Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Max London * 1889

Marktstraße gegenüber Haus 93 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz
ermordet

Max Nathan London, geb. am 26.9.1889, deportiert nach Theresienstadt am 19.7.1942, weiterdeportiert nach Auschwitz am 28.10.1944, ermordet

Marktstraße, gegenüber Haus 93 (Marktstraße 45)

Max Nathan London wurde am 26.9.1889 geboren als Sohn des Vertreters Nathan Marcus London und seiner Frau Gelle, geb. Levy. Max Nathan London hatte am 24. April 1914 die Nichtjüdin Marie Charlotte Johanna Schwarz geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er in der Conventstraße 5. Das Ehepaar zog in die Marckmannstraße 11 in Billwerder Ausschlag, eine Flussinsel in der Unterelbe in Hamburg, und bekam zwei Kinder.

Doch 1939 ließ sich Charlotte London unter dem zunehmenden Druck auf die sogenannten Mischehen von ihrem Mann scheiden. Die beiden Kinder – eines davon der Vater von Jacqueline London, die heute in Kanada lebt und ihre Familiengeschichte recherchierte – überlebten in Hamburg als sog. "Mischlinge ersten Grades", wie die NS-Terminologie lautete.

Zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 wohnte Max Nathan London – wie seine Enkeltochter Jacqueline London recherchierte – in Hamburg-St. Pauli in dem Haus Marktstraße 47 im 2. Stock. Vermutlich lebte er da bereits bei Alice Gerndt, geb. Rubinstein (später verh. Lorenzen), geb. 25.5.1887, einer gelernten Krankenschwester, die als "Halbjüdin" entlassen worden war und Zwangsarbeit leisten musste. 1941 zogen beide ins Nachbarhaus Nr. 45 ins Erdgeschoss um, 1942 wechselten sie in eine Wohnung im dritten Stock. Alice Gerndt war zeitweise aufgrund der ungewohnten schweren körperlichen Arbeit erkrankt und musste eine Meldepflicht bei der Gestapo einhalten, aber sie überlebte und gab nach dem Krieg zu Protokoll: "Damals wohnte mein Verlobter noch bei mir (Max London, der Volljude war). Dieser hatte mich unterstützt, so dass ich mich auf dem Arbeitsamt sowie Wohlfahrtsamt nicht zu melden brauchte. Mein Verlobter wurde am 17.7.1942 von der Gestapo abgeholt und nach Theresienstadt gebracht." Fürsorglich hatte er ihr noch 200 RM zurückgelassen, "damit ich", so Alice Gerndt, "was zum Leben hatte".

Am 19. Juli 1942 wurde Max London deportiert. Auf der Deportationsliste wurde für den Transport an diesem Tag "Max Israel London, geb. 26.9.80, Arbeit[er], HH, Marktstr. 45" verzeichnet. Offenbar wurde das Geburtsjahr falsch eingetragen. Im Alter von 52 Jahren musste Max London den Zug ins Getto Theresienstadt in der deutsch besetzten Tschechoslowakei besteigen. Das "Privileg" in dieses "Vorzugsgetto" deportiert zu werden, war aus seiner früheren Mischehe erwachsen. Die meisten Leidensgenossen gelangten aufgrund ihres Alters dorthin. Sie starben oft schnell an Hunger, Kälte, Krankheiten oder Seuchen. Nur für jüngere und kräftigere Gettoinsassen gab es in Theresienstadt eine höhere Überlebenschance als an anderen Deportationsorten.

Der Postverkehr aus Theresienstadt war erlaubt, aber reglementiert, zensiert und durch die Kriegseinwirkungen erschwert. Wichtige Informationen mussten verschlüsselt formuliert werden. Wesentlich für das Überleben war es vor allem, von draußen mit Lebensmittelpaketen versorgt zu werden. Deswegen versandten Gettobewohner und -bewohnerinnen Nachrichten an Angehörige oder Bekannte mit versteckten Hilferufen. Blieben Antworten aus, bemühten sie sich, den Kontakt wieder herzustellen, so gut sie konnten.

