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Bereits verlegte Stolpersteine



Alfriede Wagener (geborene Grübel) * 1880

Isestraße 11 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz
1942 weiterdeportiert
ermordet

Weitere Stolpersteine in Isestraße 11:
Kurt Wagener

Alfriede Wagener, geb. Grübel, geb. 3.5.1880 in Hamburg, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz, im Mai 1942 in Chelmno ermordet
Kurt Wagener, geb. 23.6.1903 in Hamburg, 1938 Haft im KZ Fuhlsbüttel, am 29.12.1938 Tod im Konzentrationslager Sachsenhausen

Kurt Wagener kam 1903 als einziges Kind des Ehepaares Alfriede und Henri Hirsch Wagener zur Welt. Die Familie lebte von 1913 bis mindestens 1932 in der Isestraße 11. Kurt Wagener war an der Firma "Ascher & Schubert Nachfl." beteiligt. 1925 zog er nach Berlin, muss aber nach Hamburg zurückgekehrt sein, denn hier wurde er während des Novemberpogroms 1938 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert und dann – wie alle in Hamburg Verhafteten – ins Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. Dort kam er am 29. Dezember desselben Jahres ums Leben. Wir können nicht sagen, ob er ermordet wurde oder den Haftbedingungen gesundheitlich nicht gewachsen war. Im Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen ist lediglich das Todesdatum ohne nähere Angaben verzeichnet.

Keine zwei Wochen nach ihm starb sein Vater, knapp 66-jährig. Vielleicht wohnte die Familie zu der Zeit schon am Grindelberg, oder Alfriede Wagener musste allein dorthin umziehen und dann noch ein zweites Mal zur Untermiete in die Hansastraße, bevor sie am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert wurde. Bis dahin war sie bei der "Beratungsstelle für Jüdische Wirtschaftshilfe" beschäftigt.

Sie teilte das Schicksal von 1034 Hamburgern, die am selben Tag den Zug nach Osten besteigen mussten. Sie alle waren in keiner Weise auf das vorbereitet, was sie erwartete: Massenunterkünfte mit eilig zusammengezimmerten zweistöckigen Holzpritschen. Erst nach und nach konnten sie in "Wohnungen" umziehen, die aber auch nur eine karge Unterkunft boten. Es herrschte Eiseskälte, kurz nach ihrer Ankunft fiel das Thermometer auf minus 8 Grad Celsius. Brennmaterial musste auf dem Rücken herbeigetragen werden. Wer noch etwas Geld besaß, konnte sich vielleicht sogar einen Träger leisten. Dann wurden sie zur Arbeit eingeteilt.

Zwischen dem 18. Oktober und dem 4. November trafen 20.000 "Westjuden" aus dem "Reich", aus Luxemburg, Österreich, Böhmen und Mähren in Lodz ein. Unter ihnen 100 Ärzte, Zahnärzte und Krankenpflegepersonal, die als erste Arbeit fanden. Ebenfalls gesucht waren qualifizierte Handwerker, denn das Getto unterhielt sich durch Arbeit in Handwerksbetrieben und kleinen Fabriken. Wer zu alt oder geschwächt war, bemühte sich vergeblich um Arbeit. So erging es Alfriede Wagener. Ein halbes Jahr später, als wieder eine Deportation bevorstand, schrieb sie an das "Amt für Aussiedelung" in Lodz:

"Hiermit erlaube ich mir die Bitte von der Evakuierung zurückgestellt zu werden. Ich leide seit letzten Winter an Frost an Händen und Füssen, und habe offene Wunden, mit denen ich jetzt im Spital Hanseatenstrasse in Behandlung bin. Es ist für mich ausgeschlossen, längere Wege zu gehen, sodass ich befürchten muss, die Strapazen der Evakuierung nicht auszuhalten. Gleichfalls möchte ich bemerken, dass mein Sohn im Konzentrationslager gestorben ist, und ich 8 Tage darauf meinen Mann auch verloren habe, sodass ich ganz alleine stehe. Seit ich hier bin, bemühe ich mich um Arbeit, habe aber durch mein Alter keine bekommen, ich bin 62 Jahre alt. Ich bin perfekte Schneiderin, und glaube bestimmt dasselbe leisten zu können, was Jüngere leisten.
Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich keine Fehlbitte tue.
Ergebenst
Alfriede Wagener"

Ihre Bitte wurde abgelehnt. Alfriede Wagener hatte den Brief am 2. Mai geschrieben. Seit Ende April kursierten Gerüchte über eine "Aussiedelung" in ein anderes Arbeitsgetto, vielleicht nach Frankreich oder Bessarabien. Der erste Zug fuhr am 2. Mai 1942. Die Angst steigerte sich, als die Bewohner erfuhren, dass den "Ausgesiedelten" am Bahnhof ihr gesamtes Gepäck, das ohnehin schon sehr knapp bemessen war, abgenommen wurde. Vom 4. bis zum 15. Mai rollten 12 Züge mit insgesamt 10993 "Fahrgästen", für die ein Fahrpreis von 2,95 RM entrichtet werden musste, in Richtung Chelmno in den Gastod. In einem davon saß Alfriede Wagener.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; Auskunft Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 29.9.2009, Signatur in Archiv Sachsenhausen D 1 A/1020, Bl.556; USHMM,RG 15.083, M 300/1104-1104a; Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt, Hrsg. Sascha Feuchert u. a., Göttingen 2007, Bd. 1941, S. 268ff; Bd. 1942, S. 142ff, S. 160f.; Andreas Engwert, Susanne Kill, Sonderzüge in den Tod: Die Deportationen der Deutschen Reichsbahn, Köln 2009, S. 95.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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