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Bereits verlegte Stolpersteine



Stolperstein für Cilly Levisohn
© Gesche Cordes

Cilly Levisohn (geborene Magnus) * 1894

Gluckstraße 22 -26 (Hamburg-Nord, Barmbek-Süd)


HIER WOHNTE
CILLY
LEVISOHN
GEB. MAGNUS
JG. 1894
DEPORTIERT 1941
LODZ
1942 WEITERDEPORTIERT
???

Weitere Stolpersteine in Gluckstraße 22 -26:
Rolf William Levisohn, Albert Levisohn

Albert Levisohn, geb. 17.3.1891, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert und dort am 18.2.1942 gestorben
Cilly Levisohn, geb. Magnus, geb. 31.12.1894, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert und im Mai 1942 in Chelmno gestorben
Rolf William Levisohn, geb. 11.9.1920, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert und im Mai 1942 in Chelmno gestorben

Gluckstraße 24

Albert Levisohn wurde als Sohn des jüdischen Ehepaares William und Bertha Levisohn in Hamburg geboren. Seine spätere Ehefrau war die gebürtige Hamburger Jüdin Cilly Magnus, die Tochter von Adolf und Jenny Magnus.

Albert und Cilly Levisohn lebten allein in ihrer Wohnung in der Gluckstraße 24, bis im Sep­tember 1920 ihr erstes ge­meinsames Kind Rolf geboren wur­de. Ihr Sohn war von Geburt an körperlich be­hindert, er litt an Kleinwuchs. Acht Jahre später kam im Februar ihre Tochter Ruth zur Welt. Die wirtschaftlichen Ver­hält­nisse der Familie waren be­scheiden. Albert Levi­sohn war als Front­kämpfer im Ersten Weltkrieg aktiv ge­wesen und mit dem Hanseatenkreuz ausgezeichnet wor­den. Nach dem Krieg machte er sich als Kaufmann selbstständig. Dann arbeitete er als Buchhalter und später als Bü­cherrevisor bei der Firma Siegfried Hal­berstadt, Hohe Blei­chen 31, und ver­- diente dort durchschnittlich 350 RM im Monat, mit de­nen er seine Familie zu ernähren versuchte.

Bis März 1935 besuchte Rolf Levisohn die Lichtwarkschule, eine bekannte reformpädagogische Schule, die er verlassen musste, weil er jüdisch war. Seine ehemaligen Schulkameraden erinnerten sich später zwar noch an ihn, doch wirkliche Freunde besaß er dort nicht. Nach seiner Entlassung aus der Lichtwarkschule wechselte er zur Talmud Tora Schule, der orthodoxen jüdischen Volks- und Oberrealschule in Hamburg.

Im November 1938, kurz nach dem Novemberpogrom, wurde der 18-jährige Rolf Levisohn festgenommen und zusammen mit rund 6000 jüdischen "Schutzhäftlingen" aus dem gesamten Reich ins Konzentrationslager Oranienburg-Sachsenhausen gebracht. Dort erwarteten ihn zahllose Quälereien und Schikanen. So musste er unter anderem 24 Stunden lang re­gungs­los in eisiger Kälte ausharren oder im Laufschritt schwere Steine transportieren. Bei "Ungehorsam" wurden die Häftlinge zu stundenlangem Stehen vor einem elektrisch geladenen Stachel­draht­zaun ge­zwungen. Rolf Levisohn berichtete, dass sich viele Häftlinge in den Zaun stürzten, nur um nicht mehr stehen zu müssen. Nach sechs Wochen Haft kehrte er nach Hamburg zurück. Spätes­tens seit diesen Erfahrungen konzentrierte sich Rolf Levisohn darauf, Deutschland zu verlassen.

Da er schon über 18 Jahre alt war, bestand für ihn nicht mehr die Möglichkeit, mit einem Kin­dertransport auszureisen. Insbesondere seine Mutter Cilly Levisohn bemühte sich sehr, Verwandte und Bekannte in der ganzen Welt zu kontaktieren, um ihren Sohn irgendwo un­terzubringen. Mehr Glück hatte seine damals elfjährige Schwester Ruth. Sie gelangte im Juni 1939 mit einem Kindertransport nach England und entging so weiterer Verfolgung. Zeit­wei­se schien es so, als könne auch Rolf Levisohn mit Hilfe eines Schülerzertifikats zu Bekannten über Basel nach Palästina fliehen, doch alle unternommenen Schritte scheiterten.

Das letzte Abitur an der Talmud Tora Schule fand im Schuljahr 1939/40 statt. Nur noch zwei Schüler waren übrig geblieben, die sich den Prüfungen stellten: Oskar Judelowitz und Rolf Levisohn. Im Fach Deutsch absolvierte Rolf Levisohn sein schriftliches Abitur zum Thema: "Un­glück selber taugt nicht viel, doch es hat drei gute Kinder: Kraft, Erfahrung, Mitgefühl". Die Erinnerungen an seine Internierung im KZ Sachsenhausen, die Stigmatisierung durch seine Be­hinderung und das Leben als Jude im Deutschen Reich beeinflussten seinen Abituraufsatz sicherlich zutiefst. Das Fazit seines Aufsatzes zeigt dies deutlich: "So dürfen wir wohl zu­sam­menfassend sagen, dass wohl das Unglück für den Menschen im Augenblick etwas Ent­setzliches ist, dass aber gerade durch das Unglück ein Mensch zur Vollkommenheit gelangt." Am 12. Januar 1940 bestand Rolf Levisohn die Reifeprüfung, die unter dem Vorsitz von Ober­schulrat Oberdörffer abgenommen wurde.