Max London hatte von seiner Verlobten keine Nachricht mehr erhalten. Deshalb schrieb er eine Postkarte an Max Plaut, den Leiter der Jüdischen Gemeinde Hamburgs, mit Datum vom 24. Oktober 1943: "Im 16. Monat hier ganz allein in Theresienstadt, habe seit Mai nichts gehört, bitte daher mir die Adresse von Frau Alice Gerndt, Hamburg 6, Marktstrasse 45 zuletzt wohnhaft, zu erfragen, mir dieselbe baldigst zuzusenden. Max London".

Max Plaut, von der Gestapo zum Alleinverantwortlichen für die Geschicke der ehemaligen Jüdischen Gemeinde bestimmt worden, wandte sich am 6. Dezember des Jahres an Alice Gerndt, Marktstraße 45 in Hamburg: "Herr Max London, Theresienstadt Post Banchowitz, Protektorat, Hauptstr. 15, hat mich gebeten, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Ich bitte Sie mir mitzuteilen, unter welcher Adresse Sie jetzt zu erreichen sind, evt. in meinem Büro, Bornstrasse 22, I. vorzukommen. (Dr. Max Israel Plaut)".

Drei Wochen später, am 28. Dezember 1943, erhielt Max London ein Schreiben von einem Bekannten von Frau Gerndt: "Werter Herr London! Ihre Karte habe ich erhalten und habe heute Frau Gerndt gesprochen. Sie ist gesund und wohnt jetzt: Hamburg 6, Schulterblatt 9, II, b/ Orgelmann. Sie wird Ihnen dieser Tage Post schicken. Sie war sehr erfreut, von Ihnen ein Lebenszeichen zu haben. Mit besten Wünschen".

Max London überlebte noch fast ein weiteres Jahr im Getto. Ob der Kontakt zu Alice Gerndt zustande kam und anhielt, ist nicht überliefert.

Am 28. Oktober 1944 wurde er von Theresienstadt ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen transportiert, wo er ermordet wurde.

Max Londons Bruder Siegfried London, geboren 1888, wurde mit seiner Frau Franziska und den Töchtern Ilse und Vera aus den Niederlanden in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor deportiert. Für die Familie liegen Stolpersteine in der Hartungstraße 20.

Sein Cousin Max London, geboren am 8.12.1891 als Sohn von David Marcus London und Hanna Heilbut, war Geschäftsmann. Mit seiner aus Berlin stammenden Frau Charlotte Bianca, geb. Wolff, genannt Lotte, hatte er drei Kinder: Ruth, geboren am 9.7.1928, Edgar, geboren am 18.5.1931, und Eva, geboren am 23.1.1933. Die Familie wohnte in der Jenischstraße 49 in Hamburg-Altona, bis das Haus verkauft wurde. Es erfolgte 1939 ein Umzug in die Eppendorfer Landstraße 42. Schließlich wurde die Familie zwangsweise in das sogenannte Judenhaus in der Lenhartzstraße 3 einquartiert. Im Mai 1940 gelang ihnen die Ausreise mit dem Zug nach Genua. Von der italienischen Hafenstadt aus konnte Max London mit seiner Frau und den Kindern mit dem Passagierschiff "The Washington" in die USA fliehen, Ziel war New York. Dort fand Max London Arbeit als Geschäftsführer einer Manufaktur. Noch heute leben Nachkommen der Familie in den USA.

In der Rentzelstraße 10 erinnert ein Stolperstein an ein weiteres Familienmitglied: Max London, geboren 1885. Er wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert und im selben Jahr in Auschwitz ermordet.

Stand: Juli 2021
© Birgit Gewehr/Änderungen Christina Igla/Beate Meyer

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; AB Altona; Adressbücher Hamburg 1941, 1942; StaH 622-1/173 Familie Plaut D 38 (Dr. Max Plaut, Dienstliche Korrespondenz und privater Schriftwechsel); StaH 332-5 Standesämter, 9051 (Eintrag Nr. 2061, Geburt Max London); StaH 314-15 Oberfinanzpräsident R 1940/21 Sicherungsanordnungen gegen Max Israel London; StaH 552-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Band 5 (Deportationsliste Theresienstadt 19.7.1942); Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg/Werkstatt der Erinnerung, Interview mit Eva London-Ritt, Tochter von Max London, geb. 1891 (Interview 14.6.2012 FZH / WdE 1751); Korrespondenz mit Jacqueline London, Enkeltochter von Max Nathan London, Mai 2021; StaH 351-11, 9824 Alice Lorenzen.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang