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Bereits verlegte Stolpersteine



Hildegard Michelson
Hildegard Michelson
© Privatbesitz

Hildegard Michelson (geborene Michelsohn) * 1904

Rothenbaumchaussee 99 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
HILDEGARD MICHELSON
GEB. MICHELSOHN
JG. 1904
FLUCHT FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Rothenbaumchaussee 99:
Wally Michelson, Margarethe Michelson, Lili (Lilly) Michelson

Lili Michelson, geb. am 10.11.1900 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
Margarethe Michelson, geb. Leeser, geb. am 18.6.1877 in Stadtoldendorf, gestorben am 18.10.1942 in Theresienstadt
Hildegard Michelson, geb. am 10.1.1904 in Hamburg, ermordet in Auschwitz

Stolpersteine Rothenbaumchaussee 99, Hamburg-Rotherbaum

Der Witwer Simon Arje Michelsohn, geboren am 22. November 1858 in Hamburg, heiratete am 25. Januar 1900 zum zweiten Mal. Seine erste Frau Adele, geborene Lilienfeld, geboren am 7. August 1859 in Hamburg, mit der er die Ehe 1888 eingegangen war, war am 24. Oktober 1898 gestorben. Aus dieser Ehe war Waldemar Michelsohn, geboren am 25. Januar 1891 in Hamburg, hervorgegangen. Simon Arje Michelsohn bekannte sich ebenso wie seine beiden Ehefrauen zum jüdischen Glauben.

Simon Arje Michelsohn führte im Jahre 1929 einen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg herbei, mit dem sein Nachname von Michelsohn in Michelson geändert wurde. In der Folge führten auch seine Kinder aus der zweiten Ehe den Namen Michelson.

Mit seiner zweiten Ehefrau Margarethe, geborene Leeser, geboren am 18. Juni 1877 in Stadtoldendorf, bekam Simon Arje Michelson vier Kinder: Lili, geboren am 10. November 1900, Fritz, geboren am 2. August 1902, Hildegard Alice, geboren am 10. Januar 1904, und Erika, geboren am 24. Dezember 1907.

Simon Arje Michelson lebte zunächst von der Produktion von Malzextraktfabrikaten. Sein Unternehmen lag in der heute nicht mehr existierenden Brauerstraße 5 in der Hamburger Altstadt. Anscheinend gab er die Fabrik bald auf und lebte dann als Kaufmann von Handelsgeschäften, in fortgeschrittenem Alter als Handelsvertreter. Die Familie wohnte an mehreren Adressen in St. Georg und Hammerbrook. Um die Jahrhundertwende zog sie in die Fröbelstraße 14 im Stadtteil Rotherbaum. Hier kam Lili Michelson am 10. November 1900 zur Welt.

Schon 1902 zog die Familie Michelson wieder nach St. Georg. Ab 1912 lebte Simon Arje mit seiner Familie in der Von-Essen-Straße 5 in Eilbek. Er starb am 10. November 1932 im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek. Seine Witwe Margarethe verließ Eilbek und bezog 1933 zusammen mit ihrem Sohn Fritz und ihrer Tochter Erika eine Wohnung in der Rothenbaumchaussee 99 im Stadtteil Rotherbaum. Zu dieser Zeit lebte Tochter Lili nicht mehr bei der Familie. Wir wissen nichts über ihre Kindheit, Jugend und eine eventuelle Berufsausbildung.

Lili Michelson wurde Ende 1924/Anfang 1925 in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen. Die Krankenakte ist nicht mehr auffindbar, sodass wir nichts über den Grund ihres Aufenthalts dort erfahren können. Von Friedrichsberg kam Lili am 18. Juli 1925 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn, in der sie bis 1940 blieb.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Auf Lili Michelsons Geburtsregistereintrag wurde notiert, dass sie am 30. Januar 1941 verstorben sei. Das Standesamt Chelm II habe ihren Tod unter der Nummer 361/1941 registriert. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) bzw. Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch Lili Michelsons Mutter Margarethe kam im Holocaust ums Leben. Ihre letzte Hamburger Adresse lautete Rutschbahn 25, ein sogenanntes Judenhaus. Sie wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort kann sie ihre Schwester Antonie Leeser, geboren am 29. Januar 1882, getroffen haben, die vier Tage nach ihr, am 23. Juli 1942, von Hannover nach Theresienstadt deportiert wurde. Margarethe Michelson starb dort am 18. Oktober 1942, angeblich an Grippe. Antonie Leeser wurde am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz weiter deportiert und kam wahrscheinlich dort ums Leben.

Lili Michelsons Schwester Hildegard flüchtete nach Frankreich und wurde in dem 20 km nordöstlich von Paris gelegenen Sammel- und Durchgangslager Drancy interniert. Von dort wurde sie am 28. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Fritz Michelson starb am 21. Februar 1942 im Versorgungsheim Oberaltenallee. Er lebte bis dahin bei seinen Eltern bzw. bei seiner Mutter. Bei der Jüdischen Gemeinde galt er als leidend und war mittellos. Es kann als sicher angenommen werden, dass er erst nach dem 23. September 1940 im Versorgungsheim aufgenommen wurde, weil er sonst dem Todestransport vom 23. September 1940 zugeordnet worden wäre.

Erika Michelson (Künstlername Milee), die sich zur Tänzerin und Gymnastiklehrerin hatte ausbilden lassen, emigrierte im Oktober 1939 über Italien und Portugal nach Paraguay. Trotz der Ermordung ihrer Mutter und Schwestern während der Zeit des Nationalsozialismus kam Erika Milee 1959 in ihre Geburtsstadt zurück. In einem eigenen Tanzstudio bot sie fortan klassischen und modernen Tanz, Folklore, Jazztanz und Gymnastik an. 1976/77 gründete sie gemeinsam mit Anderen den Kreis Hamburger Ballettfreunde und hatte bis zu ihrem Tod im Juni 1996 dessen Ehrenvorsitz inne.

Das Schicksal von Waldemar Michelsohn, Simon Arjes Sohn aus der ersten Ehe, liegt im Dunkeln.

Stand: Januar 2018
© Ingo Wille

Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 428 Sterberegister Nr. 1930/1898 Adele Michelsohn, 2245 Geburtsregister Nr. 279/1891 Waldemar Michelsohn, 2731 Heiratsregister Nr. 1609/1888 Simon Arje Michelson und Adele Lilienfeld, 7139 Sterberegister Nr. 1227/1932 Simon Arje Michelson, 7256 Sterberegister Nr. 187/1942 Fritz Michelson, 8602 Heiratsregister Nr. 16/1900 Simon Arje Michelsohn und Margarethe Leeser, 13277 Geburtsregister Nr. 2631/1900 Lili Michelson, 13817 Geburtsregister Nr. 1587 Fritz Michelson, 14223 Geburtsregister Nr. 106/1904 Hildegard Alice Michelson; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Lili Michelson der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Landkreis Holzminden, Innerer Service, Geburtsregister Stadtoldendorf Nr. 56/1877 Margarethe Leeser, Nr. 10/1882 Antonie Leeser.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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