der "Aktion T4" aus, benannt nach dem Sitz der Berliner "Euthanasie"-Zentrale in der Tiergartenstraße 4. Darin wurde als negative Beurteilung vermerkt, Anna Krebs erhalte keinen Besuch, leiste sehr wenig und leide an verworrenen Wahnideen und Demenz. Nach der offiziellen Einstellung der "Euthanasie"-Morde nach öffentlichen Protesten im August 1941 setzte eine neue Welle von Verlegungen psychisch Kranker und Behinderter ein, die als "lebensunwert" galten. Die mittlerweile in "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn umbenannte Staatskrankenanstalt diente nun als Zwischenanstalt und Sammelstelle.

Anna Krebs, im Januar 1943 noch als ruhige, bescheidene und immer freundliche Patientin beschrieben, die zwar halluziniere, aber äußerlich geordnet wirke, wurde am 9. April 1943 in die auswärtige Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde abtransportiert. Die Überlebenschancen in der 1904 ursprünglich als Provinz-Krankenhaus erbauten "Heilstätte" hingen von der Arbeitskraft und Einfügung der Patientinnen und Patienten in den Anstaltsbetrieb ab. Die Selektion erfolgte durch den ärztlichen Leiter Theophil Mootz und die Anstaltsärztin Hilde Wernicke. Zur gezielten Tötung wurden überdosierte Medikamente wie Morphium, Skopolamin, Veronal und Evipan eingesetzt. Dem zuständigen Standesamt wurde dann eine natürliche Todesursache gemeldet. Anna Krebs starb am 1. September 1943, kurz vor ihrem 69. Geburtstag, offiziell an "Altersschwäche".


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Nr. 1501; Patientenakte aus der ehemaligen Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde, Akten-Nr. 2043; Wunder: Karriere, S. 118–119; Wunder: Transporte, S. 377–382.

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