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Alexander (gen. Süsskind) Moses * 1858

Hoheluftchaussee 19 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)

1942 Theresienstadt
ermordet 7.11.1942

Weitere Stolpersteine in Hoheluftchaussee 19:
Jonny Joel Jaffé, Anneliese Jaffé, Ruth Jaffé, Tirza Jaffé, Jenny Moses

Alexander Moses (gen. Süsskind), geb. am 31.3.1858 in Bleckede, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 7.11.1942
Jenny Moses, geb. Mendel, geb. am 21.2.1868 in Essen, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 5.9.1942

Hoheluftchaussee 19

In der Hoheluftchaussee 19 existierte seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur erzwungenen Schließung 1938 die jüdische Schlachterei Süsskind von Alexander Moses. Seine Eltern waren der Schlachter Simon Süßkind Moses und Amalie, geb. Cohn. Die Familie wohnte in Bleckede in der Breiten Straße 29 und betrieb dort einen Schlachterladen. Schon 1743 war ein Schlachter namens Salomon Moses nach Bleckede gekommen, wo im Jahr 1848 41 Jüdinnen und Juden lebten.

Die Geschichte von Jenny und Alexander reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück, weshalb sich über ihre Kindheit und Jugend kaum etwas herausfinden ließ. Alexander wurde am 31. März 1858 in Bleckede geboren. Er hatte drei Geschwister, über deren Schicksal nichts bekannt ist. Wann er nach Hamburg kam, wissen wir nicht. Offenbar lebte er schon als Schüler in Hamburg, denn er besuchte die Talmud Tora Schule bis zur mittleren Reife. Anschließend machte er eine kaufmännische Lehre bei der Weberei Philipps. Dort bekam er eine Anstellung in einer Flensburger Filiale. 1879 machte er sich dann in Hamburg als Metzger selbstständig und siedelte 1908 in die Hoheluftchaussee über.

Seine Ehefrau Jenny Mendel war aus Essen gebürtig. Der älteste Träger des Namens Mendel in Essen, Benjamin Mendel, wurde dort 1824 geboren.

Das Ehepaar Moses hatte vier Kinder, die emigrieren konnten und überlebten. Als die ältesten Söhne Kurt und Ernst geboren wurden, wohnte das Ehepaar Moses noch im Lehmweg 35. Margot Moses kam dann im Jahr 1900 schon in der Hoheluftchaussee 19 zur Welt.

Der älteste Sohn Kurt (geb. 1895) war mit Lucie Curjel verheiratet, für die Beim Andreasbrunnen 8 in Eppendorf ein Stolperstein liegt. Kurt starb 1940 an einer Lungenkrankheit, seine Frau wurde im Oktober 1941 nach "Litzmannstadt" (Lodz) deportiert. Der einzige Sohn konnte 1938 mit einem Kindertransport nach England entkommen. (dazu s. auch "Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf", S. 298ff.)

Der Sohn Ernst Moses (geb. 1898) wurde ebenfalls Schlachter. Er betrieb eine Schlachterei in der Lindleystraße 24 in Rothenburgsort. Geheiratet hat Ernst Moses erst nach dem Krieg in den USA. In Hamburg wurde er wegen "Rassenschande" verurteilt und war ungefähr ein Jahr lang im Gefängnis Glasmoor inhaftiert. Danach gelang es ihm, nach Shanghai auszuwandern, wo er im Mai 1939 eintraf. Hier musste er von 1943 bis zum Kriegsende im Getto leben. Von Shanghai wanderte er nach dem Krieg in die USA aus, wo er kinderlos verstarb.

Die Tochter Margot (geb. 1900) war zwischen 1918 und 1922 sowie zwischen September 1935 und Januar 1939 Mitarbeiterin der Jüdischen Gemeinde. Mit ihrem Mann Eduard Cohn und den Kindern Helmuth und Marion lebte sie am Kaiser-Friedrich-Ufer 18. Im März 1939 reiste sie mit dem Schiff nach Montevideo (Uruguay) aus und folgte ihrem Ehemann, der schon 1938 nach einer Inhaftierung in Fuhlsbüttel ausgewandert war.

Die Tochter Betty (geb. 1910) erlernte den Beruf der Modistin, arbeitete dann aber ab 1927 im Laden des Vaters mit. Sie heiratete im März 1932 Alfred Mendelsohn (geb. 1906), der ebenfalls in der Schlachterei arbeitete und Mitinhaber wurde. Betty Mendelsohn emigrierte 1938 mit ihrem 1933 geborenen Sohn Herbert in die USA. Ihr Ehemann blieb länger in Hamburg und wurde hier 1940 noch dienstverpflichtet. Ihm gelang aber ebenfalls die Emigration. Über die Sowjetunion und Japan gelangte er im September 1940 in die USA.