Nach seinem Abitur bemühte sich Rolf Levisohn weiterhin um seine Auswanderung. Aus diesem Grund gehörte er dem zionistischen Jugendbund Habonim an, mit dem er auch an Sommerlagern teilnahm und so etwas Abwechslung und Hoffnung erhielt. Zudem begann Rolf Levisohn eine Lehre in einer Lehrwerkstatt für Schlosserei, die zu der "Volks- und Höhe­ren Schule für Juden" gehörte und ihren Sitz in der Weidenalle 10b hatte. Dies war eine jüdische Einrichtung zur Förderung und Vorbereitung der Auswanderung nach Palästina.

Bevor Rolf Levisohn mit seiner Ausbildung beginnen konnte, musste er dort zunächst eine Pro­bezeit überstehen. Doch am 4. März 1940 erhielt sein Vater die Benachrichtigung, dass sein Sohn eine Ausbildung zum Schlosser beginnen könne. Henry Halle, ebenfalls Aus­zu­bildender in der Schlosserei und ein Freund Rolfs, berichtete später, dass es Rolf Levisohn mit seiner Be­hin­derung in der Schlosserei oft nicht leicht fiel. Er sei wesentlich zierlicher und zerbrechlicher gewesen als die anderen Jungen dort. Deswegen habe man ihn an einen Schraub­stock in der hin­tersten Ecke gestellt, sodass er nicht von den anderen Auszu­bil­den­den angerempelt werden konnte.

Im Oktober 1941 kam die Wende im Leben der Familie Levisohn. Sie erhielten die Auf­for­derung, sich am 24. Oktober in der "Provinzialloge für Niedersachsen" in der Moor­wei­den­straße einzufinden, von wo sie einen Tag später mit dem ersten Transport von Hamburg nach Lodz deportiert wurden. Die Fahrt dauerte insgesamt zwei Tage und führte in ein völlig überfülltes Getto, in dem katastrophale Lebensbedingungen herrschten. Die Häuser, in denen die Bewohner leben mussten, besaßen keine sanitären Einrichtungen und waren zum größten Teil baufällig. Die hygienischen Bedingungen waren erschreckend, es herrschten Hunger, Typhus und rote Ruhr. Zudem fehlte es an Medikamenten, Kleidung und Heizmaterial. Familie Levisohn wohnte in der Rubensgasse 2 und Rolf Levisohn wurde als Schlosser in den Listen geführt. Vier Wochen nach der Ankunft der Familie in Lodz, am 18. Februar 1942, starb Albert Levisohn im Alter von 51 Jahren. Die Todesursache ist nicht bekannt.

Ein Großteil der Gettobewohner erhielt im April die Aufforderung, sich zu medizinischen Unter­suchungen einzufinden. Diese Nachricht löste Aufruhr unter den Bewohnern aus, weswegen sich auch nicht genügend Personen meldeten. Als Konsequenz daraus holte die SS einzelne Einwohner gewaltsam aus ihren Wohnungen. Am 25. April wurden auch Rolf und Cilly Levisohn abgeholt und zu einer Sammelstelle gebracht. Dort blieben sie acht Tage lang, wurden untersucht und erhielten einen Stempel auf den Brustkorb und eine Suppe.

Am 4. Mai 1942 wurden Cilly und Rolf Levisohn nach Chelmno "ausgesiedelt", was für sie den sicheren Tod durch Giftgas bedeutete. Zusammen mit anderen Bewohnern des Gettos Lodz wurden die beiden auf Lastwagen verladen und auf den Schlosshof von Chelmno gefahren. Dort wurde den Deportierten erzählt, sie würden in ein Arbeitslager nach Österreich kommen und müssten vorher noch entlaust und gebadet werden, weswegen sie sich zu entkleiden hätten.

Nach der Entkleidung wurden sie durch den Keller auf eine hölzerne Rampe geführt, an deren Ende ein Gaswagen stand. Die Möglichkeit zur Flucht war ausgeschlossen. Nachdem 30 bis 40 Personen in den Wagen gezwängt waren, wurden die Flügeltüren geschlossen. Schließlich wurde die Verbindung von Auspuff und Wageninnerem hergestellt und der Motor angestellt. Daraufhin waren Schreie und Stöhnen der Kinder, Frauen und Männer zu hören. Nach zehn Minuten verstummten diese Geräusche. Die Opfer wurden später in einem Massengrab in den Wäldern rund um Chelmno vergraben. Cilly Levisohn war 46 Jahre, ihr Sohn Rolf 21, als sie auf diese Art getötet wurden. Ihr wahrscheinliches Todesdatum ist der 5. Mai 1942.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaHH 362-2/20, Lichtwarkschule, 45; Hochmuth/de Lorent: Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz, S. 98; Louven: Stolpersteine in Hamburg-Wandsbek, S. 120; Offenborn: Jüdische Jugend, S.837, S. 1211; Pritzlaff: Entrechtet – ermordet – vergessen, S. 16ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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