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Erna Schuchardt, 1937
Erna Schuchardt, 1937
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Erna Schuchardt * 1930

Michaelisstraße 38 vor Michaelispassage (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ERNA SCHUCHARDT
JG. 1930
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
AM STEINHOF/WIEN
ERMORDET 24.5.1944

Erna Hermine Charlotte Schuchardt, geb. am 23.3.1930 in Altona, eingewiesen am 2.12.1935 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 16.8.1943 in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, gestorben am 24.5.1944

Michaelisstraße vor dem Aufgang zur Michaelispassage (Paradieshof 8)

Erna Schuchardt kam als jüngstes von insgesamt drei Kindern als Frühgeburt zur Welt. Sie galt als "lebensschwach" und musste mit einer Sonde ernährt werden. Eine Schwester war bereits im Alter von drei Monaten an "Darmverschlingung" verstorben. Nach Angaben ihres Vaters, des Maschinenbauers Albert Schuchardt (geb. 22.4.1887), entwickelte sich seine Tochter von Anbeginn langsamer als andere Kinder. Nach einer Keuchhusten- und Windpocken-Erkrankung wurde bei ihr 1934 durch Ärzte der Universitätsklinik Eppendorf ein allgemeiner Entwicklungsstillstand diagnostiziert. Mit 4½ Jahren wurde Erna als ein sehr kleines Kind beschrieben, das kaum sprach und keine Gehversuche unternahm. Da die Ärzte ihre Beine für auffallend schlaff hielten, kam Erna für vier Monate in Gips. Dadurch verschlechterte sich ihr Zustand.

Als ihre Mutter Anna Schuchardt, geb. Fährmann (geb. 26.1. 1897), die sie bis dahin versorgt hatte, erkrankte, wurde Erna am 2. Dezember 1935 von der ärztlichen Abteilung des Fürsorgewesens wegen "Entwicklungsstörung der cerebralen Funktionen" zur Aufnahme in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) gemeldet. Anna Schuchardt starb am 9. Dezember 1935 im Bergedorfer Krankenhaus.

Erna wurde in Alsterdorf als ruhiges Kind beschrieben, Anfang Juli 1939 wurde sie dann etwas lebhafter. Sie fing zu sprechen an und hatte auch mit ihren "schwachen Beinen" laufen gelernt. Am 1. April 1943 war aus einer ihrer letzten Beurteilungen zu entnehmen: "Im Garten lehnt sie sich ans Gitter oder an die Wand und sieht den Kindern beim Spielen zu. Sie ist oft kaum von der Stelle zu bekommen, weint und zittert am ganzen Körper. Beim Gehen beugt sie den Oberkörper ganz nach hinten und setzt die Beine steif an. Pat.[ient] kann allein essen und sich ausziehen. Beim Anziehen und bei der Körperpflege braucht sie Hilfe."

Wurde Erna Schuchardt vorher als sauber und trocken beschrieben, so änderte sich dies nun. Vielleicht weil sie als zu pflegeaufwendig galt, oder man sie, wie es im damaligen Ärztejargon hieß, als zu "tiefstehend" empfand, wurde sie verlegt. Unterzeichnet vom leitenden Oberarzt Gerhard Kreyenberg, endete auch ihr letzter Akteneintrag mit dem standardisierten Satz: "Wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Fliegerangriff verlegt nach Wien."

Unter den 228 Patientinnen, die am 16. August 1943 in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt verlegt wurden, befanden sich außer Erna noch weitere 25 Kinder. Nur zwei von ihnen erlebten in der Wiener Anstalt das Kriegsende.

Erna Schuchardt starb am 24. Mai 1944, angeblich nach einer anhaltenden Fiebererkrankung an Lungentuberkulose. Sie wurde nur 14 Jahre alt.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5- Standesämter 10499 u 235/1935; Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakten der Alsterdorfer Anstalten, V 238 Erna Schuchardt; Wunder/Genkel/Jenner: schiefen Ebene.

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