Die Kinder erinnerten sich nach dem Krieg deutlich an die Boykottmaßnahmen und die immer schwierigeren Lebensbedingungen. Die Tochter Betty gab an, dass im April 1933 SA-Leute in Uniform vor dem Metzgerladen aufgezogen seien, Käufer am Betreten des Ladens gehindert und die Schlachter beschimpft hätten. Die Fensterscheiben seien mit Parolen wie "Juda verrecke" und "Juden raus" beschmiert worden. Die SA organisierte einen Trupp von Kindern, die "pfui" riefen, wenn jemand den Laden betreten wollte. Auch Behörden drangsalierten die Geschäftsinhaber. Die Viehkommissionäre durften jüdische Metzger nicht mehr beliefern. Alexander Moses war zu dieser Zeit schon sehr alt, und sein Schwiegersohn wollte das Geschäft übernehmen.

Für Alexander Moses bestand vom 1. April 1930 bis zum 13. Dezember 1938 eine Handwerksrolleneintragung für das Schlachterhandwerk. Mit Verfügung vom 13. August 1938 lehnte die Verwaltung für Handel, Schiffahrt und Gewerbe den Antrag des Schwiegersohns Alfred Mendelsohn auf Verlängerung der Handwerksrolleneintragung ab, weil er die Meisterprüfung nicht fristgerecht abgelegt habe. Im September 1938 versuchte Alexander Moses, das Geschäft an Hugo Neubauer aus Wandsbek zu verkaufen. Daraufhin teilte die Handwerker-Innung dem Viehwirtschaftsverband Schleswig-Holstein mit, sie halte ein Fortbestehen der Schlachterei nicht für wünschenswert, weil der betreffende Stadtteil völlig überbesetzt sei. Die auf engem Raum ansässigen sieben Schlachtereien hätten derart geringe Fleischkontingente, dass es zweckmäßig erscheine, den Betrieb eingehen zu lassen. Der Reichsstatthalter verfügte dann am 14. Oktober 1938 Folgendes: "Die Genehmigung zur Veräußerung … wird hiermit aufgrund der Anordnung aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26.4.1938 (Reichsgesetzblatt I S. 415) versagt."

Die Tochter Betty erinnerte sich, dass die Familie vor 1933 in gutbürgerlichen Verhältnissen lebte. Die Metzgerei hatte fünf Angestellte, wovon drei auf dem Schlachthof und zwei im Geschäft arbeiteten. "Wir hatten ein eigenes Haus, eine Siebenzimmerwohnung und zwei Dienstmädchen. Wir waren vier Kinder, die alle die höhere Schule besucht und das Einjährige gemacht haben. Wir sind jedes Jahr verreist und haben gut gelebt." Das Haus sollte 1939 verkauft werden. Es fand sich aber kein Käufer.

Alexander Moses wurde auch zu einer "Judenvermögensabgabe" herangezogen. Nachdem das Geschäft aufgegeben werden musste, gestalteten sich die ökonomischen Bedingungen äußerst schwierig, zumal der NS-Staat weitere Abgaben forderte. Die Tochter berichtete, dass sie die Wertsachen der Eltern auf dem Städtischen Pfandleihhaus Bäckerbreitergang abgeliefert habe. Die Familie besaß alle Utensilien, um die traditionellen jüdischen Speisegesetze befolgen zu können. Es gab verschiedene Geschirre und Silberbestecke für milchige, fleischige und österliche Mahlzeiten.
Am 19. Juli 1942 wurde Alexander Moses nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 7. November 1942 angeblich an Altersschwäche und Enteritis (Darmentzündung). Er war ein alter Mann von 84 Jahren. Deportiert wurde er zusammen mit seiner Ehefrau Jenny Moses, die am 5. September 1942 in Theresienstadt verstarb. Die Todesfallanzeige ist erhalten, die angebliche Todesursache war die gleiche wie bei ihrem Ehemann.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2 (R1938/2896); 3; 4; 5; StaH 351-11 AfW, AZ170898 Moses, Ernst; AZ160200 Cohn, Margot; AZ300358 Moses, Alexander; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 992e 2 Band 5 (Deportationslisten); Maria Koser/Sabine Brunotte, Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf; Telefonisches Interview mit Herrn Moss am 6.8.2007; www.judeninbleckede.de; Auskunft Archiv Alte Synagoge Essen.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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